„Die Politik muss den freien und fairen Wettbewerb im Versicherungsmarkt sicher stellen“

Die neue Bundesregierung steht vor großen Herausforderungen. Als Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute (BVK) vertreten wir die Interessen von rund 40.000 Versicherungs- und Bausparkaufleuten in Deutschland und fordern eine klare Weichenstellung in der Versicherungs- und Finanzpolitik. Gerade in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheiten des demografischen Wandels muss die Politik tragfähige Rahmenbedingungen schaffen, um die Altersvorsorge, den Verbraucherschutz und die Wettbewerbsfähigkeit der Branche nachhaltig zu sichern.
Reform der privaten Altersvorsorge
Ein zentrales Anliegen ist die dringend notwendige Reform der privaten Altersvorsorge. Die Riester-Rente muss endlich aus ihrem Reformstau befreit werden. Wir fordern eine Vereinfachung der Fördermechanismen, den Abbau bürokratischer Hürden und eine Ausweitung der Zulagen, damit mehr Menschen in Deutschland von dieser Vorsorgeform profitieren können. Zudem sollte die private Altersvorsorge für Selbstständige verpflichtend, aber mit einem Opt-out-Modell flexibel gestaltet werden.
Die Stärkung der kapitalgedeckten Altersvorsorge ist essenziell, um drohender Altersarmut entgegenzuwirken. Dabei sollten weiterhin wettbewerbsfähige Lösungen durch den privaten Markt ermöglicht werden. Wir brauchen eine verlässliche und transparente Vorsorgelösung, die langfristig das Vertrauen der Bürger in die private Altersvorsorge stärkt. Auch betriebliche Vorsorgemodelle sollten weiter gefördert werden, um eine breitere Absicherung der Bevölkerung zu gewährleisten.
Honorarberatung ist keine Alternative
Ein weiteres wichtiges Thema ist die Vergütung von Versicherungsvermittlern. Eine gut funktionierende Versicherungswirtschaft braucht qualifizierte Beratung, die angemessen entlohnt werden muss. Deshalb treten wir entschieden gegen jegliche Provisionsverbote ein, die derzeit auf europäischer Ebene diskutiert werden. Sie würden nicht nur unser bewährtes System infrage stellen, sondern auch dazu führen, dass insbesondere einkommensschwächere Menschen sich keine individuelle Beratung mehr leisten könnten.
Die Honorarberatung ist keine Alternative für breite Bevölkerungsschichten. Ein fairer Wettbewerb zwischen verschiedenen Vergütungsmodellen muss erhalten bleiben, um Verbrauchern die beste Wahl zu lassen. Ein Provisionsverbot würde zudem die Existenz vieler Vermittlerbetriebe gefährden und zu einer Marktverzerrung führen, die letztlich den Verbrauchern schadet.
Überregulierung hat geschadet
Die Vermittlerzahlen sind seit Jahren rückläufig und aufgrund des demographischen Wandels wird dieser Trend anhalten. Auch die Überregulierung der letzten Jahre hat der Attraktivität des Berufsstands geschadet. Es wäre daher kontraproduktiv, den Vermittlern die Existenzgrundlage zu entziehen, zumal sie einen wichtigen sozialpolitischen Auftrag erfüllen. Der BVK und andere Verbände setzen sich intensiv für Nachwuchsgewinnung und eine stärkere Anerkennung der Versicherungsvermittler als wichtigen Teil der sozialen Sicherung ein.
Unsere Branche sorgt dafür, dass Menschen und Unternehmen gegen existenzielle Risiken abgesichert sind. Diese Leistung muss politisch und gesellschaftlich gewürdigt werden, indem bürokratische Belastungen reduziert und unnötige Regulierungen verhindert werden. Statt immer neuer Bürokratie aus Berlin und Brüssel sollten Maßnahmen zur Förderung der Finanzbildung in der Bevölkerung ergriffen werden, um die Bedeutung privater Absicherung noch stärker in den Fokus zu rücken. Die Vermittlerbranche leistet einen entscheidenden Beitrag zur wirtschaftlichen Stabilität und muss als solche anerkannt und unterstützt werden.
Freier und fairer Wettbewerb
Besonders wichtig ist uns der Erhalt des freien und fairen Wettbewerbs im Versicherungsmarkt. Die Digitalisierung bietet große Chancen, darf aber nicht dazu führen, dass ausschließlich online vertriebene Standardprodukte den Markt dominieren. Versicherungen sind oft komplexe Produkte, die eine fundierte Beratung erfordern. Verbraucher müssen die Wahlfreiheit haben, zwischen persönlicher Beratung und digitalen Angeboten zu entscheiden. Die Politik muss sicherstellen, dass digitale Lösungen Ergänzung zur klassischen Beratung sind und nicht deren Ersatz werden. Nur so kann sichergestellt werden, dass alle Kunden – unabhängig von ihrem digitalen Know-how – die bestmögliche Absicherung erhalten.
Mehr Aufsicht über Finfluencer
Diese Absicherung finden sie in der Regel nicht über Finfluencer in sozialen Medien, für die wir gleiche Wettbewerbsbedingungen fordern. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hat in ihrem jüngsten Merkblatt erläutert, dass sogenannte Finfluencer nicht als Anlageberater einzustufen sind. Diese Einschätzung sieht der BVK kritisch. Sie basiert laut BaFin darauf, dass Finfluencer keine individuellen Empfehlungen aussprechen und keinen direkten Kontakt zu ihren Followern pflegen. Demnach unterliegen sie nicht den strengen Regularien, die für Anlageberater gelten. Diese Interpretation der BaFin greift jedoch zu kurz und verkennt die tatsächliche Einflussnahme von Finfluencern auf die Anlageentscheidungen insbesondere junger Anleger. Indem die BaFin Finfluencer von der Anlageberatung ausnimmt, entsteht eine regulatorische Lücke, die potenziell gefährliche Folgen für unerfahrene Anleger haben kann. Ohne angemessene Aufsicht besteht das Risiko, dass Finfluencer unqualifizierte oder gar irreführende Ratschläge erteilen, die zu erheblichen finanziellen Verlusten führen können.
Auch das EU-Parlament plant im Rahmen der Retail Investment Strategy (RIS) eine Definition und stärkere Regulierung von Finfluencern. Sie sollten im Sinne des Verbraucherschutzes einer angemessenen Aufsicht unterliegen. Das Ergebnis der derzeit laufenden Trilogverhandlungen zwischen Rat, Parlament und Kommission bleibt hierzu abzuwarten. Positiv sehen wir, dass Provisionsverbote auf europäischer Ebene offenbar im Rahmen der RIS vom Tisch sind. Wir werden auch über unser Büro in Brüssel das Verfahren weiter eng begleiten.
Unsere Interessenvertretung in Berlin haben wir nun mit der Verpflichtung des ehemaligen CDU-Bundestagsabgeordneten Michael Grosse-Brömer als politischen Berater des BVK verstärkt, um unsere Forderungen gegenüber der neuen Bundesregierung noch effektiver einbringen zu können. Die neue Bundesregierung muss nun die Herausforderungen annehmen und die Weichen für eine zukunftsfähige Versicherungswirtschaft stellen.
Als BVK stehen wir bereit, konstruktiv an Lösungen mitzuarbeiten, die sowohl die Interessen der Verbraucher als auch der Vermittler berücksichtigen. Denn nur mit einer starken, unabhängigen Versicherungsvermittlung bleibt eine qualitativ hochwertige Absicherung der Bevölkerung gewährleistet. Die Sicherung eines stabilen, verlässlichen und fairen Versicherungsmarktes sollte im Interesse der gesamten Gesellschaft liegen. Deshalb appellieren wir an die künftige Regierung, den Dialog mit der Branche zu suchen und die Rahmenbedingungen für eine zukunftsfähige Versicherungswirtschaft aktiv mitzugestalten.
Michael H. Heinz ist Präsident des Bundesverbands Deutscher Versicherungskaufleute (BVK). Der BVK ist die Berufsvertretung und der Unternehmerverband der selbstständigen Versicherungs- und Bausparkaufleute in Deutschland.
Der Beitrag ist zuerst im EXXECNEWS Schwerpunkt zu EXXECNEWS Ausgabe 09 erschienen.
