Bundestagswahl: Was bedeutet sie für die Kapitalmärkte?

Marktkommentar von Michael Weidner (Lazard Asset Management) zur kommenden Bundestagswahl, die das Ende der 16-jährigen Amtszeit von Bundeskanzlerin Angela Merkel einläutet. Er betrachtet verschiedene Wahlausgangs-Szenarien und wie sich diese auf die Kapitalmärkte auswirken könnten:

Michael Weidner
Michael Weidner

Aus Kapitalmarktsicht sind mit Blick auf die anstehende Bundestagswahl zwei Fragen von herausragender Bedeutung:

1. Besteht ein signifikantes Risiko für eine extremistische Regierung, einen harten Strukturbruch?

2. Wie wahrscheinlich ist ein Regierungsvakuum, dass also keine Koalition eine Mehrheit erringen kann?

Für die anstehende Bundestagswahl sind diese beiden Risiken (tail risks) auf Basis der aktuellen Umfragen sehr gering. Links- und rechtsextreme Parteien (insbesondere Die Linke und AfD) haben in allen aktuellen Umfragen einen aggregierten Stimmenanteil von stabil unter 20 Prozent, so dass ein politischer Richtungswechsel hin zu einer links- oder rechtsextremen Regierungspolitik faktisch ausgeschlossen erscheint.

Dagegen vereinen die vier Parteien der politischen Mitte im weiteren Sinne (CDU/CSU, SPD, Grüne, FDP) gegenwärtig einen prognostizierten Stimmenanteil von 70 bis 80 Prozent auf sich. Es ist realistisch anzunehmen, dass sich, unabhängig vom konkreten Wahlausgang und den relativen Mehrheitsverhältnissen innerhalb dieser Gruppe moderater politischer Kräfte, schließlich eine Koalition bilden wird. Damit ist das Risiko unmittelbarer Neuwahlen hinreichend gering.

Mit Blick auf die EU und Eurozone ist festzuhalten, dass alle moderaten Parteien nahezu deckungsgleich pro-EU (Eurozone) sind und lediglich die extremen Parteien eine explizit ablehnende Haltung vertreten und den Ausstieg fordern.

Implikationen für die deutsche und europäische Wirtschaft

Auch wenn extreme Kursreaktionen an den Kapitalmärkten angesichts dieser Konstellationen unwahrscheinlich sind, so dürfte der Wahlausgang dennoch weitreichende Implikationen für die deutsche Wirtschaft und die grundsätzliche politische Stoßrichtung haben. Dies wird zu kurz- und mittelfristigen Reaktionen an den Kapitalmärkten führen.

Von den denkbaren Koalitionen würde eine Jamaica-Koalition (CDU/CSU, Grüne, FDP) wohl an den Kapitalmärkten insgesamt am positivsten aufgenommen werden. Politische Kontinuität, verstärkte Fokussierung auf Nachhaltigkeit und eine relativ marktliberale Wirtschaftspolitik sind aus Investorensicht in Summe das positivste Gesamtpaket. Als einzig vehementer Fürsprecher der bestehenden verfassungsrechtlichen Schuldenbremse wird die FDP an den Kapitalmärkten nicht gänzlich positiv eingeschätzt, da eine offensivere Fiskalpolitik dem gesamten europäischen Binnenmarkt zugutekommen würde.

Marktreaktionen auf eine mögliche Ampel-Koalition (SPD, Grüne, FDP) sind schwerer zu antizipieren. Ein Linksschwenk der deutschen Regierungspolitik und die damit verbundenen negativen Implikationen aus Kapitalmarktsicht dürften durch eine Regierungsbeteiligung der FDP abgemildert werden.

Eine Fortsetzung der Großen Koalition (CDU, SPD) – gegebenenfalls unter Beteiligung einer weiteren moderaten Partei (Grüne, FDP) – sollte, unabhängig davon, welche Partei den Kanzler/die Kanzlerin stellt, keine nennenswerten Reaktionen an den Kapitalmärkten nach sich ziehen.

Als realistisches Risikoszenario steht eine Koalition aus SPD, Grüne und Die Linke im Raum. Die Marktreaktionen auf eine solche Konstellation sind schwer vorherzusagen, jedoch dürften die marktbelastenden Erwartungen (deutliche Steuerhöhungen und mehr Regulierung) mögliche positive Implikationen (stärkere fiskalpolitische Impulse und höhere Defizite) deutlich überlagern. Insbesondere der Markt für Bundesanleihen sollte negativ reagieren, da angesichts höherer Defizite und eines veränderten Risikoprofils von Investorenseite höhere Zinsen verlangt werden würden. Die übrigen Euro-Länder könnten indes durchaus profitieren, wenn höhere fiskalische Transferleistungen (Haftungsunion) eingepreist würden.

Was bedeutet das für Anleger?

Für Anleger scheint besonders das Risikoszenario einer Koalition aus SPD, Grüne und Die Linke eindeutigen Anpassungsbedarf mit sich zu bringen. In diesem Fall erscheint sowohl für Aktien- als auch für Rentenanlagen mit deutschem Risiko eine Reallokation zugunsten anderer EU-Länder sinnvoll.

Auf der anderen Seite scheinen die Hoffnungen einiger internationaler Investoren auf einen nachhaltigen Strukturwandel und eine dynamische deutsche Innovationspolitik insbesondere auf eine Jamaica-Koalition gerichtet. Sollten sich diese Hoffnungen bewahrheiten, dürfte der erhoffte positive Impuls für die deutsche Volkswirtschaft insbesondere am Aktienmarkt eingepreist werden und steigende Kurse nach sich ziehen.

Aus unserer Sicht wird der Strukturwandel hin zu einer nachhaltigeren Ökonomie und Gesellschaft durch keine der denkbaren Regierungskonstellationen deutlich beeinflusst. Aus Kapitalmarktsicht lassen sich indes im Falle einer Jamaica-Koalition die klarsten nachhaltigen Innovationspotenziale ableiten.

Michael Weidner ist Leiter des europäischen Rentenmanagements bei der Lazard Asset Management (Deutschland) GmbH. Lazard Asset Management (LAM) ist eine indirekte Tochtergesellschaft der börsennotierten US-Investmentbank Lazard Ltd. und bietet weltweit eine breite Palette von Aktien-, Anleihen- und alternativen Investmentprodukten. LAM und verbundene Vermögensverwaltungsgesellschaften der Lazard-Gruppe verwalten ein Kundenvermögen in der Höhe von 233,9 Milliarden Euro (Stand: 30. Juni 2021).

www.lazardassetmanagement.com

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