Fed-Zinspolitik zwischen Inflationsangst und Wirtschaftsstabilität
Donald Ellenberger, Senior Portfolio Manager für Fixed Income beim amerikanischen Investmentmanager Federated Hermes, kommentiert die jüngsten Entscheidungen der amerikanischen Zentralbank.
Wenn der Offenmarktausschuss der US-Notenbank (FOMC) achtmal im Jahr zusammentritt, hat er nur zwei Tage Zeit, um über die Geldpolitik zu beraten und zu entscheiden. Gestern standen den stimmberechtigten Mitgliedern im Grunde nur wenige Stunden zur Verfügung, denn um 8:30 Uhr wurde der Bericht zum Verbraucherpreisindex (CPI) für Mai veröffentlicht und um 14:00 Uhr das Statement zur Sitzung. Sowohl die Gesamtinflation als auch die Kerninflation stiegen langsamer als vom Markt erwartet.
Die Entscheidung, den Leitzins im Zielkorridor von 5,25 bis 5,5 Prozent zu belassen, dürfte kaum unter Zeitdruck gefallen sein. Jedoch stellt sich die Frage, ob die mangelnde Zeit zu einer Inkonsistenz geführt hat. Die politischen Entscheidungsträger erhöhten ihre Schätzung des von ihnen bevorzugten Inflationsmaßes zum Jahresende von 2,6 auf 2,8 Prozent. Sie signalisierten aber gleichzeitig im "Dot Plot", dass sie eine Zinssenkung um 25 Basispunkte vor 2025 erwarten.
Während der Pressekonferenz deutete der Vorsitzende Powell an, dass die Daten wichtiger seien als die Punkte und dass sich die Punkte ändern könnten, wenn sich die Daten ändern. Er vermittelte eine positive Botschaft, indem er sagte, dass der CPI-Bericht "ein Schritt in die richtige Richtung" sei und dass niemand im FOMC-Auschuss eine Zinserhöhung erwarte. Das klingt negativ, bis man sich daran erinnert, dass im Dokument der Mai-Sitzung von "fehlenden" Fortschritten die Rede war.
Wenn man der ganzen Sache etwas abgewinnen kann, dann, dass die Fed-Offiziellen nichts von ihrer Nervosität verloren haben. Je länger sie den Leitzins über 5 Prozent halten, desto größer ist die Gefahr, dass sie etwas kaputt machen und dafür verantwortlich gemacht werden. Auf der anderen Seite steht ihr Albtraumszenario, den Fehler der 1970er Jahre zu wiederholen. Damals senkte sie die Zinsen, um dann festzustellen, dass die Inflation anstieg, was sie zwang, den Kurs zu ändern und die Zinsen mehrmals zu erhöhen. Obwohl die Fed also eindeutig zu Zinssenkungen neigt, ist die Hürde für eine erste Zinssenkung hoch. (DFPA/abg)
Federated Hermes, Inc. ist ein globaler Investmentmanager mit einem verwalteten Vermögen von 715,2 Milliarden US-Dollar (Stand: 30. September 2023). Mit Hauptsitz in Pittsburgh beschäftigt Federated Hermes mehr als 2.000 Mitarbeiter, unter anderem in London, New York und weiteren Büros weltweit.