"Aus meiner Sicht wird das 'Social' zunehmend wichtiger"

Die Herausforderungen für Stiftungen als institutionelle Anleger sind vielfältig. Zunehmende gesetzliche Regularien, Reportingpflichten und dazu noch die eigenen Werte, nach denen die Stiftung anlegen möchte. Achim Griesel, leitender Redakteur von EXXECNEWS INSTITUTIONAL (ENI), sprach mit Achim Lange, Vorstand Finanzen, Verwaltung und Personal bei der Zeit Stiftung Bucerius, über seine Erwartungen an 2024.
ENI: Nach welchen Kriterien treffen Sie und Ihr Team Anlageentscheidungen?
Achim Lange: Wir streben eine möglichst große Streuung an – sowohl bei den Assetklassen als auch bei der regionalen Aufteilung. Unsere Asset Manager erhalten die Aufgabe, in den einzelnen Segmenten die zuvor definierte Benchmark zu schlagen und Alpha zu generieren. Unsere Asset Manager setzen dies in einzelnen Spezialfonds um. Dabei nehmen wir eine CO2-Reduktion im Portfolio durch die Eliminierung der Co2-intensivsten Unternehmen vor. Bei der Zeit Stiftung Bucerius vermeiden wir zusätzlich Investitionen in – nach unseren Grundsätzen – moralisch bedenkliche Staatsanleihen beziehungsweise Staatsnahen Unternehmen, wie aktuell zum Beispiel Polen, Ungarn und Russland.
ENI: Wie wählen Sie neue, interessante Produktangebote aus?
Lange: Für mich gibt es da einen Unterschied zwischen Trend und Opportunität: Die Asset Manager sind frei in ihren Entscheidungen, aber als Zeit Stiftung Buceriusmüssen wir bei Trends nicht die ersten sein, die einsteigen.
ENI: Was sind aus Ihrer Sicht die größten Herausforderungen für institutionelle Kapitalanleger im Jahr 2024?
Lange: Die Frage ist aus meiner Sicht nicht so eindeutig zu beantworten, da ich die langfristige Asset-Allokation im Blick habe. Daher schaue ich langfristiger auf Entwicklungen und nicht so sehr auf kurzfristige Veränderungen innerhalb eines Jahres. So gesehen denke ich, dass der Aktienmarkt zwar volatil, aber stabil bleibt. Beim Immobilieninvestment rechne ich mit einer schwarzen Null: auf der einen Seite steigende Mieten (zum Teil durch indexierte Mieten), dagegen wirken dann leichte Abwertungen im Bestand.
ENI: Wie sehen Sie die regulatorischen Anforderungen an ESG und Nachhaltigkeit?
Lange: Bei zu großer Konzentration ESG-konformer Titel und Produkte kann die Rendite in der Gesamtperformance und Streuung fehlen. Einer der Gründe, warum eine zu hohe Regulierung aus meiner Sicht nicht sinnvoll ist. Ich hoffe, dass die Regulatorik unser Handeln in Zukunft möglichst wenig beeinflusst, denn die Frage sollte dabei immer sein, wie sich dadurch die Welt verändert. Beispiel RWE/Kohleverstromung: Keine Aktien von RWE im Portfolio zu haben, bedeutet nicht gleich weniger CO2 Ausstoß durch RWE. Hier stellt sich für mich auch die Frage der Effizienz: Investiere ich mein Geld, um Gutes zu tun, oder lege ich mein Geld an, um mit der Rendite Gutes zu tun.
ENI: Wie sehen Sie in diesem Zusammenhang die Zukunft der drei Komplexe E(nviromental), S(ocial) und G(overnance)? Wie geht Ihre Stiftung, die sich aktuell sehr prominent mit dem Manifest „Bildung ist Bürgerrecht“ für die Umsetzung des Grundrechts auf Bildung einsetzt, mit der Gewichtung der Bereiche um?
Lange: Aus meiner Sicht wird das „Social“ zunehmend wichtiger – und gute Bildung ist die Grundlage unserer Zukunft, daher liegt uns dieses Thema so am Herzen.
ENI: Was können die größten Chancen für Investoren im Jahr 2024 sein?
Lange: Entweder sind Aktien zu teuer oder die Welt zu unsicher, daher sehe ich auch immer die Langfristigkeit und nicht die Begrenzung auf das Kalenderjahr. Wir haben Aktien in unserem Portfolio mit bis zu 50 Prozent gewichtet. Damit sind Aktien unsere größte Assetklasse und bilden unser langfristiges Fundament im Portfolio.
ENI: Stiftungen, Vereine, gGmbHs und alle anderen Non-Profit-Organisationen eint bei der Vermögensanlage meist ein Prinzip: Das Geld soll rentierlich und sicher angelegt werden, ohne dass große Kosten entstehen, die die Rendite wieder schmälern. Auf welche Assetklassen greifen Sie bei Ihren Anlageentscheidungen zurück, Herr Lange?
Lange: Wir streuen breit über alle Assetklassen, darunter Aktien, Anleihen, Private Equity, Infrastruktur und Immobilien, im Direktbestand oder in Immobilienfonds. Allerdings hat auch die Zeit Stiftung Bucerius, wie andere große Stiftungen, illiquide Blöcke, mit denen am Markt nicht gearbeitet werden kann, die zum Teil nur eine soziale Rendite erzielen.
ENI: Was ist Ihnen persönlich für den Jahresstart sonst noch wichtig?
Lange: Mich bewegen die Landtagswahlen in Ost-Deutschland und die möglichen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Folgen daraus. Darüber hinaus schaue ich mit großer Besorgnis auf die Entwicklung des Kriegs in Osteuropa und die Stabilität der Demokratie in den Vereinigten Staat nach der US-Wahl im Herbst 2024. Hier wünsche ich mir wieder mehr Stabilität und Verlässlichkeit, um wieder besser planen zu können.
ENI: Vielen Dank für dieses inspirierende Gespräch, Herr Lange.
Der Artikel erschien zuerst in EXXECNEWS INSTITUTIONAL 01/2024
Achim Lange ist seit 2021 Vorstand Finanzen, Verwaltung, Personal der Zeit Stiftung Bucerius. Zuvor leitete Lange unter anderem das Portfoliomanagement im Bereich Private Banking der Hamburger Sparkasse (HASPA).