Der Backstop: Ein 500 Kilometer langer Disput

Aneeka Gupta
Aneeka Gupta

Kommentar von Aneeka Gupta, Wisdom Tree, zum Stand der Brexit-Verhandlungen. Sie geht davon aus, dass die Brexit-Unsicherheit ihren Höhepunkt erreicht hat:

Die Abstimmung des britischen Parlaments am 29. Januar 2019 lieferte eine klare Botschaft: Das Parlament lehnt den „No deal“-Brexit ab, war aber nicht bereit, den Brexit zu verzögern. Dies unterstreicht den gemeinsamen Erfolg des Brady- und Spelman-Antrags unter den sieben anderen, die den Parlamentariern vom Sprecher des Houses of Common John Bercow zur Abstimmung unterbreitet wurden. Der Änderungsantrag von Brady sieht vor, den umstrittensten Teil des Brexit-Deals mit der Europäischen Union (EU) - den Irish Backstop - zu streichen. Die 500 Kilometer lange Grenze zwischen der Republik Irland und Nordirland war einer der größten Knackpunkte während der Brexit-Verhandlungen. Der Änderungsantrag von Spelman hingegen stellt klar, dass eine Mehrheit des Unterhauses einen ungeordneten Brexit vermeiden möchte. Zwei weitere wichtige Änderungsanträge wurden abgelehnt: Der Antrag von Cooper, der die Verlängerung der Übergangsphase von Artikel 50 vorsah und der Antrag von Grieve, der mehr Zeit für alternative Brexit-Optionen gewinnen wollte.

Der irische Backstop

Die neuen Verhandlungsziele im Rahmen der Brady-Novelle stehen im Widerspruch zu den von Theresa May festgelegten drei roten Linien, die derzeit erstens das Verlassen der Zollunion der EU und zweitens die Aufrechterhaltung einer offenen Grenze zwischen Irland und Nordirland vorsehen. Drittens soll der reibungslose Handel mit den kontinentalen Partnern des Vereinigten Königreichs weiterhin Bestand haben. Eine Einigung über den Backstop ist von entscheidender Bedeutung, denn es handelt sich dabei um ein Sicherheitsnetz, das für die irische Grenze gelten wird, nachdem Großbritannien die EU verlassen hat. Dieser Backstop orientiert sich an den britischen roten Linien, er gewährleistet die Aufrechterhaltung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, unterstützt die gesamte Inselwirtschaft und schützt das irische Friedensabkommen. May´s aktuellem Vorschlag nach bliebe Nordirland an einige Regeln des EU-Binnenmarktes gebunden, wenn bis zum Ende der Übergangszeit im Dezember 2020 keine andere Lösung gefunden wird. Demzufolge würden nach Nordirland importierte Waren zusätzlichen Kontrollen unterliegen, um die Einhaltung der EU-Standards zu gewährleisten. Dies ist nach wie vor die Hauptstreitfrage der Abgeordneten, die befürchten, dass für das Vereinigte Königreich die EU-Vorschriften auf unbestimmte Zeit gelten könnten, ohne über einen Mechanismus zu verfügen, um sich einseitig von ihnen zu lösen. Der Backstop wurde auch von der DUP, der unionistischen Partei Nordirlands, abgelehnt. Sie akzeptiert zusätzliche nordirische Kontrollen nicht, da diese die Integrität der irischen Union gefährden könnten. Solange sich die britischen roten Linien in Bezug auf Zollunion und Binnenmarkt nicht ändern, ist es unwahrscheinlich, dass die EU ihr Konzept für den Backstop ändert.

Was kommt als nächstes?

Theresa May steht nun vor der schwierigen Aufgabe, innerhalb einer Frist von zwei Wochen auf die EU zuzukommen und ein überarbeitetes Angebot vorzulegen, das den Backstop schmackhafter macht. Es ist unwahrscheinlich, dass die EU den Ball spielen wird, und die Aussicht auf weiteres Festfahren der Situation ist groß. Es sieht so aus, als wären wir wieder da, wo wir angefangen haben. Alle, sowohl der Präsident der Europäischen Kommission Jean-Claude Juncker als auch die stellvertretende Verhandlungsführerin Sabine Weyand und der französische Präsident Emmanuel Macron, haben gesagt, dass der so genannte Backstop nicht neu verhandelt werden kann. In einer Erklärung, die nach der Abstimmung abgegeben wurde, sagte die irische Regierung, dass sich ihre Position zum Brexit-Deal nicht geändert habe und sie ihre Vorbereitungen für ein No-Deal-Szenario fortsetzen werde. Zwischenzeitlich betreibt die Regierung auch eine Arbeitsgruppe namens „The Alternative Arrangements Working Group“ (AAWG), die dem doppelten Zweck dient, sich auf den Backstop zu konzentrieren und gleichzeitig die Labour-Parlamentarier durch Zugeständnisse im Sozial- und Arbeitnehmerrecht einzubeziehen. Die AAWG beinhaltet sowohl „Leaver“ als auch „Remainer“, um eine Alternative zum Backstop an der irischen Grenze zu suchen. Die nächste sinnvolle Abstimmung sollte am 13. Februar nach dem überarbeiteten May-Abkommen mit der EU erfolgen, dann wird die parlamentarische Mehrheit gegen die „No Deal“-Fraktion Druck ausüben. Bislang kann kein wesentliches Brexit-Ergebnis vollständig ausgeschlossen werden. Während es Theresa May in der Zwischenzeit gelungen ist, die Kontrolle über die Agenda zu behalten, indem sie die harten Brexiters auf ihre Seite brachte, ist am 13. Februar die Verlängerung der Übergangsphase nach Artikel 50 denkbar, wenn die EU sich nicht bewegt.

Chancen nutzen, da die Unsicherheit beim Brexit ihren Höhepunkt erreicht hat

Die anhaltende Brexit-Saga hat in den letzten zwei Jahren sowohl die britische als auch die europäische Wirtschaft beeinflusst. Die Wirtschaft des Vereinigten Königreichs hat spürbare Verluste erlitten, so beispielsweise eine Abschwächung des BIP-Wachstums und einen Rückgang der Immobilienpreise. Die meisten Messgrößen für das Vertrauen von Unternehmen und Verbrauchern im Vereinigten Königreich sind unter ihre langfristigen Durchschnittswerte gefallen. Dennoch sind die britischen Vertrauensdaten zwar schwach, aber nicht schlechter als die der Eurozone. Auch das Wachstum im Euroraum ist auf das niedrigste Tempo seit vier Jahren zurückgegangen. Dies ist vor allem auf externe Gegenwinde wie die globalen Handelsspannungen und eine Wachstumsverlangsamung in den Schwellenländern (EM) zurückzuführen, die bekanntlich eine wichtige Nachfragequelle europäischer Exporte sind. Seit Anfang 2019 erleben wir eine Trendwende in den Schwellenländern und die Handelskonflikte beginnen nachzulassen, so dass die Aktien der Eurozone eine leichte Erholung verzeichnen können.

Das schleppende Wachstum wird die Bemühungen um eine weitere Normalisierung der Geldpolitik wahrscheinlich behindern. Die politische Landschaft in Europa wird sich 2019 deutlich verändern - mit dem Rücktritt von Bundeskanzlerin Angela Merkel nach 20 Jahren an der Spitze, den europäischen Parlamentswahlen im Mai, dem Ende der achtjährigen Amtszeit des EZB-Präsidenten Mario Draghi und dem Rückzug Großbritanniens aus Europa. Wir glauben, dass Europa stark unterbesetzt ist, die Risiken weitgehend eingepreist sind, die Bewertungen zudem überzeugend sind und Raum für weitere Aufwärtsbewegungen bieten. Für Anleger, die ein taktisches Engagement in Europa anstreben, könnte sich die Strategie in renditestärkeren Marktsegmenten wie Finanzen, Energie, Kommunikation und Versorgung ausrichten. Bei britischen Aktien kam es im Laufe des letzten Jahres zu starken Korrekturen. Sie werden inzwischen zu Bewertungen gehandelt, die zuletzt während der großen Finanzkrise 2007 bis 2008 beobachtet wurden. Angesichts der Tatsache, dass die Brexit-Unsicherheit ihren Höhepunkt erreicht hat und die Stimmung bezüglich europäischer Aktien nach wie vor schwach ist, könnte ein High-Yield-Income-Ansatz für den Aufbau eines Engagements in europäischen Aktien eine vernünftige Option sein. Obwohl es in der Politik schwierig ist, exakte Ergebnisse vorherzusagen: Wir erwarten, dass sich der gesunde Menschenverstand in letzter Minute durchsetzen wird und beide Volkswirtschaften alles daransetzen, ein ungeordnetes Brexit-Szenario zu vermeiden.

Aneeka Gupta ist Associate Director of Research beim ETF-Anbieter WisdomTree, London.

www.wisdomtree.com

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