Crash, Verwerfung, gesunde Korrektur oder nur das Ende einer volatilitätsarmen Phase?

Carsten Vennemann
Carsten Vennemann

Marktkommentar von Carsten Vennemann, Geschäftsführer beim Frankfurter Asset Manager alpha beta asset management GmbH

Um es direkt vorwegzunehmen, an den großen Crash, wie zum Beispiel 1987, glauben wir nicht. Die Begründung ist einfach: Die Notenbanken haben in den Jahren seit der 2008er-Krise bewiesen, über ein Instrumentarium zu verfügen, das kurzfristige Marktabstürze stoppen kann und – was noch wesentlicher ist – auch quasi über Nacht einsetzbar ist. Damit kann eine Spekulation für Baisse-Befürworter schnell teuer werden.

Die Erfahrung der letzten Jahrzehnte hat gezeigt, dass Bärenmärkte regelmäßig durch dysfunktionale Märkte ausgelöst werden oder auf Grundlage einer Neueinschätzung der Geldpolitik nach Änderungen im makroökonomischen Bild erfolgen. Nachfolgend analysieren wir dazu einige Thesen beziehungsweise Eckpfeiler unserer aktuellen Markteinschätzung.

Pro Aktienmarkt:

  • Die Welt ist multipolarer geworden. Konjunkturelle Probleme in einer Region werden künftig weniger globalen Einfluss ausüben. Dies gilt sogar für den US-Markt!
  • Zinserhöhungen durch die Notenbanken sind weder in der Eurozone noch in Japan für die nächsten zwölf Monate zu erwarten
  • Fed-Chef Jerome Powell ist als Verfechter einer eher akkommodierenden Geldpolitik bekannt
  • Die Eurozone wird 2019 stabiler: Extreme Parteien in Italien werden bei den Parlamentswahlen im März nicht (alleine) zum Zuge kommen; das Tandem Merkel/Macron wird in 2018 eine EU-Reform initiieren müssen
  • Der Rentenmarkt der Eurozone befindet sich nicht in einem Bärenmarkt; der Renditeanstieg bleibt moderat
  • Eine US-Rezession ist nicht absehbar, im Gegenteil: Die USA betreiben ein „Deficit-spending“ stärkster Ausprägung, gepaart mit einer Deregulierung des Finanzsektors
  • Ein US-Inflationsproblem ist denkbar, aber nicht zwingend: Die Reallohnentwicklung in den USA bleibt moderat
  • Durch das aktuelle Weltwirtschaftswachstum bedingt, wird auch das Gewinnwachstum der Unternehmen das Bewertungsbild stützen können
  • Volatilitätsprodukte haben die aktuelle Korrektur (mit) ausgelöst, sind aber im Umfang nicht mit den strukturellen Marktrisiken der „Subprime-Krise“ von 2008 vergleichbar

Kontra Aktienmarkt:

  • Die US-Federal Reserve wird ab 2019 ihre Bilanzsumme verringern, das heißt wir bekommen ein „quantitative tightening“ während gleichzeitig die kurzfristigen Zinsen weiter erhöht werden (sollen)
  • Das Angebot an US-Staatsanleihen wird durch die Finanz- und Steuerpolitik Trumps deutlich steigen, bei potenziell sinkender Nachfrage der klassischen Überschussländer Asiens; dies wirkt tendenziell renditetreibend
  • Kurze US-Treasury-Renditen bleiben dauerhaft oberhalb der S&P-500-Dividendenrenditen
  • Ein Zinsanstieg über die Markterwartungen hinaus würde die USA (sowohl den verschuldeten Konsumenten als auch den verschuldeten Staat) schwer treffen
  • Die US-Sparquote ist ein Problem! Sie liegt mit aktuell 2,4 Prozent des verfügbaren Einkommens auf einem 13-Jahres-Tief
  • Trotz Brexit-Sorgen wird das Vereinigte Königreich in 2018 möglicherweise zweimal die Zinsen anheben
  • Der hohe Aktienmarkt-Optimismus von Privatanlegern in den USA wird sich korrigieren (aktuell höchster Stand seit 2000)
  • Früheren Aktienmarktkrisen (zum Beispiel 1987) gingen Rentenmarkt- und Dollarschwäche voraus – wie aktuell

Was war nun der Grund dieser Abwärtsbewegung, die in vielen entwickelten Aktienmärkte die Definition einer Korrektur (mehr als zehn Prozent Verlust vom letzten Hoch) erreicht hat?

An erster Stelle ist hier der Optimismus der ersten Wochen im Januar zu nennen. Rein technisch betrachtet hatten einige Märkte ein „Überkauft“-Niveau erreicht. Interessant ist dabei, dass sich die Rentenmärkte in diesen schwachen Aktienmarkttagen relativ wenig bewegt haben. So ist der zu erwartende Renditerückgang von Bundesanleihen als „sicherem Hafen“ überschaubar ausgefallen. Auch andere „Krisengewinnler“ wie Gold oder der Yen scheinen sich nicht im Krisenmodus zu befinden. Also eine gesunde Aktienmarktkorrektur ohne längeren Einfluss? Dafür spricht auch die Tatsache, dass südeuropäische Staatsanleihen unter der höheren Risikoaversion kaum gelitten haben. Lediglich der US-amerikanische High-Yield-Markt lief parallel zu den Aktien schwächer. Da der Rentenmarkt dem Aktienmarkt oft hinsichtlich der Verarbeitung neuer Informationen vorausläuft, könnte die Aktienmarktkorrektur lediglich ein verspätetes Nachvollziehen des erfolgten US-Zinsanstiegs darstellen.

Bei näherer Analyse des Aktienmarktes beunruhigt allerdings die Entwicklung der Aktienmarktvolatilitäten.

Nach Monaten extrem niedriger Volatilität hat der VIX-Index wieder Niveaus erreicht, die zuletzt 2008 zu beobachten waren. Tatsache ist, dass aufgrund der niedrigen Volatilität viele Produkte am Markt existieren, die auf sinkende oder dauerhaft niedrige Volatilitäten setzen oder setzten. Wie wir wissen, befinden sich solche Positionen sowohl bei institutionellen wie bei privaten Anlegern in den Depots. Durch die Marktverwerfungen der letzten Woche zeigen diese Produkte nun entsprechende Verluste, zum Beispiel als sogenannte „Short-vola“-Strategien oder Geldmarktfonds mit entsprechendem Overlay. In der Vergangenheit gingen größeren Marktverwerfungen aber durchaus auch Warnsignale anhand von Einzelereignissen voraus: So geschah die Bear Stearns-Pleite ca. ein halbes Jahr vor der Lehman-Pleite und dem nachfolgenden Aktiencrash, ähnlich war es auch beim LTCM-Zusammenbruch in der EM-Krise von 1998. Derartige Ereignisse sind uns bisher glücklicherweise erspart geblieben, sodass das Ausmaß dieser Volatilitätspositionen – wenn auch nur schwer abschätzbar – im Vergleich zur Subprime-Krise eher als geringer zu vermuten ist.

Unser Fazit:

Die Ungleichgewichte in der Welt sowie der Hang großer Länder zur kreditfinanzierter Ausgabenpolitik machen die Risiken nicht geringer, im Gegenteil! Eine Abkehr von dieser Politik ist nicht absehbar und wird im steigenden Zinsumfeld als Risikofaktor natürlich gewichtiger. Insbesondere für die USA, wo nach dem Deal der letzten Woche zur Steigerung der staatlichen Ausgaben von 300 Milliarden US-Dollar über die nächsten zwei Jahre der „staatliche Leverage“ die Probleme weiter in die Zukunft verlagert, wäre ein deutlicher Zinsanstieg fatal. Voraussichtlich werden die Käufer US-amerikanischer Staatsanleihen künftig höhere Zinsen für das „Kreditrisiko USA“ verlangen.

Aber: Es ist völlig offen, ob ein solcher Zinsanstieg tatsächlich eine fundamentale Rechtfertigung erfährt.

In den letzten Monaten überwog bei der US-Kerninflation ein Unterschießen der Erwartungen. Sollten sich die Inflationsbefürchtungen dort doch nicht bewahrheiten und der Markt seine Erwartungen von circa drei Zinserhöhungen in 2018 für die USA korrigieren müssen, entsteht sowohl für die Aktien- als auch für die Rentenmärkte durchaus Performance-Potenzial. Zugegeben, möglicherweise auf niedrigerem Niveau. 2018 wird ein Jahr höherer Marktvolatilität, inklusive aller damit verbundenen Chancen und Risiken. Wichtig wird dabei das Management der Risikobudgets sein, wie es in den regelgebundenen Strategien von alpha beta asset management eingebunden ist.

Genauso wichtig wird es in den nächsten Wochen sein, die Fristigkeit der Auswirkungen neuer Informationen hinsichtlich ihres Markteinflusses zu berücksichtigen.

Ein dauerhaftes Überschießen der Erwartungen bei der US-Inflation könnte fatale Folgen für die US-Geldpolitik und damit auch für risikobehaftete Anlagen haben. Marktkorrekturen aufgrund von kurzfristiger Angst oder einem Abbau von Risikopositionen im Markt für Volatilität stellen hingegen mögliche Einstiegschancen dar. Auch die Charttechnik kann einem in diesen volatilen Tagen bei der Einschätzung wieder einen wertvollen Dienst erweisen: So lässt einen ein Renditeniveau von circa 2,85 Prozent für zehnjährige US-Zinsen im historischen Kontext eher entspannen als nervös werden. Ein Bruch der 200-Tage-Linie im S&P-500 Index wäre jedoch ein weiteres Warnsignal. Eine ausschließliche Fokussierung auf die Frage nach dem Zeitpunkt einer US-Rezession oder dem Ausmaß einer weiteren Euro-Stärke sind hingegen für das tägliche Portfoliomanagement wenig hilfreich.

Ist der Traum von einem DAX von 14.000 ausgeträumt?

Auch wenn die meisten Börsen zehn Prozent korrigiert haben, ist ein neuer Anlauf nicht auszuschließen. Wir sehen hierbei aber zwei Hauptrisiken: Schwierig wird es zum einen dann, wenn die US-Inflation dem Markt den Eindruck vermittelt, die Federal Reserve sei „hinter der Zinskurve“, hätte also die Entwicklung verschlafen und müsste entsprechend nachkorrigieren. Ab 2019 steht nämlich die Rückführung der Fed-Bilanz an, circa 150 Milliarden US-Dollar pro Quartal. Wenn „quantitative easing“ für positive Effekte gesorgt hat, warum soll dann die Rückführung nicht gegenteilig wirken?

Das zweite Risiko stellt die US-Konjunktur dar und hier insbesondere der US-Konsument. Gleichzeitig erreichen 30-jährige Mortgage-Raten mit 4,4 Prozent das höchste Niveau seit Frühjahr 2017. Beide Ampeln stehen zwar aktuell noch auf grün, bleiben aber wesentliche Risikofaktoren. Mit Blick auf die „Behavioral Finance“ bleibt es hingegen opportun, auf ein möglichst negatives Sentiment zu warten, dass dann eine Chance auf eine starke Anstiegsbewegung am Markt eröffnen würde. Noch ist dies nicht zu beobachten, sodass das Risiko neuer Tiefstände weiter vorhanden ist. Die Zeit einfacher Kursgewinne am Aktienmarkt ist jedenfalls vorbei.

Für die Portfoliostrategie empfiehlt sich ein risikobewusstes Haushalten, das heißt eine vorsichtigere Steuerung der Risikoanlagen, aber auch eine Wiederentdeckung von (Krisen-)Anlageklassen, wie zum Beispiel inflationsgeschützten Staatsanleihen. Höhere Kassenhaltung kostet zwar etwas Negativzins, erhält aber die Flexibilität in diesen volatilen Tagen. Der kommende Mittwoch mit den nächsten US-Inflationsdaten wird den nächsten Anhaltspunkt liefern. Wie hat ein US-Analyst in der letzten Woche getitelt: „2018 wird ein Jahr des Übergangs zwischen guten Zeiten und nicht so guten Zeiten.“

www.abam-gmbh.com

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