Unabhängige Vermögensverwalter verzeichnen Rückgang der Provisionsüberschüsse
Unsere aktuell im sechsten Jahr durchgeführte Studie analysiert Ertrags-, Vergütungs- und Kostenstrukturen unabhängiger Vermögensverwalter. In die Studie wurden mehr als 200 Unternehmen einbezogen. Zusätzlich wurden die Ergebnisse in einen Mehrjahreskontext gestellt, der auch eine Analyse längerfristiger Trends ermöglicht. Hierbei wurde ein Datenbestand verwendet, der Jahresabschlussinformationen für teilweise mehr als zehn Jahre enthält.
Zum zweiten Mal untersucht die Studie auch, wie eine erneute Krise der Märkte sich auf die Finanzdienstleister auswirken könnte. Um diese näher zu ergründen, wurden im Rahmen der Studie verschiedene Stresstests simuliert. In deren Rahmen werden die Auswirkungen verschiedener Stressszenarien auf diverse Unternehmenskennzahlen analysiert.
Im Ergebnis mussten die Vermögensverwalter im Betrachtungszeitraum der zuletzt veröffentlichten Jahresabschlüsse für 2018 insgesamt einen Rückgang ihrer Provisionsüberschüsse hinnehmen. Dies war vor allem auf die negative Entwicklung der Aktienmärkte weltweit in dem betrachteten Jahr zurückzuführen. Hiervon waren die kleineren Vermögensverwaltungen gegenüber den größeren tendenziell weniger stark betroffen. Vergleicht man die Entwicklung zum Vorjahr, so ist ersichtlich, dass die zehn größten Unternehmen bezüglich des relativen Gesamtanteils leicht zu Gunsten der Gruppe der mittelgroßen Institute eingebüßt haben.
Provisionserträge
Die zehn führenden Vermögensverwalter erwirtschaften den überwiegenden Anteil der Provisionserträge. Zieht man für die Analyse den Markttrend der unabhängigen Vermögensverwalter auf Basis der Jahre 2007 bis 2018 und anhand der erzielten Provisionsüberschüsse heran, so zeigt sich, dass im Betrachtungsjahr der stärkste Einbruch seit Jahren zu verzeichnen war.
Mitarbeiterproduktivität
Die Studienergebnisse deuten darauf hin, dass im Wesentlichen die Verwaltung großer und/oder institutioneller Vermögen die Ertragskraft je Mitarbeiter signifikant positiv beeinflusst. So erzielen die Top Ten der Vermögensverwalter teilweise ein Mehrfaches an Provisionserträgen je Mitarbeiter als die der kleinsten Gruppe von Unternehmen.
Cost-Income-Ratio
Eine Analyse im Mehrjahresvergleich lässt folgende Tendenz der durchschnittlichen Cost-Income-Ratio (CIR) über alle betrachteten Unternehmen hinweg erkennen: Die CIR hat sich sowohl im Durchschnitt aller Unternehmen als auch bei den Top Ten in den vergangenen Jahren, mit Ausnahme der Jahre 2016 und 2018, stetig verbessert und erreichte in 2017 mit rund 34 Prozent (Top Ten) beziehungsweise 50 Prozent (Grundgesamtheit) den bislang besten Wert, hat sich allerdings in 2018 wieder auf rund 47 Prozent (Top Ten) beziehungsweise 66 Prozent (Grundgesamtheit) deutlich verschlechtert.
Krisenszenarien
Im Rahmen der Studie wurde analysiert, wie sich verschiedene Kennzahlen entwickeln könnten, sollten die Provisionserträge nachhaltig um 20 Prozent zurückgehen. Ergebnis eines solchen Ertragsschocks kann im Extremfall sein, dass die regulatorisch erforderliche Eigenkapitalquote unterschritten wird. Gemäß Capital Requirement Regulation der Europäischen Union sind Finanzdienstleistungsinstitute generell dazu verpflichtet, Eigenmittel vorzuhalten, die mindestens 25 Prozent der Gemeinkosten decken (Eigenmittel-Kosten-Relation).
Zu beachten ist dabei, dass auf Grund von Restriktionen bei den verfügbaren öffentlichen Daten im Rahmen des nachfolgend dargestellten Szenarien verschiedene kompensatorische Effekte und Maßnahmen wie zum Beispiel der Wegfall variabler Vergütungen und sonstige gegenläufige Maßnahmen nicht berücksichtigt werden konnten. Daher dürften die Ergebnisse die negativen Folgen der Szenarien teilweise überzeichnen. Insgesamt müssten im Einzelnen eine Mehrheit der betrachteten Unternehmen, nämlich 154 Anbieter oder 70 Prozent der betrachteten Unternehmen im Rahmen des Stressszenarios mit einem Jahresverlust rechnen, wobei der Anteil der „Verlust-Unternehmen“ mit sinkender Unternehmensgröße jeweils steigt.
Gerade in Krisenzeiten ist es durchaus relevant, bis zu welchem Level von Stressbelastung es den Unternehmen möglich ist, weiterhin profitabel zu wirtschaften. Daher wurde zusätzlich das Ausmaß des Stresses variiert, um aufzuzeigen, inwieweit das Ausmaß des Stresslevel die Anzahl profitabler Unternehmen verringert. Es zeigt sich, dass die Mehrheit der Unternehmen gerade solide genug aufgestellt ist, um ein wirtschaftlich weniger lukratives Jahr von knapp 10 Prozent weniger Provisionserträgen dennoch mit einem Gewinn abzuschließen. Die Daten zeigen jedoch auch, dass eine Überschreitung dieser kritischen Hürde schnell zu einem signifikanten Anstieg der Anzahl von Unternehmen mit negativen Geschäftsergebnissen führt.
Folgt man diesem Gedanken weiter, stellt sich die Frage, welches Stresslevel dazu führt, dass das Eigenkapital eines Unternehmens komplett aufgebraucht wird, um die Verluste zu decken. Unsere Daten zeigen einen signifikanten Anstieg des Anteils an Unternehmen mit (ceteris paribus) vollständig aufgebrauchtem Eigenkapital („bilanzielle Überschuldung“) ab einem kritischen Wert von 33 Prozent Stresslevel.
Informationen zur kompletten Studie sind über folgenden Link erhältlich:
EXXECNEWS-Autor Jürgen App ist Wirtschaftsprüfer und Geschäftsführer der App Audit GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft mit Sitz in Gensingen. bietet Prüfungs- und Beratungsleistungen für regulierte Institute an. In diesem Bereich werden bundesweit mit einem spezialisierten Team schwerpunktmäßig Kreditinstitute, Kapitalverwaltungsgesellschaften, Vermögensverwalter sowie Unternehmen in den Branchen Leasing und Factoring betreut.
Dieser Gastbeitrag ist zuerst erschienen in EXXECNEWS Ausgabe 19/2020.