Paradigmenwechsel in der Aktienbewertung

Steigende Inflationsraten, steigende Zinsen und anhaltende geopolitische Spannungen zwingen Anleger zum Umdenken. In der Bewertung von Aktien findet ein Paradigmenwechsel statt, beobachtet Stefan Breintner (DJE Kapital), der im Gespräch mit DFPA.info seine aktuelle Markteinschätzung erläutert.

Stefan Breintner
Stefan Breintner

DFPA: Faktoren wie Profitabilität und Marktposition werden ihrer Einschätzung nach wichtiger als Umsatzwachstum. Spielt das Dividendenwerten in die Karten?

Breintner: Seit Mitte März haben sich die wichtigsten Börsen kräftig erholt, und zwar trotz fortdauernder geopolitischer Belastungen und damit verbundener hoher Unsicherheit sowie anhaltendem monetären Gegenwind in den USA. Der weltweite Aktienindex MSCI erzielte in Euro gerechnet im März insgesamt ein Plus von knapp 3,5 Prozent. Mit unserer Dividendenstrategie konnten wir im vergangenen Monat die Benchmark sogar übertreffen. Historisch gesehen ist der April ein guter Monat sowohl für Aktien als auch für Anleihen.

Kurzfristige Prognosen bleiben aber schwierig. Dennoch blicken wir konstruktiv auf die kommenden Wochen und bleiben vor allem mittel- und längerfristig positiv gestimmt für Aktien. Bei den aktuellen, sehr tiefen Realzinsen (zum Beispiel Deutschland circa. minus sieben Prozent) und den anhaltend hohen Inflationsraten bleiben Sachwerte wie Aktien die beste Anlagealternative. Unser Fokus liegt dabei auf Unternehmen mit hoher Preissetzungsmacht und damit stabilen oder im Idealfall steigenden Margen.

DFPA: Aktien oder Anleihen – was steht aktuell im Fokus?

Breintner: Im laufenden Jahr haben sich Mischfonds mit hohen Aktienquoten meist besser geschlagen als solche mit hohen Anleihequoten. Aus unserer Sicht ist es auch weiterhin angebracht, stärker auf Aktien zu setzen. Eines der Kernargumente für Investitionen in Aktien bleibt das sehr tiefe Realzinsniveau. Wir halten einen Fokus auf defensive Aktien für sinnvoll. Das Umfeld für Anleihen bleibt aufgrund der stark steigenden Inflation und der erwarteten Zinsanhebungen, vor allem in den USA, mittelfristig schwierig. Wir sind vor allem bei Unternehmensanleihen mit längerer Laufzeit vorsichtig.

DFPA: Auf welche Regionen setzen Sie?

Breintner: Die USA dürften sich weiterhin konjunkturell und börsentechnisch besser entwickeln als Europa. Der Krieg betrifft die USA weit weniger als Europa, und viele US-Unternehmen profitieren sogar davon. 2022 dürfte es in den USA nicht zu einer Rezession kommen, mit Blick auf 2023 besteht aber auch dort – besonders für den Fall einer zu restriktiven Notenbankpolitik – ein gewisses Rezessionsrisiko. Deutschland und Europa dagegen werden durch den Krieg in der Ukraine voraussichtlich stark belastet. Zudem wird der deutsche Export Richtung China durch die schwächere Wirtschaftsentwicklung in China beeinträchtigt.

Die Abhängigkeit vom russischen Gas ist für Europa ein großer Wettbewerbsnachteil. Hier könnte die Konjunktur durch die hohen Energiepreise und die zunehmende Unsicherheit unter Druck kommen – mit Deutschland als einem der Hauptleidtragenden. Aber aus dem monetären und markttechnischen Blickwinkel bleibt Europa besser unterstützt: Im Falle eines Wahlsiegs von Emmanuel Macron bei der Präsidentschaftswahl in Frankreich dürfte die EZB auch in den kommenden Monaten weniger restriktiv agieren als die US-Notenbank. Zudem gab es bereits massive Verkäufe europäischer Aktien im ersten Quartal. Dadurch eröffnet sich aus markttechnischer Sicht wieder Raum für Optimismus – der Markt ist überverkauft. Innerhalb Europas dürfte die Region Skandinavien, nicht zuletzt wegen der geringeren Energiepreisabhängigkeit, mit das beste Chance-Risiko-Verhältnis haben.

China dagegen bleibt weiter schwierig einzuschätzen: Einerseits wird die Immobilienkrise nicht so schnell überwunden sein – auch wenn staatseigene Firmen vermehrt fertiggestellte Wohnungen kaufen. Andererseits hemmt auch der strikte Null-Covid-Ansatz die wirtschaftliche Erholung. Wir bevorzugen daher die USA vor Europa und halten innerhalb Europas Skandinavien für attraktiv. Dagegen lassen wir gegenüber der chinesischen Anlageregion weiterhin Vorsicht walten.

DFPA: Welche Sektoren sind erfolgversprechend?

Breintner: Wir sind der Ansicht, dass es derzeit mehr auf die Länder- als auf die Sektorengewichtung ankommt. Im aktuellen Umfeld bleibt das Gesundheitswesen sowohl fundamental als auch markttechnisch eine attraktive Branche. Im Technologiesektor haben wir weiter sowohl relativ zum Weltindex als auch zu Mitbewerbern ein größeres Untergewicht. Die Gewinnentwicklung im Erdöl- und Gas- beziehungsweise Energiesektor sollte im laufenden Jahr sehr gut ausfallen. US-Ölunternehmen könnten zukünftig deutlich mehr investieren.

DFPA: Seit über zehn Jahren haben Growth-Werte besser abgeschnitten als Value-Werte. Ändert sich das jetzt?

Breintner: Wir sehen einen Paradigmenwechsel. In den vergangenen Jahren standen vor allem Kriterien wie das Umsatzwachstum im Fokus der Investoren. Das könnte sich in den nächsten Jahren ändern. Kriterien wie die Preissetzungsmacht von Unternehmen und eine starke Marktposition beziehungsweise die Fähigkeit, die Margen halten zu können, werden aus unserer Sicht wichtiger werden. Die Aktien jener Unternehmen, deren Profitabilität sich nicht verschlechtert, dürften künftig relativ gut laufen beziehungsweise sich überdurchschnittlich entwickeln. Auch Kriterien wie Bewertung und Dividende dürften weiterhin eine größere Bedeutung haben als in den vergangenen Jahren.

DFPA: Wie viel schütten die deutschen Konzerne dieses Jahr an Dividenden aus und warum?

Breintner: Die Gesamtausschüttungssumme der DAX40-Konzerne dürfte im Jahr 2022 bei circa 48 Milliarden Euro liegen. Hintergrund für die Steigerung ist vor allem, dass sich die Gewinnsituation 2021 gegenüber 2020 verbessert hat. Viele Konzerne schütten ja gemäß definierter Ausschüttungsquoten/Ausschüttungskorridore aus. Auch die Entwicklung des freien Cashflows war 2021 bei vielen Unternehmen des DAX40 sehr gut, was die Dividendenzahlungen im laufenden Jahr für das Geschäftsjahr 2021 fundamental untermauert.

DFPA: Wie schätzen Sie die Dividendenausschüttungen der deutschen Konzerne im Jahr 2023 ein?

Breintner: Nimmt man die aktuellen Konsensus-Erwartungen als Grundlage, dann erwartet der Markt eine leichte Steigerung für 2023. Ich persönlich halte das für etwas zu optimistisch. Aufgrund des Krieges in der Ukraine sind beispielsweise viele Lieferketten unterbrochen. Die Folge sind hohe Logistikkosten, und die Energiekosten vor allem für europäische Unternehmen sind deutlich höher als erwartet. Demzufolge könnten sich die Gewinne vieler deutscher Konzerne 2022 schwächer als erwartet entwickeln, was dann wiederum zur Folge haben könnte, dass 2023 etwas weniger an Dividende für das Geschäftsjahr 2022 bezahlt wird.

DFPA: Worauf sollten Anleger beim Investieren in Dividendenaktien achten?

Breintner: Vor allem darauf, dass die Dividende auch wirklich verdient wird. Für uns ist ausschlaggebend, dass die freie Cashflow-Rendite über der Dividendenrendite liegt. Vorsicht ist angebracht bei Unternehmen, die etwa 80 bis 100 Prozent ihres Gewinns ausschütten: Solche Unternehmen müssen dann in schwierigen Jahren oft die Dividende kürzen oder ganz streichen, was in der Regel zu stärkeren Kursverlusten bei der Aktie des betreffenden Unternehmens führt. Wir bevorzugen daher generell Unternehmen mit einer Ausschüttungsquote von 40 bis 60 Prozent. Außerdem ist uns wichtig, dass unsere Portfoliounternehmen die Dividende mindestens konstant halten beziehungsweise im Idealfall natürlich jedes Jahr anheben.

Stefan Breintner ist Leiter des Bereichs Research & Portfoliomanagement bei der DJE Kapital AG, einer unabhängigen Vermögensverwaltung mit Sitz in München. Das Unternehmen ist seit 45 Jahren am Kapitalmarkt aktiv und verwaltet mit rund 170 Mitarbeitern aktuell über 17,4 Milliarden Euro (Stand: 31. Dezember 2021) in den Bereichen individuelle Vermögensverwaltung, institutionelles Asset Management und Publikumsfonds. Zudem bietet die DJE Kapital AG seit 2017 mit Solidvest eine einzeltitelbasierte Online-Vermögensverwaltung an

www.dje.de

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