Finanzbranche in der Geiselhaft der subjektiven Wahrnehmung
Unser Autor Julien Zornig kommentiert die aktuellen Ergebnisse der Studie „Vertrauensranking 2018“:
Eine relativ unscheinbare Studie des Analysehauses Servicevalue über das Kundenvertrauen von Konsumenten in verschiedene Branchen muss uns Vertretern der Finanzbranche zu denken geben. Privatbanken liegen auf einem erschreckenden Platz 87 von 88 Branchen und „schlagen“ damit nur die Branche der Wohnungsunternehmen. Direkt über den Privatbanken teilen sich noch Finanzvertriebe und regionale Immobilienmakler die letzten Plätze der Umfrage. Die besten Werte aus Sicht der Finanzbranche haben Kreditkartengesellschaften mit einem 6. Platz.
Wie belastbar die Erhebung im Detail auch sein mag, deckt sich dieses Ergebnis mit den Erfahrungen bankenunabhängiger Kapitalsammelstellen. Während die Größe von Banken früher ein Argument war, ihnen zu vertrauen, ist die damit einhergehende Komplexität heute offenbar ein Grund für eine genau gegenteilige Meinung. Erstaunlich ist dabei, dass die Kapitalmärkte seit der Finanzkrise 2008 gute Ergebnisse bei der Anlageverwaltung gebracht haben. Eine Korrektur an den Märkten dürfte kaum zu einem Vertrauensschub der Kunden führen. Hinzu kommt, dass der Branche diverse regulatorische Verschärfungen wie MiFID auferlegt wurden und trotzdem das Vertrauen sinkt. Ob diese Maßnahmen objektiven Kundenschutz bringen, bezweifeln viele; subjektiven Kundenschutz scheinen selbst die Kunden nicht zu sehen.
Geschäftsmodelle wie unseres profitieren von dieser Verschiebung von Vertrauen. Seit 2008 haben bankunabhängige Fondsmanager und Vermögensverwalter eine bis dahin nicht für möglich gehaltene Kundengewinnung erfahren. Es besteht aber kein Anlass zur Schadenfreude. Das mangelnde Vertrauen wurde nicht durch höhere Kapitalmarktkenntnisse der Kunden kompensiert. Die Kunden werden vielmehr entscheidungsstarrer und misstrauischer, selbst bei objektiver Beratung. Und gute Beratung ist für die meisten Konsumenten wichtig, da Finanzkenntnisse weiter zu den vernachlässigten Themen des Lebens vieler Konsumenten gehören. Dabei sind vermeintlich einfache Online-Anbieter, bei denen komplexe Allokationen mithilfe von Smileys auf dem iPad fixiert werden können, kein Substitut für individuelle Beratung.
Die Banken konzentrieren sich seit der Krise auf betriebswirtschaftliche Aspekte ihrer Tätigkeit, um den steigenden Kostendruck durch regulatorische Anforderungen bei sinkenden Margen in den Griff zu bekommen. Man bekommt dabei den Eindruck, als würden sich Kapitän und Offiziere auf der Brücke über das Navigationssystem streiten, während im Unterdeck Wasser ins Boot strömt. Das etwas metaphysische Thema des Vertrauens anzugehen, ist unangenehm, weil es kaum objektiv zu bearbeiten ist. Gerade Privatbanken aber, deren Marketingabteilungen viele Jahre auf die Vertrauenskarte gesetzt haben, sollten in dieser, ihrer eigenen Kernsportart wieder Punkte sammeln. Und dabei ist es auch unsere Aufgabe als bankunabhängige Finanzdienstleister, Beratung als wichtiges Element unserer Arbeit darzustellen und mit kundengerechten Entscheidungen Vertrauen zu gewinnen.
Das vollständige Vertrauensranking 2018 finden Sie auf dem Internetauftritt von Servicevalue unter www.servicevalue.de.
Unser Autor Julien Zornig ist Partner bei Astorius Capital, einer 2012 gegründeten Private-Equity-Fondsgesellschaft mit Sitz in Hamburg.