Wirecard: Aufsichtsrechtliches Versagen auf breiter Front
Der Fall Wirecard wirft viele Fragen auf. Nach Ansicht der auf Bank- und Kapitalmarktrecht spezialisierten Kanzlei Mattil & Kollegen hat nicht nur die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) versagt, sondern auch die zuständige Börsenaufsicht. Die börsennotierte Wirecard AG hat laut Mattil & Kollegen nie eigene operative Geschäfte ausgeführt, sondern nur als Holding fungiert. Die Finanzdienstleistungs- und Bankgeschäfte wurden hingegen von der Wirecard Bank AG sowie einigen weiteren Tochterunternehmen getätigt. Während die Wirecard AG selbst nur 150 Mitarbeiter beschäftigt, arbeiten die angeblichen 5.500 Angestellten der Wirecard-Gruppe also eher bei den operativ tätigen Zahlungsdienstleistern.
Die Wirecard AG war zunächst im TecDAX gelistet und wurde 2018 in den DAX aufgenommen. Die Kriterien für die Aufnahme in den DAX sind nach Ansicht der Kanzlei Mattil & Kollegen aberwitzig. Denn ein Hauptkriterium sei die Marktkapitalisierung, also der Aktienkurs, der keinen Bezug zum tatsächlichen Geschäft haben muss. Laut Mattil & Kollegen habe die Deutsche Börse AG offenbar nichts aus dem „neuen Markt“ gelernt. Damals gab es Unternehmen mit Umsätzen in Höhe einer halben Million, deren Marktkapitalisierung aber Milliarden betrug. Der „neue Markt“ brach bekanntlich Anfang der Zweitausender zusammen.
Nach Ansicht der Kanzlei Mattil & Kollegen hätte die Börsenaufsicht einschreiten und die Kriterien für die Aufnahme in den DAX überprüfen müssen. Der Vorstand der Wirecard-Gruppe habe wohl in erster Linie daran gewirkt, den Aktienkurs hoch zu peitschen und zu diesem Zweck auch Geschäftsaktivitäten in Asien erfunden.
Rechtsanwalt Peter Mattil: „Der Börsenhandel muss auf den Prüfstand. Ein Aktionär beziehungsweise Aktienerwerber verlässt sich auf den Anschein eines seriösen Unternehmens, das die Listung in den wichtigen DAX geschafft hat. Wie sehr ein Aktienkurs (der nur durch die oft irrationale Nachfrage bestimmt wird) täuschen kann, wurde jetzt deutlich vorgeführt.“
Im Rahmen des Börsengesetzes übt die Börsenaufsichtsbehörde die Aufsicht über die Börse aus. In Deutschland nehmen diese Aufgaben die Wirtschafts- oder Finanzministerien der Länder wahr, in Frankfurt also das Wirtschaftsministerium Hessen. Die BaFin ist parallel für die Genehmigung der Börsenprospekte und den ordnungsgemäßen Wertpapierhandel zuständig. (DFPA/JF1)
Quelle: Pressemitteilung Mattil & Kollegen
Die Kanzlei Mattil & Kollegen, Fachanwälte für Bank- und Kapitalmarktrecht, mit Sitz in München, ist seit mehr als 20 Jahren im Bank- und Kapitalmarktrecht tätig.