Merck Finck "Blitzlicht": "Das Dilemma mit dem DAX"
Der Wirecard-Skandal scheint endlich Bewegung in die deutsche Indexlandschaft zu bringen, schreibt Marc Decker, Head of Asset Management bei der Privatbank Merck Finck, im aktuellen Marktkommentar „Blitzlicht“. Jenseits der nun anstehenden vierteljährlichen Überprüfung der DAX Zusammensetzung am 21. September 2020 denkt die Börse jetzt über eine grundsätzliche Überarbeitung des renommierten deutschen Börsenbarometers nach. Das ist gut so, meint Decker. Denn in den über 30 Jahren seines Bestehens habe sich zwar der Indexstand zum Positiven entwickelt – von damals 1.000 Punkten auf heute über 13.000 Punkte. Strukturell sei aber wenig passiert.
Aus Sicht von Decker ist der DAX kein repräsentatives Abbild der Leistungsstärke der deutschen Wirtschaft. Die alleinige Ausrichtung an Marktkapitalisierung und Börsenumsatz ist ein zentraler Kritikpunkt, so Decker. Auch die Begrenzung auf 30 Unternehmen werde zu Recht hinterfragt.
Decker: „Die Abbildung der Leistungsträger der deutschen Wirtschaft in einem Leitindex ist allerdings keine triviale Angelegenheit. Gerade Deutschland mit seiner starken Mittelstandsorientierung steht vor der Herausforderung, dass viele innovative Firmen und Hidden Champions gar nicht börsennotiert sind. Tatsächlich ist die Zahl der börsennotierten Unternehmen hierzulande überschaubar.“ Nach den Regeln des Prime Standard der Deutschen Börse kommen gerade einmal 310 Notierungen infrage; manche Unternehmen sind mit zwei Gattungen vertreten, führt Decker aus. Hinzu komme, dass immer weniger Unternehmen den Gang an die Börse wagen. Andere treten sogar den Rückzug an, weil sie zum Beispiel den mit der Börsennotierung verbundenen Aufwand loswerden wollen. Die Scheu vor dem Kapitalmarkt sei in Deutschland zudem ein grundlegendes kulturelles Thema, das sich nicht nur über Indexreformen lösen lasse. Und wo nicht mehr Unternehmen zur Auswahl stehen, könne auch nicht über Druck eine Veränderung stattfinden.
Und doch gebe es zumindest Ansatzpunkte, die laut Decker verfolgt werden sollten: Ein erster Schritt zur Auffrischung des DAX wäre dessen zahlenmäßige Erweiterung. „Beim DAX 50 ESG ist die Deutsche Börse diesen Weg bereits gegangen. Eine entsprechende Ausweitung könnte beim traditionellen DAX dazu führen, dass dort nicht mehr nur die Tanker der Old Economy zu finden sind. Aus Anlegersicht wäre ein solcher Schritt zu begrüßen. Eine weitere Möglichkeit wäre, den DAX stärker über die Qualität der Governance zu positionieren und strengere sowie genauere Anforderungen an die Governance der enthaltenen Unternehmen zu formulieren. Wenig halten wir von pauschalen Aussagen wie zum Beispiel, der DAX müsse stärker auf Wachstumsaktien getrimmt werden. Ein weltweit relevanter Börsenindex sollte nicht den schwankenden Präferenzen von Investoren hinterherlaufen“, so Decker abschließend. (DFPA/JF1)
Quelle: Merck Finck „Blitzlicht“
Die 1870 gegründete Merck Finck Privatbankiers AG hat ihren Sitz in München. Mit Mitarbeitern an 16 Standorten in ganz Deutschland verwaltet sie rund zehn Milliarden Euro an Kundengeldern. Merck Finck ist Teil des Privatbankverbunds Quintet Private Bank (Europe) S.A. (vormals KBL European Private Bankers) in Luxemburg.