"Ein Schritt Richtung klassischer Finanzindustrie"

Mit 76 Millionen Euro investierten Kapitals in 233 Projekte ist sie nach eigenen Angaben „Österreichs Pionier im Crowdinvesting für Startups und KMU“, die österreichische Conda mit ihrer Münchner Tochtergesellschaft Conda Deutschland Crowdinvesting. Nachdem Conda nunmehr die europäische ECSP-Lizenz, die amtliche Zulassung als regulierter Schwarmfinanzierer erhalten hat, will sie ihre Geschäftsstrategie erweitern. EXXECNEWS sprach mit Conda-CEO Dirk Littig über die Pläne des Unternehmens.
EXXECNEWS: Wie wirkt sich das veränderte Marktumfeld (Inflation, Zinsen etc.) auf den Markt für Unternehmens- und Venture-Capital-Finanzierungen aus?
Dirk Littig: Insgesamt sehen wir, dass sich das veränderte Marktumfeld – und das sind ja nicht nur steigende Inflation und damit einhergehend steigende Zinsen – massiv auf Unternehmen jeden Alters auswirkt. Multiple Krisen wirken aus vielen Richtungen auf bestehende Geschäftsmodelle ein, meist leider nicht zu deren Vorteil. Unternehmen müssen sich mit vielfältigen Bedrohungen auseinandersetzen. Das geht von Lieferkettenproblemen über Fachkräftemangel bis hin zu Personalkostensteigerungen und natürlich gilt das auch für den Finanzierungsbereich. Erhöhte Kosten bringen zwingend auch erhöhten Finanzierungsbedarf mit sich. Zu diesem erhöhten Finanzierungsbedarf kommen die gestiegenen Zinsen – und damit die Steigerung der Finanzierungskosten aus zwei „Ecken“. Wenn man dann gleichzeitig eine zunehmende Risikoaversion bei klassischen Finanzierungsinstituten beobachtet, steigt massiv die Nachfrage nach alternativen Finanzierungs-lösungen. Dies sowohl in Hinblick auf die Finanzierungsquellen als auch in Hinblick auf die Finanzierungsinstrumente. Viele Unternehmen zeigen sich aktuell deutlich offener für eigenkapitalnahe Finanzierungsinstrumente als in der Vergangenheit.
Im Venture Capital Segment sind die Auswirkungen im Grunde seit Beginn des Ukraine-Krieges noch viel dramatischer. Das Segment ist mehr oder weniger zum Erliegen gekommen. Chance auf Finanzierung haben fast nur noch die jungen Unternehmen, die bereits profitabel sind oder aber zumindest sehr kurz davor stehen.
EXXECNEWS: Was bedeutet dies für Finanzierungsplattformen im Allgemeinen und für Conda im Besonderen?
Littig: Für Finanzierungsplattformen beinhaltet dies die Chance, weit stärker als bislang im Mittelstandssegment Fuß zu fassen. Mittelständische Unternehmen diversifizieren ihre Finanzierungsquellen, stärken ihr Eigenkapital und wollen die Abhängigkeit von Banken verringern. Letztlich geht es ein Stück weit auch darum, ein Angebot auf Augenhöhe zu machen und nicht in der Rolle des Bittstellers zu sein. Diese Chance für alternative Finanzierungsplattformen geht natürlich auch einher mit Anforderungen an die Selektion. Alternative Finanzierungsplattformen werden sich nur dann dauerhaft etablieren, wenn sie sich nicht dazu hinreißen lassen, „schlechte“ Risiken zu nehmen. Es kommt hier also stark auf die Bonitätsanalyse an, um den Investoren auf diesen Plattformen attraktive Chance-Risiko-Profile bieten zu können.
Wir bei Conda haben jahrelange Erfahrung in der Bonitätsanalyse von KMU und haben im Zuge unseres Wachstums das entsprechende Team nochmals verstärkt.
CONDA ist damit sehr gut positioniert, um Investoren – sowohl retail als auch institutionell – in der Breite Zugang zu der Anlageklasse Mittelstand zu ermöglichen.
EXXECNEWS: Wie hat sich die Conda-Plattform seit ihrem Markteintritt entwickelt?
Littig: Conda ist mit über zehn Jahren Erfahrung eine der ersten Crowdinvesting-Plattformen im deutschsprachigen Raum. Mit über 50.000 InvestorInnen, mehr als 330 finanzierten Projekten und über 220 Millionen Euro investiertem Kapital ist Conda auch eine der bedeutendsten alternativen Finanzierungsplattformen. Lag der Schwerpunkt in den Anfangsjahren noch stark bei sehr jungen Unternehmen, hat sich Conda mittlerweile zusätzlich im KMU-Segment etabliert. Im Zuge der neu erhaltenen europäischen Lizenz wird Conda noch sehr viel stärker den Mittelstand fokussieren und zu einer ersten Anlaufstelle für Wertpapieremissionen von KMU werden.
Ein ebenfalls sehr starkes Standbein stellen die Business Solutions dar – der Geschäftsbereich, der sich mit der Bereitstellung von White Label Lösungen als Platform-as-a-service befasst. Allein hier vertrauen derzeit über 50 Kunden auf die Lösungen von Conda.
EXXECNEWS: Was unterscheidet die Plattform von den Wettbewerbern?
Littig: Von Beginn an hat Conda im Start-up-Segment den Fokus auf solche Unternehmen gelegt, die zwar skalierbar sind, gleichzeitig aber auch eine gewisse Flexibilität hinsichtlich der Finanzierungsanforderungen aufweisen. Hintergrund dafür ist die Zielsetzung, möglichst wenige Ausfälle von Start-ups aufgrund von verzögerten oder ausgefallenen Finanzierungsrunden sehen zu müssen. Ferner haben wir von Anfang an auch mittelständische Unternehmen adressiert – das Segment, das jetzt klar im Fokus steht.
Conda war von Beginn an aktiv in Deutschland, Österreich und der Schweiz und hat so nicht nur cross border Investments ermöglicht, sondern auch viele Unternehmen beim Schritt in einen weiteren Markt begleitet.
Unser starkes Technologiestandbein ist ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal. Dies ist eine bedeutende Säule unseres Geschäftsmodells und ermöglicht unseren Kunden Zugang nicht nur zu aktueller Technologie, sondern auch zu unserem Marktplatz und unseren Communities.
EXXECNEWS: Welche neuen Möglichkeiten ergeben sich aus der kürzlich erteilten ECSP-Lizenz?
Littig: Die kürzlich erteilte ECSP-Lizenz ermöglicht es uns, Wertpapiere bis zu fünf Millionen Euro pro Jahr und Emittent im Rahmen der europäischen Regulierung zu vermitteln. Das bedeutet in der Praxis, dass wir von der Finanzmarktaufsichtsbehörde in einem EU-Land – in unserem Fall Österreich – beaufsichtigt werden und innerhalb der erwähnten Grenzen EU-weit öffentlich anbieten können. Es sind also vor allem folgende wesentliche Unterschiede festzuhalten:
- Regulierung im Wertpapierbereich (gegenüber der Regulierung im Vermögensanlagenbereich in der Vergangenheit)
- Regulatorische Harmonisierung (gegenüber national unterschiedlichen Regelungen in der Vergangenheit)
- Erhöhte Glaubwürdigkeit (Aufsicht stellt Standards und Anlegerschutz sicher)
Diese europäische Regulierung dient dem Ziel, mittelständischen Unternehmen EU-weit vereinfacht Zugang zu Kapital zu ermöglichen. Umgekehrt ermöglicht sie Investoren EU-weit Zugang zu der Anlageklasse Mittelstand.
EXXECNEWS: Sind bereits entsprechende Kapitalanlage-Angebote in Vorbereitung?
Littig: Die neue Plattform Conda Capital Market ist Anfang des Jahres unter www.Conda-capital.com gestartet. Die ersten Anleiheemissionen sind bereits in der Zeichnungsphase. In Kürze wird die erste Aktienemission öffentlich zugänglich sein.
Aktuell sind wir außerdem dabei, Angebote für interessierte institutionelle Anleger zu entwickeln.
Einen enormen Schub für die Anlageklasse erwarten wir durch „ELTIF 2.0“, die neue ELTIF (European Long Term Investment Fund) Verordnung, die Privatkunden deutlich erleichterten Zugang zu dieser Art Fonds erlaubt.
EXXECNEWS: Welche organisatorischen Anpassungen an die ECSP-Regulierung waren auf Seiten von Conda erforderlich?
Littig: Der wesentliche regulatorische Unterschied aufgrund der ECSP-Lizenz ist, dass wir nun von der Finanzmarktaufsicht beaufsichtigt werden. Damit einher gehen erhöhte regulatorische Anforderungen und Standards, die vor allem den Anlagerschutz gewährleisten sollen. Wir haben also in gewisser Weise einen Schritt in Richtung der klassischen Finanzindustrie gemacht. Das erhöht einerseits den internen organisatorischen Aufwand, bietet aber andererseits auch sowohl Investoren als auch Emittenten die Gewähr dafür, dass wir professionelle Marktteilnehmer sind.
Der Beitrag ist zuerst in EXXECNEWS Ausgabe 06/2024 erschienen.
Dirk Littig ist Co-Founder und Co-CEO von Conda. Die Crowdinvesting-Plattform Conda ist in sieben europäischen Ländern vertreten und hat seit 2013 insgesamt 42 Crowdinvesting-Projekte abgeschlossen. Durch die Beteiligung von rund 5.500 Crowd-Investoren konnten über neun Millionen Euro finanziert werden.