Notenbank-Doping setzt Schmerzwahrnehmung außer Kraft

Bernhard Matthes
Bernhard Matthes

Im Gespräch mit DFPA gibt Bernhard Matthes von der Bank für Kirche und Caritas (BKC) einen Ausblick auf das, was nach seiner Ansicht in den nächsten Monaten an den Kapitalmärkten und für Anleger zu erwarten ist. Er meint: Die aktuelle Situation begünstigt Erfolg von defensiven Mischstrategien.

DFPA: Was bedeutet das starke Wachstum der Kapitalmärkte im Jahr 2019 für das laufende Jahr?

Matthes: Das Jahr 2019 geht als Prädikatsjahrgang in die Kapitalmarktgeschichte ein. Die anhaltend freundlichen Marktbedingungen im Schlussquartal krönten in den allermeisten Marktsegmenten ein erfolgreiches Jahr für die Anleger. Man sollte aber nicht außer Acht lassen, dass die Kapitalmärkte mit den Ergebnissen des vergangenen Jahres weder verbesserte Wachstumsaussichten noch erfolgreich adressierte Strukturprobleme honorierten. Die hohen Erträge waren einzig und allein Reflex auf die neuerliche Lockerung der Notenbanken.

Grundsätzlich handelt es sich bei den im Jahr 2019 erzielten Renditen um einen aus der Zukunft geborgten Ertrag, der nicht wiederholbar ist und die meisten Marktsegmente künftig für strukturell niedrigere Erträge und strukturell höhere Schwankungen anfällig macht.

Bei Aktien war das Ausbleiben von Gewinnsteigerungen in den meisten Regionen und Segmenten auffällig. Die erzielten Kursgewinne resultierten folglich allein aus Bewertungsausweitungen. Damit hat sich die ohnehin schon ambitionierte Bewertungssituation vieler Aktienmärkten weiter verschärft.

Auch bei Unternehmensanleihen war eine weitgehende Entkoppelung zwischen Fundamentaldaten und Risikobepreisung feststellbar. Den weithin schlechten wirtschaftlichen Fundamentaldaten und der kontinuierlichen Eintrübung der Kreditkennzahlen standen deutliche Einengungen der Risikoaufschläge unbeeindruckt gegenüber. Diese Entsynchronisierung zwischen harten Daten und Fakten einerseits und der Marktstimmung andererseits ist als schwer wiederholbarer Einmaleffekt auf dem Rücken der unerwartet starken geldpolitischen Lockerung zu werten.

DFPA: Welche Faktoren sind besonders relevant für das laufende Jahr?

Matthes: Trotz der aktuellen Sorgen um das „Wuhan-Virus“, eventuell drohender Autozölle für die EU und anhaltende Negativschlagzeilen von gleich- und nachlaufenden Konjunkturdaten in Europa halten wir kurzfristig positive Konjunkturüberraschungen 2020 für möglich. Einige Indikatoren deuten derzeit auf Anzeichen einer Trendwende beim Wachstumsausblick, gerade in Europa, aber auch in Asien. Verlässlich frühzyklische Marktsegmente senden aktuell konsistent positive Preissignale (zum Beispiel Aktien Taiwan, Aktien Korea, Halbleiterpreise und so weiter). Die Stimmung in einigen Krisenbranchen beginnt sich aufzuhellen. Wir halten es für vorstellbar, dass die geldpolitischen Rahmenbedingungen auch weiterhin fundamentale Risikofaktoren betäuben und eine Zeit lang außer Kraft setzen können. Das „Risk-on“-Umfeld mit nur fragwürdig kompensierten Risiken und hohen Bewertungen könnte erhalten bleiben.

DFPA: Mit welchen Strategien können Anleger in dieser Situation Erträge erwirtschaften?

Matthes: Es scheint uns nicht ratsam, sich allzu aggressiv gegen die von den Notenbanken gewünschten Marktbedingungen zu positionieren. Zudem setzte das neuerliche Notenbank-Doping jede mögliche Schmerzwahrnehmung außer Kraft, sodass nahezu alle Anlageklassen und Anlagestrategien gut funktionierten. Vor diesem Hintergrund und einer eventuell möglichen Trendwende beim Wachstumsausblick ergeben sich einige positive Implikationen für das Ertragspotential defensiver Mischstrategien.

Anleger sollten jedoch keinesfalls auf „Schönwetterfonds“ oder sogenannte „One Trick Pony“-Mischfonds setzen, die auf Gedeih und Verderb auf das „Funktionieren“ der Aktienseite angewiesen sind. Sobald diese nicht mehr läuft, steht das Modell in Frage, weil auch von der Rentenseite keine nennenswerten Beiträge mehr generiert werden können.

Intelligentere und robustere Ansätze sind Multi-Asset-Portfolien – angelegt als Multi-Risikoprämien-Portfolien – die über reine Aktien/Renten-Monokulturen hinausgehen. Alternative, marktunabhängige Risikoprämien sind schon aus Diversifizierungsgründen wertvoll, besonders wichtig aber in einer Zeit, in der die traditionellen Risikoarten, Zinsrisiko und Aktienrisiko, als teuer und schlecht kompensiert gesehen werden müssen. Mischfonds, die zum Beispiel auch auf Absolute-Return-Strategien, Cat-Bonds, Edelmetalle oder andere alternative Bausteine setzen, werden in den kommenden Jahren bessere Voraussetzungen haben, um angemessene Risikoprämien ernten zu können.

Mit dem „BKC Treuhand Portfolio“ haben wir vor inzwischen zehn Jahren einen robusten Multi-Asset-„Allwetterfonds“ aufgelegt, der mit einer Jahresperformance von 9,59 Prozent im vergangenen Jahr bei gerade einmal zehn Prozent aktivem Aktienexposure eine erfreuliche Wertentwicklung ausweisen konnte.

DFPA: Am 31. Januar hat das Vereinigte Königsreich die EU verlassen. Welche Chancen ergeben sich aus dem Brexit für das Portfoliomanagement?

Matthes: Bereits im vierten Quartal waren Vermögenswerte aus Großbritannien besonders gefragt. Das britische Pfund konnte deutlich aufwerten. Anders als für die EU ergeben sich unserer Auffassung nach für Großbritannien in einer Post-Brexit Ära langfristig eher Chancen als Risiken. Mit weniger Regulierung, attraktiveren Wettbewerbsbedingungen, freien und marktwirtschaftlicheren Märkten sowie mehr Rechtsstaatlichkeit hat Großbritannien langfristig gute Chancen, bessere Standortbedingungen gegenüber Kontinentaleuropa aufzuweisen. Wir gehen daher davon aus, dass Investoren längerfristig UK-Assets wieder eine Bewertungsprämie zubilligen werden, ein Prozess, der ausgehend von aktuell nach wie vor günstigen Bewertungen attraktive Renditechancen ermöglichen würde.

DFPA: Wie entwickeln sich die Märkte derzeit in Kontinentaleuropa und den USA?

Matthes: In Europa steht zu befürchten, dass ein struktureller Bewertungsabschlag gerechtfertigt und bestehen bleibt. Immer neue Regulierungsexzesse lasten in vielen Branchen klar auf Produktivität und Profitabilität. In regelmäßig veröffentlichten internationalen Vergleichsstudien zeigt sich immer stärker der Trend, dass kontinentaleuropäische Länder bei Faktoren wie Innovationskraft, Investitionsklima oder Bildungserfolg an Boden verlieren. Regulierungsdichte und politische Rahmenbedingungen schaffen mehr und mehr investitionsfeindliche Bedingungen. Die aktuellen Pläne des deutschen Finanzministers Olaf Scholz für eine Aktiensteuer zur Finanzierung der „Grundrente“ sind nur ein Beispiel für Entwicklungen, die im Ausland zuletzt vielfach Kopfschütteln hervorgerufen haben.

Während US-Aktienindizes ein Allzeithoch nach dem anderen erklimmen, verharren viele europäische Indizes auf dem Niveau der Jahre 1994 oder 1999. Warum? Unter anderem ist als strukturelle Ursache festzuhalten, dass US-Unternehmen sich auf ihr Geschäftsmodell fokussieren können. Die Trump-Administration dereguliert und entlastet gerade kleinere und mittlere Unternehmen. Europäische Unternehmen sind gleichzeitig mit Dingen wie Bonpflicht, weiteren Datenschutz-, Brandschutz-, Arbeitsschutz- und sonstigen Auflagen und Regulierungen beschäftigt, die Produktivität kosten. Daher haben sich europäische Aktienmärkte einen Bewertungsabschlag redlich verdient. Zudem wirkt die innovativere und profitablere Branchenstruktur natürlich zugunsten der US-Märkte.

Bernhard Matthes ist Bereichsleiter Portfoliomanagement bei der Bank für Kirche und Caritas (BKC) und Manager des Stiftungsfonds „BKC Treuhand Portfolio“. Die 1972 gegründete BKC mit Sitz in Paderborn ist eine Genossenschaftsbank für Kirchengemeinden, kirchlich-caritative Einrichtungen sowie deren hauptamtliche Mitarbeiter.

www.bkc-paderborn.de

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