BdV: Offene Solvenzfragen bei der Ergo-Tochter Vorsorge Leben
Der Bund der Versicherten (BdV) untersucht zusammen mit dem Analysten Dr. Carsten Zielke (Zielke Research Consult GmbH) jährlich die sogenannten SFCR-Berichte der deutschen Lebensversicherer. Diese geben Aufschluss über die Kapitalausstattung der Unternehmen im Hinblick auf die europäischen Solvenzregeln nach Solvency II. Auf Grundlage dieser Untersuchung stellte Zielke in einer erneuten Detailanalyse der Daten der Ergo Vorsorge Leben, im Vergleich zu den Bilanzzahlen nach dem deutschen Bilanzstandard nach Handelsgesetzbuch (HGB), erhebliche Unstimmigkeiten fest.
„Es geht um etwa 200 Millionen Euro, die der Ergo Vorsorge Leben unter SolvencyII an Eigenmitteln fehlen“, erklärt Zielke. Axel Kleinlein, Vorstandssprecher des BdV sieht sich darin bestätigt, regelmäßig die SFCR-Berichte einer genauen Analyse zu unterziehen: „Erst die SFCR-Berichte ermöglichen eine tiefergehende Analyse der Versicherungsunternehmen.“ Kleinlein stelle sich damit gegen Bestrebungen der Versicherungsbranche, diese Berichte kürzen zu wollen.
Hintergrund der bei der Vorsorge Leben gefundenen Unstimmigkeiten sei die Bewertung fondsgebundener Lebensversicherungsverträge. Diese gehen bei der Betrachtung in die SFCR- Berichte ein, wie auch unter dem Rechnungslegungsstandard nach HGB. Dabei zeigte sich laut BdV nun eine Differenz, da diese fondsgebundenen Verträge nach dem SFCR-Bericht für 2017 um 13 Prozent geringer bewertet sind als unter dem Rechnungslegungsstandard nach HGB. Die Differenz, etwa 200 Millionen Euro, werde so nicht den versicherten Personen zugerechnet, sondern stelle indirekt Eigenmittel des Unternehmens dar. „Die Vorsorge Leben tut so, als würden 13 Prozent der Kundenguthaben eigentlich dem Unternehmen gehören“, erläutert Zielke. „Dieses Geld gehört aber den Kunden." Erschreckend sei, dass das Unternehmen über keine anderen Eigenmittel verfügt, um dies ausgleichen zu können. „Ohne diese indirekte Enteignung der Kundinnen und Kunden könnte die Vorsorge Leben anscheinend nicht genug Solvenzmittel vorweisen“, sagt Versicherungsmathematiker Kleinlein.
Derartige Analysen seien möglich, weil die SFCR-Berichte verpflichtend erstellt und vorgelegt werden müssen. „Wir sind froh, dass es die SFCR-Berichte gibt. Sie sind eine wichtige Säule der Transparenz im europäischen Aufsichtswesen“, sagt Kleinlein. „Wir sind europaweit wichtige Multiplikatoren in der Rezeption der SFCR-Berichte“, so Kleinlein. Zielke erläutert den strittigen Sachverhalt weiter. So gehörten bei fondsgebundenen Lebensversicherungsverträgen die dazugehörigen Aktiva den Versicherten direkt. Die Kundschaft trage sowohl die Chancen wie auch die Risiken der Kapitalanlagen. Folglich müssten auch die Verpflichtungen, bis auf kleinere Differenzen, wenigstens genauso hoch angesetzt werden. Dies sei nach Erfahrungen Zielkes unter Solvency II nicht zwingend der Fall – obwohl dies in der Mehrheit so praktiziert werde. Die Ergo Vorsorge Leben habe diese Regelungslücke nun dazu genutzt, eine deutlich niedrigere Verpflichtung auszuweisen als die den versicherten Personen zugeordneten Vermögenswerte. Das führe wiederum dazu, dass die gesamte Solvenz um 192 Millionen Euro erhöht wird, obwohl die Gesellschaft nur 97,5 Millionen Euro an Eigenmitteln ausweist. „Bei einer marktgerechten Bewertung müsste die Münchener Rück knapp 200 Millionen Euro nachschießen“, erklärt Zielke. Damit zeige sich einmal mehr, dass die Bewertungsmethoden unter Solvency II intransparent und beeinflussbar seien. „Bei Anwendung der internationalen Rechnungsvorschriften IFRS wäre das so nicht der Fall", so Zielke.
Quelle: Pressemitteilung BdV
Der Bund der Versicherten e.V. (BdV) ist eine unabhängige und gemeinnützige Verbraucherschutzorganisation. Der Verein wurde 1982 gegründet und zählt mehr als 50.000 Mitglieder. (mb1)