Glauben Sie nicht an diese fünf ESG-Mythen in Schwellenländern

John Bates
John Bates

Gastbeitrag von John Bates zur Berücksichtigung von ESG-Kriterien bei Investments in Schwellenländer. Er räumt mit fünf bei Anlegern weit verbreiteten Mythen auf:

Die Berücksichtigung der Faktoren Umwelt, Soziales und Governance (ESG) ist wesentlicher Bestandteil jeder vernünftigen Anlagestrategie. Dennoch leiden Investoren oft unter einem „Wahrnehmungsdefizit“, wenn es um die ESG-Faktoren in Schwellenländern (statt Industriestaaten) geht. Fakt ist, dass die Schwellenländer das globale Wirtschaftswachstum antreiben. Die ESG-Kriterien waren noch nie so wichtig für Investoren, die dieses Wachstum ausschöpfen wollen. Viele Anleger halten jedoch an einigen falschen Vorstellungen bezüglich der ESG-Faktoren in Schwellenländern fest, die sie davon abhalten, das Potenzial des Sektors zu erkennen. In diesem Artikel räumen wir mit fünf Mythen über die ESG-Kriterien in Schwellenländern auf.

Mythos Nr. 1: ESG-Risiken sind in Schwellenländern höher als in Industriestaaten

Fakt: Die Geschichte zeigt uns, dass die schwerwiegendsten Fälle von ESG-Versagen auf menschliche Fehler zurückzuführen sind, das heißt meistens auf schlechte Managemententscheidungen und in vielen Fällen auf den Wunsch, den Gewinn zu maximieren. Natürlich besteht eine tiefe Kluft zwischen Unternehmensanleihen mit hohem oder niedrigem Rating in Schwellenländern und Industriestaaten, dennoch gehören die erfolgreichsten Unternehmen in Schwellenländern auch zu den erfolgreichsten der Welt. Viele Schwellenländerunternehmen sind weltweit tätig, leiden jedoch darunter, dass sie ihren Sitz in Volkswirtschaften mit einer eher ungünstigen makroökonomischen Dynamik haben. Sei es nun Exxon Valdez oder Tschernobyl, Bernie Madoff, Telexfree, Enron oder Lava Jato, der Korruptionsskandal um Petrobras: Keine Region bleibt von ESG-Krisen verschont, ob in Industriestaaten oder Schwellenländern.

In Schwellenländern und in Industriestaaten fordern die Investoren unternehmerische Verantwortung und höhere Transparenz. Die Vielfalt des investierbaren Marktes in Schwellenländern setzt einen aktiven, kreditintensiven und selektiven Ansatz voraus, das heißt Investoren müssen mit der Unternehmensführung zusammenarbeiten, um die Unternehmenskultur und die Einflussfaktoren einzuschätzen. Wir verwenden diese Methode bei ESG-Investitionen sowohl in Schwellenländern als auch in Industriestaaten.

Mythos Nr. 2: In Schwellenländern fehlen ESG-Daten

Fakt: Auch in Schwellenländern liegen ESG-Daten vor. Sie können jedoch nur in Verbindung mit einem umfassenden, grundlegenden Kreditprozess zusammengestellt und bewertet werden. Schwellenländer bieten ein umfangreiches und vielfältiges investierbares Universum mit über 70 Staaten. Die Anleihenmärkte weisen eine Marktkapitalisierung von über 22 Billionen US-Dollar auf. Dennoch entfallen nur etwa sieben Prozent der globalen Anleihenindizes auf Schwellenländer, und deren Schuldtitel machen lediglich 27 Prozent der weltweiten Gesamtschulden aus. Schwellenländer sind daher in Bezug auf Investitionen stark unterrepräsentiert, was wohl auch erklärt, warum der Eindruck entsteht, dass es in diesen Regionen an ESG-Daten mangelt.

Unser Anlageprozess umfasst sowohl die Fundamentaldaten für Anleihen als auch die ESG-Parameter und durchsucht unser gesamtes investierbares Universum nach Risiken. Infolge dieses Screenings analysieren wir heute aktiv knapp 400 Schwellenländerunternehmen. Jedes Unternehmen verfügt über einen vollständigen ESG-Datensatz. Diese Art der Datenerfassung ist nur mit einem engagierten Analystenteam möglich, das die Unternehmen sorgfältig prüft und den Führungskräften gezielt Fragen stellt. Die Qualität der ESG-Daten für diese Firmen ist hoch: Über 90 Prozent unserer aktiv verfolgten Unternehmen erstellen ihre Abschlüsse gemäß den International Financial Reporting Standards (IFRS) und sind an der Börse notiert. Außerdem sind über 95 Prozent von den drei führenden Ratingagenturen eingestuft. 65 Prozent der Unternehmensanleihen in US-Dollar in unserem Universum sind Investment-Grade.

Mythos Nr. 3: Die Märkte in Schwellenländern berücksichtigen keine ESG-Faktoren

Fakt: Die ESG-Faktoren sind in den Schwellenländern eingepreist. Angesichts des vielfältigen Universums fallen die Bewertungen in den verschiedenen Branchen und Regionen allerdings sehr unterschiedlich aus, sodass die Bewertungen vielschichtig sind.

So hat beispielsweise der südafrikanische staatliche Energieversorger Eskom die niedrigsten Bonitätsbewertungen, den höchsten Spread im Vergleich zu den Anleihen seines Gastlandes und den ESG-Score mit dem höchsten Risiko, was alles intuitiv sinnvoll erscheint (denn ein höheres Risiko entspricht höheren Spreads). Der russische Gasproduzent Gazprom hingegen zeichnet sich durch eine höhere Bonität und ein vergleichsweise hohes ESG-Risiko aus, hat jedoch den niedrigsten Spread gegenüber den Anleihen seines Gastlandes. Mehrere Faktoren erklären diese Anomalie, etwa der Einfluss beziehungsweise die Unterstützung des Staates und die Bonität, die volkswirtschaftliche Dynamik des Landes sowie das eigenständige Kreditprofil.

Die Bewertungen werden laufend durch Ereignisse beeinflusst, die sich auf die Bonität und das ESG-Profil eines Unternehmens auswirken. Dies wurde Anfang des Jahres veranschaulicht, als der Dammbruch an einer Eisenerzmine des Bergbaukonzerns Vale in Brasilien verheerende Umweltschäden verursachte und viele Todesopfer forderte. Die Verschiebung von Vale (mit einem Rating Ba1/BBB-/BBB-) gegenüber der brasilianischen Staatsanleihe (NR/BB-/BB-) im Januar spiegelt die unmittelbare negative Marktreaktion wider.

Mythos Nr. 4: In den Schwellenländern fördern ESG-Faktoren die Anlagerenditen nicht

Fakt: Es gibt nun klare Belege dafür, dass ein ESG-Rahmen zusätzlichen Schutz bietet, insbesondere in Zeiten von Marktspannungen. ESG-Angelegenheiten werden oft als nichtfinanziell eingestuft, können aber erhebliche Auswirkungen auf die Geschäftstätigkeit der Anleihenemittenten haben und daher die Risiken und Erträge der Investoren beeinflussen. Im Juni 2013 führte MSCI den MSCI Emerging Markets Leaders Index ein. Der nach Marktkapitalisierung gewichtete Aktienindex stellt das Exposure in Schwellenländerunternehmen mit hoher ESG-Performance im Branchenvergleich dar. Die Performance zeigt deutlich, dass die kumulierten Erträge höher sind, wenn ESG-Faktoren berücksichtigt werden. Ebenfalls zu beachten ist, dass der ESG-Index konzentrierter (408 Unternehmen) als der Schwellenländerindex (1.136) ist.

Für Fixed Income sind die Belege auf Ebene der Indizes weniger überzeugend. JP Morgan führte die ESG-Unternehmens- und Staatsanleihenindizes im April 2018 ein. Diese Indizes verwenden ein Ausschlussverfahren, um ESG-Indizes ausgehend von den herkömmlichen Unternehmens- und Staatsanleihenindizes zu berechnen. So schließt beispielsweise der JESG CEMBI (Corporate Emerging Market Bond Index) rund 23 Prozent der Emittenten des CEMBI Broad Diversified Index aus. Ausgeschlossen werden Emittenten, die ESG-Scores unter einem bestimmten Niveau aufweisen, oder aus spezifischeren Gründen, etwa Kohleproduzenten für Kraftwerke oder Unternehmen, die gegen die Prinzipien des Global Compact (UNGC) der Vereinten Nationen verstoßen. Durch den Ausschluss dieser risikoreicheren Emittenten entsteht ein „grünerer“ Index, der weniger volatil ist, aber im Allgemeinen ein ähnliches Renditeprofil aufweist: In den zwölf Monaten bis April 2019 erzielte der JP Morgan ESG Corporate Index (JESG) nur 14 Basispunkte weniger als der CEMBI BD Index, auf dem er beruht. Angesichts des ähnlichen Renditeprofils ist der „grünere“ Index eindeutig vorzuziehen.

Unsere Analysten führen die ESG-Risikoanalyse neben der Bottom-up-Fundamentalanalyse nach UNGC-Grundsätzen durch. Dies hilft uns, die größten Herausforderungen in den Schwellenländern herauszufiltern. So haben wir beispielsweise 2018 Petroleos de Venezuela vermieden, den Anleihenemittenten mit der schlechtesten Performance in unserem Universum.

Mythos Nr. 5: Green Bonds sind in den Schwellenländern für ESG-Anlagen wesentlich

Fakt: Noch nicht. Im 4. Quartal 2018 und im 1. Quartal 2019 erreichte die Emission von Green Bonds ein Rekordniveau. Weltweit stieg das Green-Bond-Universum auf 430 Milliarden US-Dollar (mehr als das zehnfache gegenüber 2013). Aber nach Angaben des Institute of International Finance sind nur zwölf Prozent international handelbar, und das sind immer noch nur winzige 0,4 Prozent des globalen Anleihenmarkts. China, Frankreich und Deutschland sind die größten Emittenten von Green Bonds, die jedoch in der Regel nicht öffentlich gehandelt werden. Für Schwellenländer sind Green Bonds daher gegenwärtig unbedeutend.

Eine der wesentlichen Herausforderungen für die Entwicklung des Green-Bond-Marktes in den Schwellenländern sind die zusätzlichen administrativen Kosten und Rechtsanwaltsgebühren, die bei der Emission anfallen. Nun wird von Anlegern erwartet, dass sie diese Kosten in Form von geringeren Renditen tragen. Die Anleger sind jedoch noch nicht davon überzeugt, dass ein Emittent berechtigt ist, für Klimaanleihen weniger Zinsen zu zahlen als für herkömmliche Anleihen.

„Greenwashing“ ist auch in Schwellenländern ein Problem. Hierbei werden Anleger skeptisch, wie der Anleihenerlös in Regionen mit schlechter Regierungsführung verwendet wird. Dennoch haben die Stadt Kapstadt, die argentinische Provinz La Rioja und die Nationalbank von Abu Dhabi kürzlich Green Bonds begeben. Der boomende Green-Bond-Markt in China verdeutlicht, dass die dortigen Behörden auf eine sauberere Umwelt drängen, was sicher positiv ist.

Mehr als eine Fußnote

Vor fünf Jahren waren ESG-Kriterien im Wesentlichen eine Fußnote bei unseren Kundengesprächen. Heute bildet das Thema normalerweise einen wichtigen Teil unserer Meeting-Agenda. Da immer mehr Emittenten erkennen, dass ESG-Überlegungen in Schwellenländern für den langfristigen Erfolg entscheidend sind, sollten Investoren nicht länger an die Mythen glauben, die sie möglicherweise vor potenzieller Belohnung abhalten.

John Bates ist Head of EM Corporate Research, Emerging Markets Fixed Income bei Pinebridge Investments. Der Asset Manager mit Hauptsitz in Ney York verwaltet ein Vermögen in Höhe von 93,4 Milliarden US-Dollar in den Assetklassen Aktien, Fixed Income, Multi-Asset und Alternative Investments.

www.pinebridge.com

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