Weitreichende Folgen für Vermittler aus der neuen EU-Nachhaltigkeitsverordnung

EXXECNEWS-Autor Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski über das neue DIN-Projekt zur Abfrage von Nachhaltigkeitsfaktoren in der Finanzberatung:

Hans-Peter Schwintowski
Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski

Was kommt durch die neue EU-Nachhaltigkeitsverordnung VO (EU) 2019/2088 auf Finanzberater zu? Um für eine praxisorientierte Umsetzung zu sorgen, wird sich die Finanzbranche mit eigenen Standards selbst einbringen.

Wenn Politiker neue Regulierungen beschließen, dann rollen Vermittler und Beraterinnen, Vertriebsvorstände und Führungskräfte schnell mit den Augen. Was nichts nützt. Die Gesetze und Verordnungen sind umzusetzen, auch wenn diese viel Zeit und Geld kosten. Dazu zählt: Vermittler von Finanzprodukten haben in die Beratung die Anlageziele einzubeziehen. Sie dürfen nur Produkte empfehlen, die für den Kunden angemessen und geeignet sind. Dabei ist dessen Risikotragfähigkeit zu berücksichtigen.

Zu diesem Prüfungsrahmen gesellt sich nun noch ein weiterer Prüfungsbereich hinzu: Bei den Anlagezielen sind die Berater verpflichtet herauszufinden, welche Nachhaltigkeitspräferenzen der Verbraucher hat. Welche Nachhaltigkeitsfaktoren in der Befragung eine Rolle spielen, ist in besagter VO (EU) 2019/2088 beschrieben. Danach sind Nachhaltigkeitsfaktoren: „Umwelt-, Sozial- und Arbeitnehmer-Themen, die Achtung der Menschenrechte und die Bekämpfung von Korruption und Bestechung (Artikel 2 Nr. 24).“ Korrespondierend dazu sind Nachhaltigkeitsrisiken in Artikel 2 Nr. 22 definiert. Es geht um Ereignisse in den Bereichen Umwelt, Soziales oder Unternehmensführung, kurz ESG, deren Eintreten wesentliche negative Auswirkungen auf den Wert der Investition haben könnten.

Führt ein Verstoß gegen die ESG-Richtlinie in die Haftung?

Das bedeutet: Ein Vermittler ist in Zukunft verpflichtet, herauszufiltern, ob der Kunde besonderen Wert auf Umwelt-, Sozial- oder Arbeitnehmerbelange legt. Dann ist zu erfragen, welche ESG-Standards er genau erfüllt haben möchte: Nur einige wenige oder ganz viele aus einer schier unendlichen Liste? Sie reicht von der Einhaltung der Menschenrechte über Sozialstandards in Arbeitnehmerverträgen bis hin zum Schutz des Klimas, des Grundwassers oder auch den von Insekten – um nur ein paar zu nennen. Und wo will der Kunde dabei seine Prioritäten setzen?

Zudem ist umfänglich über nachteilige Auswirkungen bei der Auswahl von Nachhaltigkeitsfaktoren zu informieren und klipp und klar zu begründen, warum bestimmte Nachhaltigkeitsrisiken als nicht relevant erachtet wurden. Dieses Procedere kann auch umgedreht werden: Erst Produkte vorschlagen und diese dann auf die Nachhaltigkeitsvorstellungen des Versicherungsnehmers hin abklopfen. All das ist natürlich schriftlich zu dokumentieren.

Berücksichtigen Berater und Vermittler in Zukunft die Nachhaltigkeitsfaktoren Umwelt, Soziales und Unternehmensführung im Rahmen der Geeignetheitsprüfung nicht, so verstoßen sie möglicherweise nicht nur gegen die VO (EU) 2019/2088, sondern auch gegen eine Reihe weiterer gesetzlich festgelegter Beratungs- und Informationspflichten.

Standardisierung nützt Vermittlern und Kunden

So weit, so klar. Nur wie sollen Berater und Vermittlerinnen diese Vorgaben in der Praxis umsetzen? Ihnen fehlt ein Werkzeug, mit dessen Hilfe es gelingt, die Nachhaltigkeitsfaktoren angemessen und zutreffend zu ermitteln, dazustellen, zu gewichten und in Empfehlungen für Kunden zu überführen. Da die Nachhaltigkeitsfaktoren in der gewerblichen Wirtschaft je nach Konjunktur und Marktlage schwanken werden, wird es nötig sein, ein Konzept zu entwickeln, das sich dynamisch an die täglichen Veränderungen bei Nachhaltigkeitsfaktoren anpasst.

Es ist angesichts der Komplexität zu befürchten, dass viele Marktteilnehmer künftig ihr eigenes Nachhaltigkeits-Süppchen kochen werden. Am Ende steht eine Vielzahl von Fragekatalogen und Verbraucher bleiben ob der Kakophonie verunsichert zurück.

Es wäre daher abzusehen, dass der Gesetzgeber früher oder später dieses komplexe Themengebiet an sich ziehen würde, um dafür Regeln festzuschreiben. Und wieder würden alle Marktteilnehmer mit den Augen rollen. Deshalb ist es wichtig, dass die Art der Erfassung von Nachhaltigkeitsfaktoren und deren Auswirkungen standardisiert und ihre Anwender möglichst auch beim Defino Institut zertifiziert werden. Damit sich alle Marktteilnehmer darauf verlassen können, dass die Informationen zutreffend erhoben und korrekt gewichtet und gebündelt wurden.

Auf diese Weise wird die Finanzbranche dem Gesetzgeber nun zuvorkommen und einen Standard entwickeln, mit dem Vertriebseinheiten und Finanzberatungsgesellschaften Nachhaltigkeitsfaktoren in Zukunft möglichst einheitlich standardisiert erfassen und deklarieren können. Dieser Standard wird als Modul in die bereits bestehende DIN-Norm 77230 „Basis-Finanzanalyse für Privathaushalte“ integriert werden. Dem Finanzvertrieb wird so ein Werkzeug zur Verfügung stehen, dass die ESG-Präferenzen  in die Beratung über Investitionsentscheidungen der Kunden zutreffend einbezogen werden können. Kunden könnten das Ergebnis als Datei bei sich abspeichern und vor dem nächsten Beratungstermin dem nächsten Vermittler zusenden. Wieviel Zeit könnten sich alle ersparen! Und dem Gesetzgeber dürfte dies auch gefallen.

Der frühere BaFin-Beirat Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski leitet das Institut für Energie- und Wettbewerbsrecht in der kommunalen Wirtschaft (EWeRK) an der Humboldt-Universität zu Berlin und ist Mitglied im DEFINO-Kuratorium. Das Defino Institut für Finanznorm AG ist ein im Jahr 2011 eigens für die Entwicklung von Standardisierungen und Normungen im Bereich der Finanzdienstleistungen gegründetes Unternehmen mit Sitz in Heidelberg.

https://defino.de/ueber-uns/kuratorium/

Der Gastbeitrag ist auch erschienen in EXXECNEWS Ausgabe 03/2022.

www.exxecnews.de

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