China schwächelt, bleibt aber Wachstumsmotor der Weltwirtschaft

Kommentar von Dieter Wermuth (Wermuth Asset Management) zur globalen Wirtschaftslage. Seiner Einschätzung nach bleibt China der Wachstumsmotor der Welt:

Dieter Wermuth
Dieter Wermuth

Früher einmal galt, wenn die USA husten, bekommt der Rest der Welt eine Grippe. Inzwischen trifft das eher auf China zu, den mit Abstand größten Akteur im internationalen Handel und bald auch die größte Volkswirtschaft. Bewertet mit sogenannten Kaufkraftparitäten, also einem künstlichen Wechselkurs, der zurzeit stark von dem Wert abweicht, der täglich an den Devisenmärkten ermittelt wird, ist China bereits die Nummer eins.

Noch bewegen sich die Prognosen von EU-Kommission und Internationalem Währungsfonds für die Zuwachsraten des realen BIP Chinas in diesem und im nächsten Jahr zwischen soliden 4,5 Prozent und fünf Prozent, aber die jüngsten Statistiken lassen befürchten, dass wir es hier mit Wunschdenken zu tun haben könnten: Die Industrieproduktion lag im April um 2,9 Prozent unter ihrem Vorjahresstand, die Einzelhandelsumsätze sogar um elf Prozent.

Wegen der strikt durchgesetzten Null-Corona-Politik befinden sich weite Teile des Landes im Lockdown, was zu Angebotsengpässen führt und die Inflation weltweit in die Höhe treibt. Da es bislang praktisch keine Herdenimmunität gibt, die chinesischen Impfstoffe nicht sehr wirksam sind und die Einfuhr westlicher Alternativprodukte untersagt ist, dürfte die Coronakrise so schnell nicht vorüber sein.

Zudem hat sich die Regierung in Peking, beeindruckt durch die westlichen Wirtschaftssanktionen gegen Russland, die De-Globalisierung auf die Fahnen geschrieben und versucht vor allem im Tech-Bereich Autonomie zu erreichen. Dieser Strukturwandel vermindert schon jetzt den Produktivitätsfortschritt und damit das Wachstum des Produktionspotenzials.

Trotzdem bleibt China der Wachstumsmotor der Welt, jedenfalls solange es keine neuen militärische oder pandemische Schocks gibt, die alle Prognosen über den Haufen werfen. Für mich ist die Widerstandskraft des Landes in erster Linie das Resultat seiner nach wie vor extrem hohen Investitionsquoten – sie liegen immer noch bei 42 Prozent des Bruttoinlandsprodukts und sind damit etwa doppelt so hoch wie in den USA oder in der EU.

Selbst wenn es immer wieder zu gigantischen Fehlinvestitionen kommt, etwa bei der Infrastruktur oder im Immobilienbereich, ist der verbleibende Rest an Ersparnissen so groß, dass der Modernisierungsprozess auf äußerst dynamische Weise weitergehen kann. In immer mehr Sektoren übernimmt China global die Führungsrolle. Dazu zählen nicht nur Konsumgüter, sondern auch die umweltrelevanten Wind-, Solar- und Batterieindustrien sowie die Militär- und Raumfahrttechnik. Wer oder was kann China stoppen? Wollen wir das überhaupt?

Wie gesagt, kurzfristig sieht es in China allerdings nicht so gut aus. Das gilt übrigens auch für die USA, so dass insgesamt das Risiko einer globalen Rezession zuzunehmen scheint. Wenn, wie zuletzt, die Renditen der amerikanischen Bonds sinken, die Aktienindices aber nicht steigen, sondern ebenfalls zurückgehen, sieht das beunruhigenderweise nach einer Spätphase des Konjunkturzyklus aus.

Kommt hinzu, dass die Fed nach Meinung der Marktteilnehmer die Leitzinsen noch um weitere 300 Basispunkte anheben dürfte, dass die US-Fiskalpolitik dabei ist, von sehr expansiv auf weniger expansiv umzuschalten und dass die hohen Preise für Energie und Nahrungsmittel die Realeinkommen der amerikanischen Haushalte vermindern.

Deutschland und Westeuropa werden sich diesen Entwicklungen nicht entziehen können, dafür sind die Volkswirtschaften zu eng miteinander verflochten. Das Wachstum wird leiden – aber die Inflation dürfte ihren Höhepunkt überschritten haben.

Dieter Wermuth ist Gründer, Partner und Economist beim Family Office Wermuth Asset Management (WAM). Das 1999 gegründete Unternehmen hat sich auf klimawirksame Investitionen über alle Anlageklassen hinweg spezialisiert und investiert über eigene und fremde Fonds in Private Equity, börsennotierte Anlagen, Infrastruktur und Sachwerte. WAM hält sich an die UN Principles of Responsible Investing (UNPRI) und den UN Compact und ist Mitglied der Institutional Investor Group on Climate Change (IIGCC), des Global Impact Investing Network (GIIN) und der Divest-Invest-Bewegung.

Dieter Wermuth ist seit Juni 2017 auch Mitglied des Anlageausschusses für den 24 Milliarden Euro schweren kerntechnischen Entsorgungsfonds (KENFO).

https://wermutham.com

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