"Die Grunderwerbsteuerreform verfehlt ihr Ziel"
Am 29. November 2019 hat die Länderfinanzministerkonferenz einen Gesetzestext zur grunderwerbsteuerlichen Mehrbelastung von Share Deals verabschiedet. Nachfolgend finden Sie erste Reaktionen der deutschen Immobilien-Investmentbranche zum beschlossenen Gesetzestext:
Martina Hertwig, Partnerin und Wirtschaftsprüferin beim Prüfungs- und Beratungsunternehmen Baker Tilly und Mitglied des ZIA-Vorstands: „Die von den Länderfinanzministern beschlossene Reform der Grunderwerbsteuer macht Share Deals unattraktiver und wirkt sich negativ auf die gesamte Immobilienbranche aus. Insbesondere die Absenkung der steuerauslösenden Grenze von 95 auf 90 Prozent und die Ausweitung der Haltefristen auf zehn Jahre machen Share Deals für Verkäufer unattraktiver. Dies trifft vor allem jene Akteure, die qua Geschäftsmodell häufig Share Deals machen – etwa Projektentwickler und Immobilienfonds.
Für die gesamte Branche – und vor allem für die Gestaltung von laufenden Deals – ist zudem von großer Bedeutung, wie die Übergangsregelungen aussehen werden. Diese sind derzeit allerdings noch nicht bekannt. Hier ist eine rasche Klärung notwendig, um Rechtssicherheit für Transaktionen zu schaffen.
Die Schaffung eines neuen Ergänzungstatbestands für Kapitalgesellschaften ist für große Konzerne problematisch, die einige Immobilien halten, deren Kerngeschäft aber nicht das Immobiliengeschäft ist. Diese Unternehmen werden bei Umstrukturierungen im Konzern immer wiederkehrend mit Grunderwerbsteuer belastest. Hier ist eine Ausnahmeregelung für alle Unternehmen notwendig, die keine Immobilienunternehmen sind. Derzeit ist allerdings unklar, ob und wie eine solche Regelung kommen wird.
Größere börsennotierte Immobilien-AGs werden bei Änderungen in der Aktionärsstruktur künftig immer wieder mit Grunderwerbsteuer belastet. Die notwendigen Daten, um diese Änderungen zu erfassen, können derzeit faktisch nicht erhoben werden.
Spannend bleibt außerdem die Reaktion des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) auf die Beschlüsse. Das Ministerium wird die Beschlüsse ausgiebig prüfen. Es ist nicht auszuschließen, dass es hierzu noch wesentliche Einwände erhebt.“
Dr. Esfandiar Khorrami, Partner und Rechtsanwalt bei der Berliner Kanzlei Bottermann Khorrami LLP: „Die Änderungen werden in Zukunft Share Deals nicht unterbinden. Das Absenken der steuerauslösenden Obergrenze von rund 95 auf circa 90 Prozent führt nicht dazu, dass auch die ‚professionellen Immobilienkäufer‘ besteuert werden. Die Absenkung wird einige der mittelgroßen Käufer treffen und der Besteuerung unterwerfen. Professionelle und institutionelle Investoren werden jedoch weiterhin die Grunderwerbsteuer bei größeren Deal-Volumina vermeiden können. Sie müssen nur einen Partner zu finden, der anstatt rund fünf Prozent 10,1 Prozent der Gesellschaftsanteile hält. Das ist zwar eine Herausforderung, jedoch kein unüberwindliches Hindernis. Daher wird die Reform der Grunderwerbsteuer nicht die Ergebnisse bringen, die die Politik sich erhofft.
Des Weiteren ist fraglich, warum Asset und Share Deals künftig steuerlich gleich behandelt werden sollten. Es gibt gute Gründe, warum Share Deals weitgehend steuerfrei sind. Der Erwerber übernimmt beim Share Deal eine bestehende Gesellschaft und damit alle wirtschaftlichen, rechtlichen und sonstige Risiken sowie alle Verbindlichkeiten, auch wenn sie mit der Immobilie nichts zu tun haben. Das ist bei einem Asset Deal nicht der Fall.“