Karriere ohne Kompass? – Ein Gespräch über Lösungen für den Fachkräftemangel
Der neue OECD-Bericht „The State of Global Teenage Career Preparation“ zur beruflichen Vorbereitung von Jugendlichen liefert alarmierende Ergebnisse: Fast 40 Prozent der 15-Jährigen in den OECD-Ländern wissen nicht, welchen Beruf sie später ausüben möchten – ein historischer Höchststand mit dramatischen Folgen für ihre Jobchancen. Hinzu kommt: Berufswünsche und Arbeitsmarktrealität klaffen weit auseinander, und soziale Herkunft zählt mehr als Talent. Besonders benachteiligte Jugendliche bleiben von wirksamer Berufsorientierung oft ausgeschlossen. Andreas Schleicher, Direktor für Bildung und Kompetenzen bei der OECD und Autor des Berichts, benennt in diesem Interview für das „Jahrbuch 2025 Impact Investing“ mit unserem leitenden Redakteur Achim Griesel Wege aus einer Problematik, die zu einem echten Standortnachteil werden kann.
Schleicher fordert tiefgreifende Investitionen in frühzeitige, praxisnahe und gerechte Karrierebildung. Effektive Berufsorientierung wirkt, ist aber vielerorts unzureichend finanziert und zu spät im Bildungsweg angesiedelt. In seinem Bericht fordert Schleicher flächendeckenden Zugang zu Arbeitgeberkontakten, praxisnaher Beratung und digitalen Lösungen zur Orientierung – auch, um wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit und soziale Mobilität langfristig zu sichern.
Herr Schleicher, Sie sprechen von einem systemischen Versagen in der Berufsorientierung. Welche konkreten Maßnahmen sind aus Ihrer Sicht nötig – personell, strukturell und digital?
Arbeitgeber, Politik und Bildungseinrichtungen müssten viel stärker zusammenarbeiten, um Schülern Einblicke in reale Berufswelten zu ermöglichen – etwa über Job Shadowing, digitale Tools oder Mentoring durch Berufstätige. Für besonders hoch halte ich den Wert von Begegnungen mit Menschen in der Arbeitswelt als Form sozialer Kapitalbildung. Denn: Wer sieht, was möglich ist, kann es sich auch vorstellen.
Inwiefern sehen Sie qualitativ hochwertige Berufsorientierung als Wettbewerbsvorteil für Volkswirtschaften – gerade angesichts globaler Fachkräfteengpässe?
In vielen Ländern übertrumpft der sozioökonomische Status sogar die tatsächliche Begabung – ein zentrales Hindernis für soziale Mobilität. Ein Beispiel: Das Sichtfeld der jungen Menschen verengt sich immer mehr. Viele Jugendliche streben nach wie vor eine kleine Auswahl an traditionellen, hoch angesehenen Berufen an – häufig im professionellen Sektor, etwa als Arzt, Lehrerin oder Jurist. Unser Bildungssystem zeigt also nicht die Möglichkeiten auf, die ein junger Mensch an Berufsfeldern hat. Neue Berufsfelder, etwa im Bereich Pflege, Technik oder Digitalisierung, finden kaum Eingang in die Vorstellungen der Jugendlichen. Wer nicht weiß, was möglich ist, der wird sich auch nicht darauf vorbereiten.
Lesen Sie das vollständige Interview im „Jahrbuch 2025 Impact Investing“
Impact inmitten der Instabilität