Corona-Krise: Nicht jedes Betongold glänzt

Hagen Ernst
Hagen Ernst

Marktkommentar von Hagen Ernst, stellvertretender Leiter des Bereichs Research & Portfoliomanagement bei DJE Kapital. Er wirft einen Rundumblick auf die Immobilienmärkte weltweit – wer schwächelt, und wo bestehen Potenziale trotz der Krise?

Die Corona-Krise hat deutliche Bremsspuren hinterlassen - auch bei Immobilienwerten. Weltweit. Vor allem in Europa weisen Immobilienaktien zum Teil Abschläge zu ihrem Nettovermögenswert (NAV) von über 40 Prozent auf, im Schnitt sind es 21 Prozent. Historisch gesehen haben sich Immobilienwerte jedoch bei derartig hohen Abschlägen, laut einer Studie von Morgan Stanley, danach besonders gut entwickelt: auf Ein-Jahres-Sicht mit plus 14 Prozent, auf Zwei-Jahres-Sicht mit plus 31 Prozent und über fünf Jahre mit plus 99 Prozent. Derartige Studien weisen zwar oftmals eine gewisse Tendenz auf, mehr die Standhaltenden der Krise in den Fokus zu rücken (Survivorship Bias) und verfälschen die Ergebnisse damit leicht. Bedeutet: Die reale Rendite dürfte etwas niedriger sein. Dennoch sind die Ergebnisse plausibel. Warum?

Zum einen werden angesichts hoher NAV-Abschläge vom Markt bereits deutlich fallende Immobilienpreise vorweggenommen. Zum anderen bietet das dann reduzierte Preisniveau wieder mehr Potenzial für anschließende Preisanstiege. Stark fallende Immobilienpreise hat man bislang nur bei einem hohem Immobilienüberangebot gesehen, etwa während der Finanzkrise 2008 – hier vor allem in Spanien und den USA. Vor Covid-19 waren hingegen die Leerstandsquoten in allen Immobilienklassen weltweit auf niedrigem Niveau. Dennoch darf man das Risiko nicht unterschätzen. Fallende Mieten, steigende Finanzierungskosten durch höhere Kreditausfallrisiken sowie historisch niedrige Immobilienrenditen könnten zu einer Abwärtsspirale führen. Daher sollte man sich auf Immobilienwerte mit qualitativ guten Portfolios sowie möglichst niedriger Verschuldung gemessen an der Beleihung des Portfolios (LTV) fokussieren.

Krise als Beschleuniger für weltweit sinkendes Mietniveau

Chancen und Risiken sind stark abhängig von der jeweiligen Immobilienklasse. Besonders schwierig ist die Situation bei Einzelhandelsimmobilien. Der zunehmende Online-Handel setzt klassische Einzelhändler unter Druck, es kam hier bereits in den vergangenen Jahren zu Schließungen von Einzelhandelsflächen. In den USA, wo Amazon mit einem Marktanteil von fast 40 Prozent den Online-Einzelhandel mit Prime dominiert, schlossen 2019 knapp 10.000 Einkaufszentren ihre Tore – ein Anstieg von 58 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die Mieten fielen im vierten Quartal 2019 laut CBRE in den USA um 7,2 Prozent beziehungsweise weltweit um knapp 3,4 Prozent. Nur Europa verzeichnete noch ein Plus von 1,1 Prozent. Es bleibt unklar, wie viele Geschäfte die aktuelle Krise überleben werden. Zudem sollten Vermieter, Immobiliengesellschaften und -investoren im Zuge der Corona-Krise mit einem erheblich niedrigeren Mietniveau rechnen. In Hongkong sieht man zum Beispiel schon Mietrabatte von bis zu 50 Prozent bei Neuvermietungen. In Großbritannien sind die Bewertungen von Einkaufszentren binnen drei Jahren um 30 bis 35 Prozent gefallen. Ein Szenario, das nun weltweit drohen könnte.

Onlineshopping setzt stationärem Handel weiter zu

Der ohnehin vorhandene Trend hin zum Onlineshopping dürfte jetzt noch stärker werden: Covid-19 wirkt für den klassischen Einzelhandel quasi wie ein Brandbeschleuniger. Somit ist in dieser Immobilienklasse mit deutlich steigenden Leerstandsquoten zu rechnen. Viele ohnehin schon schwächelnde Geschäfte sowie Einkaufszentren werden sehr wahrscheinlich nicht überlebensfähig sein und dauerhaft schließen müssen. Allerdings sind die Abschläge für Immobilienwerte des Einzelhandels mit in der Regel 50 Prozent und mehr besonders hoch. So könnten sich trotz allem sogar in dieser Assetklasse Einstiegschancen ergeben – vorausgesetzt, es handelt sich um ein qualitativ hochwertiges Portfolio und die Verschuldung ist nicht zu hoch. Beispielsweise besitzt Unibail Einkaufszentren in guten Lagen, vor allem in Frankreich und Spanien. Diese waren vor der Corona-Krise gut besucht, und die Ladenumsätze stiegen sogar um ein bis zwei Prozent, und das trotz des zunehmenden Internethandels. Die Verschuldung ist zwar aktuell mit einer Beleihung (LTV) von 39 Prozent solide. Im Falle eines Extremszenarios mit einer negativen Neubewertung von minus 35 Prozent würde die LTV-Ratio aber auf knapp 60 Prozent steigen – und der Nettovermögenswert von knapp 200 Euro auf 83 Euro fallen. Dieses Beispiel verdeutlicht, wie sensibel NAV und LTV auf niedrige Immobilienbewertungen reagieren.

Büroimmobilien: weltweit mehr Flexibilität gefragt

Auch Büroimmobilien werden weltweit mit fallenden Immobilienpreisen und rückläufigen Mieten zu kämpfen haben. Die Assetklasse ist besonders zyklisch, und einige Büroflächen werden infolge der zunehmenden Insolvenzen nicht mehr gebraucht werden. So dürften die Leerstandsquoten weltweit ansteigen. Immerhin gab es vor Covid-19 eine gewisse Angebotsknappheit, was nun in der Abschwungphase helfen sollte. Laut CBRE stiegen die Büromieten im vierten Quartal 2019 weltweit noch um 2,8 Prozent. In den USA waren es sogar 5,8 Prozent und in Europa waren es 2,2 Prozent – nur in Asien stagnierten die Zahlen mit lediglich plus 0,6 Prozent. In Singapur sind jedoch die Mieten im ersten Quartal 2020 bereits um 0,8 Prozent gefallen, die Immobilienpreise für Büros um 2,3 Prozent.

In Europa sind London und Madrid besonders zyklisch. Im Zuge der Finanzkrise 2008 sind die Mieten in Toplagen in London von 80 Pfund Sterling auf 50 Pfund Sterling und in Madrid von 40 Euro auf 28 Euro pro Quadratmeter im Monat gefallen. Um wieder das Niveau vor der Finanzkrise zu erreichen, hat London bis 2015 gebraucht, während Madrid dies erst jetzt erreicht hat. Die Büromieten in London sind bereits infolge des bevorstehenden Brexits um gut zehn Prozent unter Druck geraten. Es ist gut möglich, dass sowohl London als auch Madrid die Tiefpunkte nach der Finanzkrise testen werden, zumal auch beide Länder wirtschaftlich besonders stark von Covid-19 getroffen sind.

Die Mieten in Frankfurt und Amsterdam haben sich relativ stabil gehalten, während sich die Mieten in Mailand und Stockholm in den vergangenen 30 Jahren besonders gut entwickelt haben. Umso größer könnte hier das Rückschlagpotenzial ausfallen, da Covid-19 in Norditalien besonders stark gewütet hat, Stockholm mit einem Mietanstieg von über 50 Prozent binnen drei Jahren stark überhitzt war. Aktuell werden aber auch nicht alle Mieten gezahlt. Mit am schlimmsten betroffen ist Großbritannien, wo bei gelisteten Immobilienwerten wie British Land, Derwent oder Great Portland zwischen 20 und 30 Prozent der Büromieten gestundet werden müssen. Bei Aroundtown, dem größten gelisteten Vermieter von Büroimmobilien (primär in Deutschland), wurden rund vier Prozent der Märzmieten sowie zehn Prozent der Aprilmieten nicht bezahlt. Vor dem Hintergrund einer möglichen Insolvenzwelle ist daher eine flexible Nutzung von Büroflächen wichtig. Bei Aroundtown beispielsweise werden 90 Prozent der Büroimmobilien nicht von einem, sondern mehreren Mietern genutzt. Eine Aufteilung in mehrere kleinere Büroflächen verbessert die Vermietbarkeit deutlich. Größere Flächen sind besonders in Krisenzeiten nur schwer vermietbar.

Wohnimmobilienmarkt in Deutschland weiter stabil

Als besonders krisenresistent gelten Wohnimmobilien. Angesichts aktueller Maßnahmen wie dem Kurzarbeitergeld und einer hohen sozialen Absicherung dürfte vor allem in Deutschland ein Großteil der Mieter in der Lage sein, ihre Miete weiter zu zahlen. Vonovia, der größte Bestandshalter von Wohnimmobilen in Deutschland, rechnet zum Beispiel nur mit einem Mietausfall von maximal zwei Prozent. Bislang hat nur ein Prozent der Mieter finanzielle Unterstützung beantragt. Das Mietwachstum verharrte in den vergangenen 20 Jahren zwischen einem und zwei Prozent p.a., unabhängig von der wirtschaftlichen Lage. Lediglich in einigen sehr gefragten Ballungsräumen wie Berlin, Frankfurt oder München kam es infolge zunehmender Wohnungsknappheit auch zu Mietsteigerungen von fünf Prozent und mehr. Angesichts der bevorstehenden tiefen Rezession werden Mietsteigerungen aber auch dort eher der Vergangenheit angehören.

Mietendeckel nötig?

Vor dem Hintergrund könnte der Berliner Mietendeckel gar nicht mehr erforderlich sein, um das Mietwachstum zu stoppen. Die Immobiliengesellschaft Deutsche Wohnen hält 76 Prozent ihres Portfolios in Berlin. Mit der Einführung des Mietendeckels im vergangenen Jahr ist die Aktie dementsprechend stark unter Druck geraten. Sie notiert deutlich unter NAV, da der Markt mit fallenden Mieten rechnet. Die Portfolioqualität hingegen ist gut und die Verschuldung niedrig. Die Kurse deutscher Bestandhalter notieren meist unter ihrem fairen Wert (NAV). Das heißt: Der Markt geht von fallenden Immobilienpreisen aus. Ob es wirklich zu einer Korrektur kommt, bleibt ungewiss. Wohnungen sind weiterhin knapp, die Zinsen dürften für längere Zeit niedrig bleiben. Zwar sind die Preise vor allem in den begehrten Ballungszentren teils drastisch gestiegen, in den Jahrzenten davor jedoch gar nicht.

Per saldo sind die Preise in Deutschland auf Sicht von 50 Jahren deutlich weniger gestiegen als in den europäischen Nachbarländern. Im internationalen Vergleich sind Immobilien hierzulande daher relativ erschwinglich. Laut einer Studie von Deloitte kostet eine 70-Quadratmeter-Wohnung in Deutschland „nur“ das Fünffache eines durchschnittlichen Jahresgehalts. Einzig in Dänemark und Belgien sind Immobilien erschwinglicher.

Hotelgewerbe mit mittelfristigen Umsatzverlusten

Die Anti-Corona-Maßnahmen haben die Reisebranche auf null zurückgefahren. Infolgedessen bangen viele Hotels weltweit um ihre Existenz. Hotelimmobilien dürften daher stärker unter Druck geraten, wenngleich die Leasingverträge in der Regel eine langfristige Laufzeit von 15 Jahren haben. Von daher wird es wichtig sein, dass der Tourismus möglichst bald wieder starten kann. Die hohen Auslastungsraten aus der Zeit vor der Corona-Krise sind aber bis auf weiteres nicht wahrscheinlich. Zudem dürften viele lukrative Geschäftskunden ausbleiben, die ihre Geschäftsbeziehungen weltweit mittlerweile virtuell pflegen. Das führt dauerhaft zu einer geringeren Nachfrage. Insgesamt dürfte es mindestens zwei Jahre dauern, bis Hotels wieder ihr altes Umsatzniveau erreichen können.

Lager- und Rechenzentren als besonders lohnende Immobilien

Strukturell interessant sind vor allem zwei Arten von Industrieimmobilien. Zum einen kommt aus dem Onlinehandel eine zunehmende Nachfrage nach Lagerzentren. Große Player wie Prologis oder Segro notieren daher sogar über ihrem NAV. Zum anderen steigt die bereits vor Corona starke Nachfrage nach Rechen- und Datenzentren. Diese benötigen beispielsweise spezielle Kühlung, und der Betrieb ist für ihre Vermieter daher nicht trivial. Anbieter wie Digital Reality Trust und Equinix aus den USA weisen die höchste Marktkapitalisierung auf und notieren ebenfalls über NAV.

Fazit: Differenziertes Bild erfordert qualitative Analyse und Auswahl

Immobilienwerte notieren aktuell teilweise mit einem deutlichen Abschlag zum NAV, was in der Vergangenheit zu überdurchschnittlich hohen Kursgewinnen in der Folgezeit geführt hat. Einzelhandelsimmobilien und Hotels sind zurzeit besonders gefährdet, aber Chancen bieten sich unter anderem bei Lager- und Rechenzentren. Als besonders krisenresistent dürften sich deutsche Wohnimmobilien erweisen. Aufgrund der guten sozialen Absicherung in Deutschland sollten nur wenige Mieter in eine derartige finanzielle Schieflage geraten, dass sie ihre Miete dauerhaft nicht mehr zahlen können.

Anleger sollten sich auf Werte mit guten Immobilienportfolios und niedriger Verschuldung fokussieren. Eine genaue Analyse und Auswahl – vor allem bei besonders schwierigen Anlageklassen wie Hotels und Einzelhandelsimmobilien – ist wichtig. Denn: Nicht jedes Immobilienunternehmen wird überleben.

Hagen Ernst ist stellvertretender Leiter des Bereichs Research & Portfoliomanagement bei der DJE Kapital AG, einer unabhängigen Vermögensverwaltung mit Sitz in München. Das Unternehmen ist seit 45 Jahren am Kapitalmarkt aktiv und verwaltet mit rund 145 Mitarbeitern über 11,7 Milliarden Euro (Stand: 31. März 2020) in den Bereichen individuelle Vermögensverwaltung, institutionelles Asset Management und Publikumsfonds.

www.dje.de

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