Containerschifffahrt: Charterraten im Aufwind
Normalerweise ist während des dritten Quartals eher eine Seitwärtsbewegung der Charterraten in der Containerschifffahrt zu verzeichnen, weil die Befrachtungsaktivität zur Urlaubszeit nachlässt. Nicht so in diesem Jahr. Stattdessen zogen die Raten bis Ende September kontinuierlich an. Darauf weist der Hamburger Asset- und Investment-Manager Ernst Russ in seinem „Schifffahrtsmarktbericht Herbst 2019“ hin.
Die signifikantesten Verbesserungen erzielten die großen Schiffsklassen ohne Ladegeschirr, da die Verfügbarkeit von Schiffen bei weitem nicht ausreichte, um die Nachfrage zu decken. Der Markt für Postpanamax-Schiffe (5.500 TEU und mehr) befand sich bereits im Aufwind, nun folgten auch die klassischen Panamaxe (4.000 bis 5.100 TEU) mit großen Sprüngen. So erhöhte sich die Durchschnittsrate für ein Typschiff mit einer Kapazität von 4.250 TEU während des dritten Quartals um mehr als 52 Prozent auf gut 14.400 US-Dollar pro Tag.
Die Marktaktivitäten haben zwar im Vergleich zum Vorjahr abgenommen, doch dies spiegelt laut dem Schifffahrtsmarktbericht nicht mangelndes Interesse der Charterer wider, sondern einen Engpass an Schiffen. „Im Grunde genommen herrschte in allen Segmenten über 2.000 TEU Vollbeschäftigung, vor allem in Asien standen dem Markt bis auf einzelne Rücklieferungen kaum Schiffe zur Verfügung“, so Ernst Russ.
Entscheidend zur Tonnageverknappung beigetragen haben Werftaufenthalte, um Abgasreinigungsanlagen („Scrubber“) bei den Schiffen im Hinblick auf die neuen Brennstoffvorschriften der International Maritime Organisation (IMO) nachzurüsten. Ende September waren zu diesem Zweck Schiffe mit einer Kapazität von zusammen mehr als 500.000 TEU beziehungsweise fast drei Prozent der Weltcontainerschiffsflotte vorübergehend außer Betrieb - ein neuer Rekord und sicher ein „Game-Changer“ für den gesamten Markt.
Die technischen Herausforderungen der Nachrüstung von Abgasreinigungsanlagen sind weithin unterschätzt worden. So befinden sich laut Marktbericht einige Containerschiffe bereits seit Juni in der Werft - viel länger als veranschlagt. Am stärksten betroffen ist das Segment der großen und ultragroßen Einheiten zwischen 8.000 und 20.000 TEU.
Die Ratensprünge für Charterschiffe im Postpanamax-Segment während des dritten Quartals waren erneut beeindruckend. Die wenigen Einheiten, deren Charter auslief, konnten schon Wochen im Voraus Anschlussbeschäftigung sichern, zumeist bei den bestehenden Charterern. Beispiel: Wurden 6.500-TEU-Schiffe Ende des zweiten Quartals zu rund 20.000 US-Dollar pro Tag für kurze Perioden verchartert, lag das Niveau Ende des dritten Quartals nunmehr bei gut 24.000 US-Dollar pro Tag für Charterlaufzeiten von zwei Jahren. „Wie der Ratenanstieg ist auch die Zunahme der Charterperioden ein untrügliches Indiz für die Stärke des Marktes“, so Ernst Russ.
Auch die mittleren Schiffsgrößen zwischen 2.000 und 4.000 TEU verspürten während des dritten Quartals zunehmend Rückenwind. Das dürfte zum Teil auf einen „Kaskadeneffekt“ auf der Nachfrageseite zurückzuführen sein: Wegen der Knappheit an großen Schiffen weichen die Charterer teilweise auf kleinere Einheiten aus, um ihre Dienste zu erweitern oder Extra-Abfahrten zu organisieren. In den Feederschiffgrößen unter 2.000 TEU blieb der Markt im dritten Quartal dagegen überwiegend unverändert. Nur in Nischensegmenten gab es nennenswerte Verbesserungen.
„Insgesamt lässt sich für das dritte Quartal ein durchaus positives Fazit ziehen. Angesichts der Turbulenzen im internationalen Handel und der deutlichen Abschwächung des Weltwirtschaftswachstums behauptet sich der Chartermarkt überraschend gut. Die positiven Effekte der Scrubber-Nachrüstung könnten bald noch dadurch verstärkt werden, dass Linienreedereien die Fahrtgeschwindigkeiten ihrer Schiffe verringern, um teuren Treibstoff zu sparen. Die Flottenproduktivität würde weiter sinken - es wäre mehr Schiffskapazität als bislang erforderlich, um die gleiche Transportleistung zu erbringen. Unter den gegebenen Voraussetzungen (niedriges Orderbuch/ wenig Neubauablieferungen) wären die Linien dazu gezwungen, mehr Tonnage einzuchartern“, so das Fazit des Marktberichts. (DFPA/TH1)
Quelle: „Schifffahrtsmarktbericht Herbst 2019“ Ernst Russ
Die Ernst Russ-Gruppe ist ein börsengehandelter Asset‐ und Investment-Manager mit Schwerpunkt auf den Assetklassen Schiff und Immobilie. Aktuell betreut die Ernst Russ-Gruppe eine Flotte von rund 80 Container‐, Tank‐, Bulk‐ und sonstigen Schiffen. Ferner werden 40 Immobilien an 28 Standorten betreut. Der Hauptsitz des Unternehmens ist Hamburg.