Bundesverfassungsgericht beanstandet EZB-Anleihekäufe

Michael Neumann
Michael Neumann

Das Bundesverfassungsgericht hat die Anleihekäufe der Europäischen Zentralbank (EZB) für teilweise verfassungswidrig erklärt – und widerspricht damit direkt einem vorangegangenen Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Michael Neumann, Vorstandsvorsitzender der Dr. Klein Privatkunden AG, ordnet diese aktuelle Entwicklung ein und erläutert die möglichen Folgen für den Euroraum, für das Corona-Hilfspaket und für die Bauzinsen.

Der Hintergrund: Bundesverfassungsgericht erklärt PSPP für verfassungswidrig

Das Urteil betrifft das 2015 gestartete PSPP (Public Sector Purchase Programme): Die EZB investierte von 2015 bis 2018 über dieses Programm mehr als zwei Billionen Euro in Staatsanleihen und andere Wertpapiere der Euroländer. Im November 2019 wurde es in etwas geringerem Umfang wieder aufgenommen. Gegen das Programm klagten unter anderem der frühere CSU-Politiker Peter Gauweiler und der AfD-Gründer Bernd Lucke, die im PSPP eine verbotene Staatsfinanzierung verschuldeter Euroländer sehen. Die Klage beschäftigt das höchste deutsche Gericht seit mehreren Jahren und die Verfassungsrichter äußerten schon mehrfach Bedenken über das Anleihekaufprogramm der EZB. Der Europäische Gerichtshof entschied jedoch Ende 2018, dass die Anleihekäufe rechtmäßig seien. Mit dem Urteil widerspricht das deutsche Verfassungsgericht der EuGH-Einschätzung. Der Aufkauf von Staatsanleihen durch die Europäische Zentralbank (EZB) verstoße teilweise gegen das Grundgesetz, da Bundesregierung und Bundestag die EZB-Beschlüsse nicht geprüft hätten. Die Bundesbank darf nun nach einer Übergangsfrist von höchstens drei Monaten nicht mehr an der Umsetzung des PSPP mitwirken, sofern der EZB-Rat in einem neuen Beschluss nicht nachvollziehbar darlegt, dass das Programm verhältnismäßig ist.

Die Folgen: Das bedeutet die Entscheidung für den Euroraum, das Corona-Hilfspaket und die Bauzinsen

Theoretisch könnte die Entscheidung enorme Auswirkungen für den Euroraum haben. Das Kapital der EZB stammt von den nationalen Zentralbanken aller EU-Mitgliedstaaten und die Bundesbank ist der mit Abstand größte Anteilseigner. Auf sie entfällt daher ein großer Anteil der Anleihekäufe. Ich gehe aber davon aus, dass der EZB-Rat innerhalb der nächsten drei Monate zeigen wird, dass das Programm verhältnismäßig ist. Und in der Folge wird die Bundesbank weiter an den Käufen teilnehmen. Insgesamt ist das Urteil daher auch als Niederlage für die Kläger zu werten, vor allem weil das Bundesverfassungsgericht den Vorwurf unerlaubter Staatsfinanzierung durch die EZB zurückgewiesen hat.

In meinen Augen handelt es sich beim PSPP um eine Staatsfinanzierung, wenn auch eine indirekte. Letztlich können sich die Staaten darauf verlassen, dass die EZB weiterhin als Käuferin von Anleihen am Kapitalmarkt auftritt. Durch diesen Markteingriff sinken die Renditen und die Mehrzahl der Staaten können sich günstiger refinanzieren, als es die jeweilige Bonität zulassen würde. Das hat den Staaten in den Krisen der letzten Jahre zwar Zeit verschafft und die Märkte beruhigt, aber es führt auf der anderen Seite zu Reformunwilligkeit der Politik. Indirekt bezahlen die Sparer die Politik der EZB über die schleichende Enteignung ihrer Sparvermögen. Das war einer der Gründe für die Klage und das wird das Urteil nicht verhindern.

Dennoch könnte das Urteil mittelfristig einen Einfluss auf die Handlungsfähigkeit der EZB und sogar auf das aktuell laufende Krisenprogramm PEPP (Pandemic Emergency Purchase Programme) haben, das eigentlich nicht Teil der Entscheidung war. In der Begründung des Gerichtes, warum eine unerlaubte Staatsfinanzierung durch das PSPP nicht feststellbar sei, wurden unter anderem zwei wichtige Punkte genannt: Das Volumen der Ankäufe ist im Voraus begrenzt. Und die Ankäufe erfolgen nach dem Kapitalschlüssel der nationalen Zentralbanken. Im Corona-Krisenprogramm PEPP sind Käufe von 750 Milliarden Euro bis Jahresende vorgesehen. Bei Bedarf kann es bisher aber ohne Einschränkung ausgeweitet werden. Ob sich die Bundesbank an der Überschreitung dieser Obergrenze beteiligen darf, ist nun fragwürdig. Außerdem müssen sich die Anleihekäufe über das PEPP nicht mehr wie zuvor beim PSPP nach dem Kapitalschlüssel der Mitgliedstaaten richten. Die EZB könnte jetzt also überproportional viele Staatsanleihen eines einzelnen Landes kaufen. Das Bundesverfassungsgericht hat den Länderschlüssel über ihr Urteil allerdings gestärkt. Das Urteil ist aber nicht bindend für das PEPP und eventuell kommt es auch gar nicht erst zu einer Klage dagegen: Bis es zum PEPP eine neue höchstrichterliche Entscheidung gibt, ist der Rahmen des Programms unter Umständen bereits ausgeschöpft.

Sollte die EZB das Urteil zum Anlass nehmen, auch die neu beschlossenen PEPP-Anleihekäufe über den Länderschlüssel zu tätigen, dann würden weiterhin deutsche Anleihen im selben Verhältnis aufgekauft werden wie zuvor. Damit werden deren Zinsen weiter künstlich niedrig gehalten und die ohnehin negative Rendite der zehnjährigen Bundesanleihe wird weiterhin tief bleiben. Da sich die Bauzinsen auch an der Rendite der Bundesanleihen orientieren, könnte das Urteil daher über ein paar Umwege auch einen Einfluss auf die Konditionen der Bauzinsen haben und sie weiter günstig halten.

Michael Neumann ist Vorstandsvorsitzender der Dr. Klein Privatkunden AG, einer einhundertprozentigen Tochtergesellschaft des börsennotierten Finanzdienstleisters Hypoport AG. Mit rund 600 Beratern an über 200 Standorten berät Dr. Klein deutschlandweit in den Bereichen Baufinanzierung, Versicherung, Ratenkredit und Geldanlage.

www.drklein.de

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