EBRD befürchtet "Zombifizierung des Unternehmenssektors"
Die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) warnt vor den Gefahren einer dauerhaften Überschuldung von Betrieben und einer „Zombifizierung des Unternehmenssektors“. Das meldet „Faz.net“, das Onlineportal der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung", am 26. November 2022.
Aktuell sei dies zwar „noch“ nicht der Fall, doch bestehe das Risiko, falls im Kern nicht lebensfähige Firmen durch Vergabe immer neuer Kredite weitergeschleppt würden – zum Schaden der Volkswirtschaft und ihrer Konkurrenten, die sich am Markt einem unfairen Wettbewerb stellen müssten und schlechteren Zugang zu Kapital bekämen. Nachdem die Pandemie zu einer immer höheren Unternehmensverschuldung geführt habe, sei es nun an der Zeit, dass die Staaten ihre Kreditlinien zurückführten und die Banken mehr Vorsorge betrieben, schreibt die Osteuropabank EBRD in einem neuen Bericht zum Stand der wirtschaftlichen Angleichung der von ihr betreuten Staaten, so melder „Faz.net“. Das seien vor allem die in Osteuropa, der früheren Sowjetunion sowie die Türkei. Insbesondere die schnell steigenden Zinssätze nährten Zweifel, ob die Betriebe künftig stark steigende Kreditlasten tragen könnten – mit womöglich weitreichenden Folgen für Banken und Volkswirtschaften. Diese Sorge treibe auch die Österreichische Nationalbank (OeNB) um, die unter anderem die stark in Osteuropa engagierten österreichischen Banken wie Erste Group und Raiffeisen Bank International (RBI) beaufsichtigt. Zwar verfüge der Bankensektor über eine „solide Risikotragfähigkeit“. Doch führten die negativen Auswirkungen der Inflation sowie die andauernden geopolitischen Spannungen zu wachsenden Stabilitätsrisiken auf den Finanzmärkten. Deshalb sollten die Banken ihre gute Ertragslage für eine weitere Stärkung der Kapitalbasis nutzen und ihre „hervorragenden“ Ratings sichern, verlangt OeNB-Vize-Gouverneur Gottfried Haber.
Auch wenn es unter den außergewöhnlichen Umständen der Pandemie richtig gewesen sei, Unternehmen zu schützen, „führt die fortwährende Verlängerung von Krediten für nicht lebensfähige Unternehmen zu deren Zombifizierung“, warnt die EBRD in ihrer Analyse. Diese behindere den Prozess der kreativen Zerstörung, die ein wesentliches Element einer gesunden und dynamischen Wirtschaft sei. Die Organisation für Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD) definiert „Zombie-Unternehmen“ als solche, die mehr als zehn Jahre bestehen und in drei aufeinanderfolgenden Jahren nicht in der Lage waren, ihre Zinslast aus dem operativen Ergebnis zu decken. Knapp ein Viertel der untersuchten Betriebe gelte als finanziell angeschlagen – jedes fünfte von ihnen, also fünf Prozent aller Betriebe, müsse als „Zombie-Unternehmen“ bewertet werden. Unter den Staatsbetrieben liege die Quote allerdings viel höher, bei 13 Prozent.
Die Regierungen sollten die Finanzhilfen für die Betriebe schrittweise zurückfahren, die Bankenaufsicht stärken, die Insolvenzverfahren reformieren sowie private Schulden- und Aktienmärkte entwickeln, rät die nach dem Fall des Eisernen Vorhangs gegründete Entwicklungsbank, die nur den Privatsektor fördert, so führt „Faz.net“ aus. (DFPA/mb1)