Geschlechter Gleichheit – SDG 5 Wir fliegen zum Mond und erschießen unsere Nachbarn. Wir heilen unheilbare Krankheiten und verdienen Millionen mit Alkohol und Tabak. Wir fliegen mit Privatjets zu ökologischen Foren und beschließen, dass sich jetzt aber wirklich was ändern muss. Wir kleben uns auf die Stra- ße, doch das Einzige, was wirklich haften bleibt, sind die Deckel an den Plastikflaschen. Ist das das Maximum unsere kollektive Intelligenz? HABEN STATT GEBEN IST TIEF IN DER MENSCHLICHEN DNA INTEGRIERT Sie merken es: Was mich bewegt ist der Kon- flikt zwischen dem, was wir sein könnten und dem, was wir sind. Es ist die Diskrepanz der Ziele, die wir haben und den Umwegen, die wir gehen, um dorthin zu gelangen. Diesem Konflikt zugrunde liegt der Mensch. Wir haben die Fä- higkeit über uns selbst nachzudenken, uns die Zukunft dieses Planeten zu abstrahieren und sind gleichzeitig Instinkt-getriebene Wesen, die über Generationen hinweg um ihr Leben kämp- fen mussten. Haben statt Geben ist tief in der menschlichen DNA integriert. Die Memo, dass wir in großen Teilen der Welt schon längst im Überfluss leben, ist noch nicht bei unserem in- neren Höhlenmenschen angekommen. Daher faszinieren mich Menschen, die mit scheinbar endloser Energie an innovativen Lö- sungen arbeiten, die diese Welt besser, statt schlechter machen. Ein Interesse an Menschen ist wohl die Grund- voraussetzung, wenn man in Venture Capital ar- beitet. Denn man lernt die Vielfalt der Menschen kennen. Vielfalt der Charaktere, eher als Vielfalt der Herkünfte und Geschlechter, denn da fehlt es unsere Industrie massiv an Diversität. Menschen haben verschiedene Beweggründe ein Unternehmen zu gründen und letztendlich ist es eine der wichtigsten Frage, die wir der Person stellen müssen, in die wir investieren. Was bewegt dich? DER GRUND DES KONFLIKTES IST IMMER TEIL DER LÖSUNG Was bewegt dich dazu, dich aus dem sicheren Hafen deines Jobs in das ungewisse Meer der Selbstständigkeit zu bewegen, nicht wissend, ob dich deine halb-aufgepusteten Schwimmflü- gel an der Oberfläche halten. Nicht wissend, ob dass, was du aufbaust, gegen die Naturgewal- ten standhält. Was bewegt dich dazu, deinen Schweiß, Blut und Tränen in etwas zu investie- ren, dessen höchstwahrscheinliches Ergeb- nis die Insolvenz ist? Was bewegt dich dazu Geburtstage abzusagen, Urlaube, oder gar die Familienplanung zu verschieben für eine Even- tualität? Was bewegt dich zu glauben, dass du es schaffst? Ich habe diese Fragen hundertfach gestellt. Das interessante ist, dass die meisten sie mit einem Problem beantworten. „Wir werden Markt X re- volutionieren, weil der Status-Quo inakzeptabel ist.“ Der Grund des Konfliktes ist immer Teil der Lösung. Eine der wichtigsten Lektionen, die ich eindring- lich gelernt habe, lautet: „Verliebe dich in das Problem, nicht die Lösung.“ Um in unserer schnelllebigen Welt relevant zu bleiben, müssen wir Lösungen für Probleme finden, nicht Lösun- gen, um Lösungen zu verkaufen. Sonst enden wir wie die Pharma-Industrie, die irgendwann gemerkt hat, dass sie mehr Geld damit verdient, Symptome zu behandeln als Krankheiten. Ein System, welches das System als solches krank macht. „DEATH OF THE SMARTEST“ STATT „SURVIVAL OF THE FITTEST“ Ich habe mich auf ungewöhnliche Art und Wei- se in zwei Probleme verliebt, die zur Investitions- these meines Funds „Leanox“ wurden. Impact und Geschlechterparität. Vielfach wurde ich von Menschen der Impact-Szene gefragt, was mein entscheidender „Nachhaltigkeitsmoment“ war. Der Moment, wo mir die Schuppen von den Au- gen gefallen sind und ich realisiert habe, dass wir eher auf „Death of the Smartest“ zu steuern als auf „Survival of the fittest“. Diesen Moment gab es nicht. Die Frage ist bei mir nicht wann hast du realisiert, dass sich et- was ändern muss, sondern wann hast du reali- siert, dass du etwas ändern kannst. Diese Ant- wort liegt viele Jahre zurück. Ich war 15 und zum Austauschsemester in Amerika auf der High-School. Ich habe bei meiner Großtante ge- wohnt, eine wunderbare, gut gelaunte Frau mit dem Herz am rechten Fleck, die für die christ- liche Kirche sozial Projekte leitete. Wir gingen mittwochs nach Downtown San Diego, wo sie die Tafel für Obdachlose organisierte. Wir halfen bei der Ausgabe und unterhielten uns mit den Obdachlosen. Es war ein Ort des Austauschs, an dem wir zuhörten. Die Geschichten der Ob- dachlosen Menschen haben mich tief bewegt. Es waren die Lebensgeschichten, von erfolg- reichen Managern, die alles was sie hatten an Crystal Meth verloren, von Frauen mit kleinen 26 Impact Investing Jahrbuch 2024