Institutionelle Investoren steigern Immobilien-Investments

Die Industria, der Immobilien-Asset-Manager aus Frankfurt, hat eine Befragung unter institutionellen Investoren zur künftigen Immobilienallokation durchgeführt. Bei 19 Prozent der Umfrageteilnehmer soll die Immobilienquote in den kommenden 18 Monaten leicht oder deutlich wachsen. Bei der Befragung im Vorjahr waren es dagegen nur drei Prozent. Knapp die Hälfte der Investoren will ihre Immobilienquote in den kommenden eineinhalb Jahren konstant halten (2023: 64 Prozent). Rund ein Drittel will sie leicht oder deutlich reduzieren, etwa so viel wie im Vorjahr. Die Details der Befragung erläuterte Industria-Geschäftsführer Thomas Wirtz im Exklusiv-Interview mit EXXECNEWS. Das Interview führte Achim Griesel, Leitender Redakteur von EXXECNEWS Institutional. (LJH)
EXXECNEWS: Worauf führen Sie zurück, dass inzwischen fast 20 Prozent der Investoren ihre Immobilienquote erhöhen wollen – nach nur drei Prozent im Vorjahr?
Thomas Wirtz: In den Jahren der Nullzinsära haben viele Institutionelle große Immobilien-Exposures aufgebaut. Dann kam 2022 die Krise in der Folge des Ukraine-Krieges. Danach waren viele Investoren auch erst einmal mit den Herausforderungen im eigenen Portfolio beschäftigt und haben Neuanlagen tendenziell zurückgestellt. Ich werte die Aussage als Zeichen, dass wir die Krise ein Stück weit hinter uns lassen, aber auch der Startschuss für neue Investitionen noch nicht grundsätzlich gefallen ist. Außerdem muss man bedenken, dass die Assetklasse Wohnen als zukunftsträchtig und vergleichsweise wenig volatil gilt. Zudem erhalten viele Institutionelle kontinuierlich Mittel aus der Altersvorsorge. Diese Gelder müssen risikoallokiert investiert werden.
EXXECNEWS: Die durchschnittliche Immobilienquote liegt bei 22 Prozent – sehen Sie weiteres Potenzial nach oben?
Wirtz: Grundsätzlich sehen wir Potenzial – auch wenn die Situation bei den einzelnen Investorengruppen unterschiedlich ist. Versorgungswerke haben sich häufig individuelle Maximal-Quoten gesetzt. In der Regel liegen diese bei weniger als 25 Prozent, in wenigen Ausnahmefällen aber auch über 25 Prozent. Mitte 2024 lag die Quote bei den Versicherungen laut EY auf dem höchsten Stand seit zwölf Jahren – nämlich bei 13,1 Prozent.
EXXECNEWS: Wie erklären Sie sich den Rückgang beim direkten Investment gegenüber dem indirekten – ist das Ausdruck von Risikoaversion oder von Marktzugangsbeschränkungen?
Wirtz: Das ist ein Trend, den wir schon seit Jahren beobachten. Immobilieninvestments werden immer komplexer – Stichworte ESG und Reporting. Für viele Anleger ist es einfacher indirekt zu investieren, weil sie damit große Teile der Aufgaben auf spezialisierte Investment Manager verlagern können.
EXXECNEWS: Wohnen hat Logistik überholt – wie bewerten Sie diesen Shift in der Nutzungspräferenz? Ist das ein nachhaltiger Trend?
Wirtz: Wir haben in der Vergangenheit den Logistikmarkt und dessen Entwicklung im Vergleich zum Wohnungsmarkt immer schon beobachtet. Nun ist die Entwicklung des Wohnungsmarktes meines Erachtens nicht so stark abhängig vom allgemeinen Markt- und Wirtschaftsgeschehen wie die Entwicklung des stärker internationalisierten Logistikmarkts. Die aktuelle Verunsicherung an den Märkten könnte den Rückgang der Präferenz von Logistikimmobilien damit gut erklären.
EXXECNEWS: Büro scheint sich zu erholen – glauben Sie an ein Comeback dieser Assetklasse oder handelt es sich um eine Momentaufnahme?
Wirtz: Ich sehe hier noch keinen eindeutigen Trend, vermute aber, dass auch diese Assetklasse sich erholen und mit den richtigen Konzepten wieder zukunftsfähig sein wird.
EXXECNEWS: Ihre Umfrage zeigt, dass serielle und modulare Bauweisen bei Investoren zunehmend Akzeptanz finden. Wie stark setzt Industria selbst auf diese Technologien?
Wirtz: Wir erachten serielles beziehungsweise modulares Bauen unter anderem als einen wichtigen Schlüssel zur Schaffung von mehr bezahlbarem Wohnraum. Zudem ist es immer gut, wenn Trends der Automatisierung (wie bereits seit langem in der Automobilindustrie) und deren Vorteile aus anderen Branchen für die Immobilienbranche übernommen werden können. Wir prüfen derzeit, inwiefern wir Immobilien dieser Bauweise in Fondsprodukte verpacken können und haben hier schon eine Reihe interessanter Ansätze gesehen. Konkreter kann ich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht werden, da die Prüfungen noch laufen und auch einige Fragen noch offen sind.
EXXECNEWS: Sie sprechen von einem Trend zu Club Deals. Was macht diese Struktur für Investoren aus Ihrer Sicht derzeit attraktiver als Poolfonds?
Wirtz: Je größer die Investorenschaft eines Fonds, desto schwieriger die Abstimmung im Problemfall. Das hat dazu geführt, dass aktuell Club-Deals mit einer sehr kleinen Investorenanzahl deutlich gefragter sind.
EXXECNEWS: Was bedeutet die gestiegene Nachfrage nach geschlossenen deutschen AIF für Ihre Produktstrategie?
Wirtz: Grundsätzlich sind wir nicht auf eine Struktur festgelegt, sondern richten uns nach den Investorenwünschen. Wenn relevante Investoren geschlossene Strukturen wünschen, setzen wir diese auch um.
EXXECNEWS: Für ein Drittel der Investoren haben ESG-Kriterien kaum Relevanz. Wie bewerten Sie das angesichts des regulatorischen Drucks und gesellschaftlicher Erwartungen?
Wirtz: Es spiegelt meiner Meinung nach einen allgemeinen Trend wider. Erstens haben wir zwei Jahre Krise hinter uns. Da stehen andere Fragen im Fokus. Hinzu kommt: Auch der Regulator tritt ja derzeit auf die Bremse. Mit dem so genannten Omnibus-Verfahren wurden vonseiten der EU beispielsweise große Teile der CSRD-Anwendung verschoben und auch der Anwendungskreis kleiner gemacht.
EXXECNEWS: Der Fokus auf Artikel-8-Fonds ist rückläufig – wie positionieren Sie Industria in diesem Spannungsfeld zwischen ESG-Vorgaben und Marktrealität?
Wirtz: Wir setzen erst einmal weiter auf Artikel-8-Fonds. Wir haben den offenen Immobilien-Spezialfonds „Wohnen Deutschland VIII “aktuell in der Platzierung, bei dem es sich um einen Artikel-8-Fonds handelt. Auch unser Publikumsfonds „Fokus Wohnen Deutschland“ ist in dieser Kategorie eingestuft. Es gibt derzeit vonseiten des Regulators eine Diskussion um eine Reform der bestehenden Fondskategorien, die die Offenlegungsverordnung geschaffen hat. Das beobachten wir natürlich genau. Sollte es eine neue Systematik für ESG-Fonds geben, werden wir entscheiden, wie wir weiter machen.
EXXECNEWS: Impact-Fonds gewinnen leicht an Boden – sehen Sie darin eine Nische mit Zukunft oder eher ein Marketinginstrument?
Wirtz: In der aktuellen Ausgestaltung sehen wir darin nur eine Nische. Das zeigt ja auch die Anzahl der Fonds am Markt. Die Hürden sind sehr hoch. Und daneben haben die Investoren ja auch noch Renditeanforderungen.
EXXECNEWS: Was bedeuten die Studienergebnisse für Ihre eigene Investitionsstrategie in den kommenden zwölf bis 18 Monaten?
Wirtz: Wir berücksichtigen die Ergebnisse bei allen Ankäufen, beispielsweise die Anforderungen an die Ausschüttungsrenditen, die wir nicht unterschreiten sollten. Im Fokus der Investoren stehen vor allem zwei Strategien: junger Bestand und Neubau-Forward-Deals. Das sind Strategien, die wir ohnehin bereits verfolgen und auch weiterverfolgen werden. Ein Beispiel für jungen Bestand sind die drei Immobilien mit 372 Wohneinheiten, die wir im Mai 2025 angekauft haben.
EXXECNEWS: Was erwarten Sie von der Zinsentwicklung – und wie beeinflusst das Ihre Einschätzung für Core-Strategien versus Value Add?
Wirtz: Wir gehen davon aus, dass das aktuelle Zinsumfeld auf absehbare Zeit so bleiben wird. Ich erwarte keine Rückkehr zur Nullzinsära.
Thomas Wirtz (FRICS) ist Managing Director der Industria Immobilien GmbH, Frankfurt am Main. Industria ist Teil der Becken-Gruppe, eines inhabergeführten Hamburger Immobilien- und Investmentunternehmens, das seit 1978 in den führenden deutschen Metropolregionen tätig ist. Industria verwaltet aktuell mehr als 22.200 Einheiten mit einem Volumen von rund 5,5 Milliarden Euro im deutschen Immobilienmarkt.
https://www.industria-immobilien.de/
Der Beitrag ist zuerst in EXXECNEWS Ausgabe 11-2025 erschienen.
