Der Tippgeber
1. Grundlagen
1.1. Definition des Tippgebers und grundsätzliche Auswirkungen
Der Status des „Tippgebers“ ist gesetzlich nicht definiert. Trotzdem taucht der Begriff des Tippgebers im Zusammenhang mit allen Assetklassen, bei denen die Vermittlung reguliert ist, in der Praxis regelmäßig auf. Auch in Gesetzesbegründungen zu einigen Regulierungsvorschriften wird er genannt. Danach kann als Tippgeber derjenige bezeichnet werden, dessen Tätigkeit darauf beschränkt ist, Möglichkeiten zum Abschluss von Verträgen namhaft zu machen oder Kontakte zwischen Kunden und dem Produktgeber oder einem „echten“ Vermittler herzustellen, ohne selbst in den inhaltlichen Ablauf der Vermittlung eingeschaltet zu sein. Schlagwortartig liegt dort oft eine „Vermittlung an einen Vermittler“ vor.
Hiermit wird also grundsätzlich ein Funktionsbereich „unterhalb“ der Schwelle der aufsichtsrechtlichen Regulierung definiert, bei dem die Betroffenen selbst nicht über die entsprechende Erlaubnis verfügen müssen, aber trotzdem legal ihre Tätigkeit ausüben können. Funktional sind Tippgebervereinbarungen zwar auch zwischen Parteien denkbar, die beide über die erforderliche Erlaubnis verfügen, aber zum Beispiel im Sinne von Gemeinschaftsgeschäften die betreffende Vermittlung gemeinsam durchführen wollen, weil etwa die eine Seite über weitreichendere Kundenkontakte, die andere Seite über besseres inhaltliches Know-how verfügt. Eine solche gemeinsame beziehungsweise arbeitsteilige Vorgehensweise zwischen mehreren Erlaubnisinhabern bildet aber nicht den Kern dieses Problembereiches, und soll deshalb hier nicht näher erörtert werden.
1.2. Produktbezogene Anwendungsbereiche
Aus dem Vorstehenden folgt, dass der Status des Tippgebers primär durch die aufsichtsrechtlichen Anforderungen geprägt ist. Mit der zunehmenden Regulierung weiter Bereiche der Vermittlung ist in der Praxis das Bedürfnis des zulässigen Einsatzes von auf die Zuführung von Kunden beschränkten Mittelspersonen gestiegen und wird auch allgemein anerkannt. Dies gilt auch für die BaFin beziehungsweise die IHKs und Gewerbeämter. Der Tippgeber kommt dementsprechend typischerweise heute in Abgrenzung zu folgenden regulierten Vermittlern vor:
- Immobilienmakler und allgemeine Darlehensvermittler im Sinne von § 34c GewO
- Versicherungsvermittler im Sinne von § 34d GewO
- Finanzanlagenvermittler im Sinne von § 34f GewO mit den jeweils getrennt erforderlichen Erlaubnissen nach § 34f Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2 und Nr. 3 GewO
- Immobiliendarlehensvermittler nach § 34i GewO.
Aber auch dort, wo entweder Produktgeber selbst unmittelbar an den Markt herantreten und/oder die vorstehend genannten Erlaubnistatbestände nach der GewO nur Sonderfälle umfassenderer Zulassungsregelungen, etwa nach dem KWG, sind, ist der Tippgeberstatus in der Praxis zu finden.
Manchmal wird der Begriff auch im Zusammenhang mit sogenannten Eigenprovisionen oder Provisionsnachlässen verwendet, wenn etwa der Endkunde für seinen eigenen Vertrag oder die singuläre Empfehlung eines Bekannten einen Nachlass auf die Provision, das Agio oder eine Rückvergütung erhält. Auch diese „Verbraucher-Tippgeber“ stehen hier nicht im Fokus; gegebenenfalls sind dort andere Besonderheiten, wie zum Beispiel das Provisionsabgabeverbot im Versicherungsbereich oder vertragliche Provisionsabgabereglungen, zu beachten.
1.3. Aufsichtsrechtliche Voraussetzungen im Einzelnen und Rechtsfolgen
Wie bereits angesprochen, ist der Tippgeber aufsichtsrechtlich dadurch definiert, dass er lediglich den Kontakt zwischen einem potenziellen Anleger und einem anderen Vermittler oder Anbieter von Finanzanlagen, Versicherungen oder anderen Finanzinstrumenten herstellt oder diese gegenüber dem Kunden benennt. Sowohl objektiv wie subjektiv darf es dem Tippgeber aber „gerade nicht darauf ankommen, den Anleger zu einem bestimmten Produkt zu überzeugen oder für eine bestimmte Finanzanlage zu gewinnen“, wie es zum Beispiel die IHK für die Region Stuttgart plastisch in einer allgemeinen Information ausdrückt. Ähnliche Charakterisierungen finden sich zum Beispiel in der allgemeinen Muster-Verwaltungsvorschrift zu § 34f GewO/FinVermV und zahlreichen anderen Verlautbarungen.
Natürlich ist der regelmäßige Verweis darauf, dass das Ziel nicht die Förderung der konkreten Abschlussbereitschaft des Kunden sein dürfe, einigermaßen theoretisch. Denn auch der Tippgeber darf erfolgsbezogen mit einer entsprechenden (Unter-)Provision vergütet werden. Objektiv darf er aber allenfalls das „abstrakte Abschlussinteresse“ des Kunden weiterleiten. Die konkrete Entscheidung und erst recht eine etwaige Abwägung zwischen verschiedenen gleichartigen Produkten darf nicht Gegenstand der Tippgeber-Tätigkeit sein.
Werden diese Kriterien erfüllt, muss der Tippgeber nicht die aufsichtsrechtlichen Voraussetzungen für die jeweilige Erlaubnis erfüllen und ist als solcher auch nicht von gegebenenfalls daneben bestehenden Formalanforderungen wie etwa Weiterbildungspflicht oder Eintragung in ein Register betroffen, welche je nach Erlaubnis zum Teil auch für Mitarbeiter gelten, die nicht selbst Erlaubnisinhaber sein müssen.
1.4. Zivilrechtliche/haftungsrechtliche Voraussetzungen und Rechtsfolgen
Zivilrechtlich hat der Begriff des Tippgebers insbesondere mit Blick auf die Haftung im Falle einer fehlerhaften Vermittlung/Beratung gegenüber den Kunden keine festen Konturen. Entsprechend der aufsichtsrechtlichen Anforderungen könnte man annehmen, dass dann, wenn die dort schon geforderte bloße „Weitergabefunktion“ nicht überschritten wird, auch zivilrechtlich keine unmittelbare Haftung des Betreffenden gegenüber dem Kunden entstehen kann.
Trotz der viel beschworenen „Einheit der Rechtsordnung“ ist aber hier festzustellen, dass gerade in Randbereichen unterschiedliche Wertungen vorgenommen werden. Die haftungsrechtliche Rechtsprechung ist grundsätzlich sehr großzügig, auch jene Personen miteinzubeziehen, die aus der Sicht des Kunden – nicht unbedingt objektiv – in die Vermittlung oder gar Beratung involviert waren. Sie müssen nicht unbedingt „maßgeblich“ für die getroffene Anlageentscheidung in ihrer Funktion gewesen sein, was insbesondere bei der Beteiligung von mehreren Vermittlern, sei es nebeneinander oder auch nacheinander, gilt. Die vorstehenden Grundsätze gelten sogar dann, wenn der Beitrag des ersten Vermittlers inzwischen durch den Zeitablauf oder sonstige Umstände „überholt“ ist oder dieser hierfür keine Provision erhalten hat, sondern der spätere Vermittler gleichsam „das Geschäft gemacht hat“. Auch dann ist der erste Vermittler noch von der Haftung betroffen, wie der BGH erst kürzlich (BGH, Urteil vom 21.11.2019 – III ZR 244/19) entschieden hat. Begreift man die Ursächlichkeitskette in diesem umfassenden Sinn, kann es also haftungsrechtlich im Einzelfall ausreichen, dass der Tippgeber „nur“ die entsprechenden Daten an einen anderen „Hauptvermittler“ oder gar dem Produktgeber weitergeleitet hat. Erst recht gilt dies dann, wenn er diese Personen – nicht unbedingt das Produkt – als besonders kompetent, erfahren oder für die Bedürfnisse des Kunden empfehlenswert herausstellt. Deshalb sollte gerade mit Blick auf die Haftung besonders sorgfältig darauf geachtet werden, dass auch aus der Sicht des Kunden die Weitergabe seiner Kontaktdaten nur als rein „technische Dienstleistung“ verstanden werden kann.
Zivilrechtlich kann im Einzelfall auch die Vorschrift des § 278 BGB helfen, die im Zusammenhang mit Verträgen grundsätzlich den sogenannten Erfüllungsgehilfen persönlich von der Haftung freistellt, wenn er von einem Dritten in dessen Verantwortungsbereich eingesetzt wird. Auch dort kommt es aber wiederum auch auf die Vorstellung des Kunden an, wobei gerade beim Tippgeber oft nicht dahingehend kommuniziert wird, dass der Tippgeber seinerseits im Auftrag des anderweitigen Vermittlers oder Produktgebers handelt. Vielmehr wird der Kunde oft den Tippgeber gerade als eigenständig wahrnehmen und im Übrigen gilt auch zivilrechtlich, dass darüberhinausgehende eigene Erklärungen des Erfüllungsgehilfen bisweilen unter dem Stichwort der sogenannten Inanspruchnahme persönlichen Vertrauens doch eine persönliche Haftung begründen können.
2. Folgerungen für die Praxis
2.1. Generelle Beschränkungen der Tätigkeit
Das sich derjenige, der aufsichtsrechtlich und haftungsrechtlich echter Tippgeber bleiben will, in seiner Tätigkeit auf die Vermittlung des Kontakts im technischen Sinne beschränken muss, dürfte danach klar sein. Dies gilt nicht nur für sein aktives Handeln, sondern auch für den Umgang mit Kundenanfragen oder Rückfragen. Oftmals wird die besondere Chance für einen erfolgreichen Tipp gerade in der besonderen Beziehung zum Kunden liegen, sei es aufgrund persönlicher oder anderweitiger beruflicher Beziehungen. Selbst dann muss der Tippgeber jedoch „schweigen“, wenn etwa der Kunde nach entsprechender Kontaktvermittlung Fragen zur Qualifikation des Hauptvermittlers, der Qualität des Produkts oder der Sinnhaftigkeit für seine konkrete Situation stellt. Auch bloße Bestätigungen der Kundenentscheidung sind tabu („Sie meinen doch auch, dass ich das so machen soll?“).
Gerade dort können aber auch die zunehmend digitalisierten Abläufe hilfreich sein. Wenn etwa die Daten (potenzieller) Kunden lediglich in einem geschützten Bereich abgelegt werden und dann das Weitere dem anderweitigen Vertrieb/oder Produktpartner überlassen bleibt, ist die Beschränkung auf die Tippgeberfunktion deutlich einfacher zu dokumentieren als bei einer persönlichen Weitergabe. Selbst dort sollte man aber schon bei der Aufnahme der Daten des (potenziellen) Kunden vorsichtig sein, um dort nicht etwa den Anschein einer „Vorberatung“ zu erwecken: Wer etwa im Sinne eines „vorgezogenen Beratungsbogens“ schon umfängliche Daten über die finanziellen Verhältnisse, anderweitige Erfahrungen und bestehende Kapitalanlagen erhebt, vermittelt den Kunden nicht nur den Eindruck, dass er diesbezüglich auch bereits selbst mit einer inhaltlichen Beurteilung betraut ist; er wird sich dann auch später kaum auf den bloßen Tippgeber-Status berufen können.
2.2. Gestaltung der Zusammenarbeit mit externen Erlaubnisträgern
Schon bei der Zusammenarbeit zwischen Tippgeber und diesem völlig „fremden“ Vermittler mit entsprechender Erlaubnis oder Produktgeber gilt daher, dass sowohl nach der praktischen Handhabung als auch dem Gesamtumfang der tatsächlich ausgeführten Tätigkeiten die Rolle dies Tippgebers nicht überschritten werden darf. Zugleich ist es – für den Tippgeber und seinen Vertragspartner – auch hilfreich, den Umfang der geschuldeten und insbesondere auch der nicht zu erbringenden Tätigkeiten in einer klaren Vereinbarung zu regeln, welche natürlich auch weitere Bestandteile, wie etwa die Voraussetzungen des Provisionsanspruches enthalten kann. Dementsprechend verweist zum Beispiel auch die BaFin darauf, dass aus der Sicht der erlaubnispflichtigen Vermittler oder Produktgeber die Zusammenarbeit mit Tippgebern am besten in einer konkreten Vereinbarung niedergelegt sein sollte, die auch deutlich die Limitierungen der Tippgeberfunktion für beide Seiten klarstellt. Besondere Vorsicht ist dabei auch für die manchmal in der Praxis anzutreffenden „gemischten Lösungen“ geboten. Wenn etwa die Weitergabe des Kontaktes als Tippgeber in einer Vereinbarung mit demselben Vertragspartner geschlossen wird, für den man zugleich dann aufgrund weiterer Dienstleistungsvereinbarungen wiederum im Rahmen des dortigen Vermittlungsvorgangs die Kundendaten bearbeitet, prüft oder gar bewertet, mag dies den erhöhten internen Provisionsanteil rechtfertigen; dass Überschreiten der Tippgeberrolle aus der Gesamtschau aller Tätigkeiten heraus ist dann aber schon vorprogrammiert.
2.3. Gestaltung der Zusammenarbeit mit „internen“ Erlaubnisträgern
Dasselbe gilt erst recht dann, wenn sich die Zusammenarbeit mit dem echten Vermittler oder Produktgeber zu einer laufenden Geschäftsbeziehung verfestigt. Der Tippgeber wird dann nur allzu leicht zum „Kooperationspartner“ des eigentlichen Vermittlers mit entsprechender Erlaubnis. Dies führt gerade bei guter Zusammenarbeit dazu, dass sich die Grenzen zwischen der bloßen Weitergabe des Kontakts und der inhaltlichen Befassung verwischen. Erst recht gilt dies dann, wenn zum Beispiel bei mehreren Vermittlern mit unterschiedlichen Erlaubnissen die Kunden jeweils im Hinblick auf das „andere“ Segment an den kooperierenden Erlaubnisträger weitergegeben werden, oft sogar über Kreuz. Das verständliche Bestreben, doppelte Basistätigkeiten wie die Ermittlung von Kundenwünschen, Anlageerfahrungen und Präferenzen zu vermeiden, sich in der inhaltlichen Arbeit zu ergänzen und gegenüber dem Kunden gegebenenfalls als „Kompetenzteam“ zu erscheinen, darf nicht dazu führen, dass dieser letztlich beide Beteiligten als „Einheit“ wahrnimmt. Denn dann würde sich die Tätigkeit des jeweils nicht mit der erforderlichen Erlaubnis ausgestatteten Beteiligten doch zugleich als inhaltliche Mitwirkung des jeweils anderen Erlaubnisträgers darstellen. Hier liegt der Teufel oft im Detail. Selbst bei an sich „harmlosen“ Grunddaten sind zum Beispiel die Anforderungen des Datenschutzes für die Weitergabe zu beachten; bei der Formulierung einer internen Vereinbarung ist zum Beispiel darauf zu achten, dass der jeweilige Tippgeber für den Bereich, in dem er auf seine Tippgeberrolle beschränkt ist, konstruktiv eigentlich keinen Kundenschutz verlangen kann, da er ja definitionsgemäß nicht mehr tun darf, als die Kontaktdaten weiterzuleiten. Solche – gegebenenfalls gegenseitigen – Schutzvereinbarungen dürfen sich also stets nur auf solche Bereiche beziehen, in denen tatsächlich auch eine substanzielle Vermittlungsleistung erfolgen darf und dementsprechend echte „Kunden“ vorliegen.
Das Gleiche gilt schließlich dann, wenn innerhalb einer Vertriebsorganisation, welche gegebenenfalls selbst über umfassende Erlaubnisse verfügt, unterschiedliche Mitarbeiter nur für bestimmte Produktkategorien tätig sind und auch nur hierfür die entsprechende Erlaubnis haben. Dies ist grundsätzlich zulässig, es bedarf aber sorgfältiger Gestaltung. Insbesondere dann, wenn die Vertriebsmitarbeiter mit nur auf bestimmte Produktsparten bezogene Erlaubnis die entsprechenden Kunden „als Tippgeber“ an andere Mitarbeiter des gleichen Hauses weitergeben sollen, ist trotz der Einheitlichkeit des Gesamtauftritts auf eine klare Abgrenzung der inhaltlichen Tätigkeiten zu achten und das Gesamtbild einer insoweit defusen „Gesamtbetreuung“ durch alle Beteiligte zu vermeiden, mag auch der umfängliche Betreuungsansatz für die Gesamtorganisation als solche wichtig sein.
3. Rechtsfolgen bei Überschreiten des Tippgeber-Status
3.1. Aufsichtsrechtliche Rechtsfolgen
Wer als lediglich vermeintlicher Tippgeber seine Rolle überschreitet, ohne die entsprechende Erlaubnis zur Verfügung, handelt rechtswidrig. Die zuständige Behörde hat insbesondere bei Verdachtsmomenten umfängliche Eingriffs- und Informationsbefugnisse und kann Sanktionen bis hin zur Untersagung der Tätigkeit und zur Verhängung eines Bußgeldes aussprechen. Darüber hinaus kann bei beharrlichen Verstößen gegen die Beschränkung der Tippgeber-Rolle in einem Bereich, für den nicht die hinreichende Erlaubnis vorliegt, zugleich auch die gewerberechtliche Zuverlässigkeit für andere Bereiche in Frage stehen, obwohl dort an sich alle Voraussetzungen erfüllt werden. Gerade bei beharrlichen Verstößen kann es somit zu einer Infektion der gesamten gewerblichen Tätigkeit kommen.
Darüber hinaus sind auch in der Zusammenarbeit mit bestimmten anderen erlaubnispflichtigen Tätigkeiten Restriktionen zu beachten, wie sie zum Beispiel zum Teil für die Honorarberatung gelten. Schließlich gibt es auch für den „Tippnehmer“ Gefahren für seine eigene Erlaubnis. So dürfen zum Beispiel Finanzanlagenvermittler nach § 34f generell keine Personen beschäftigen, denen es an der erforderlichen Sachkunde und Zuverlässigkeit mangelt. Wer hier systematisch mit selbstständigen oder unselbstständigen „Tippgebern“ arbeitet, deren Tätigkeit aber in den inhaltlichen Vermittlungsprozess hineinreicht, hat auch selbst mit verschärften Überprüfungen und gegebenenfalls den schon angesprochenen aufsichtsrechtlichen Sanktionen zu rechen.
3.2. Zivilrechtliche/haftungsrechtliche Rechtsfolgen
Zivilrechtlich steht bei einem „Out-of-Area-Einsatz“ des Tippgebers sicher das Haftungsrisiko an oberster Stelle. Eine tatsächliche Vermittlungsleistung, die ohne die entsprechende Zulassung erfolgt, führt automatisch zur zivilrechtlichen Haftung. Der Vortrag, dass der betreffende „Tippgeber“ ohne eine entsprechende Zulassung inhaltlich am Vermittlungsprozess mitgewirkt habe, genügt für eine Verurteilung im Zivilrechtstreit, ohne dass es noch auf inhaltliche Fragen der Risikoaufklärung, der anlegergerechten Beratung oder der Plausibilitätsprüfung der Anlage ankäme.
Zugleich ist auch der Versicherungsschutz gefährdet, da ja in diesen Fällen im Regelfall gerade nicht für die in Rede stehende Vermittlungsleistung eingedeckt wird und über dies nach den Versicherungsbedingungen im Regelfall gerade auch die entsprechende Erlaubnis für die entsprechende Produktkategorie zur Voraussetzung für den Versicherungsschutz gemacht wird.
Weitere zivilrechtliche Risiken sind dann beinahe nur noch Nebenaspekte. Diese können bis hin zum Verlust (auch) des Provisionsanspruches für die Tippgeberprovision führen, aber auch Wettbewerbsverstöße betreffen. So hat zum Beispiel schon eine bekannte Handelskette im berühmten „Tchibo-Fall“ in 2013 erfahren müssen, dass das Angebot von Versicherungen und Finanzdienstleistungen wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Bußgelder auslösen kann, wenn die erforderlichen Erlaubnisse nicht vorliegen.
Auch insofern können über dies die entsprechenden Risiken ebenso den jeweiligen Vertriebspartner betreffen, wenn er bewusst Tippgeber unter Überschreitung ihrer beschränkten Rolle einsetzt. Er haftet dann gegebenenfalls für deren Verschulden beziehungsweise sein eigenes, welches sich gerade durch die bewusste Nutzung einer derartigen „Umgehungsstruktur“ manifestieren kann.
4. Steuerliche Folgen
Der Tippgeber-Status und auch der Einsatz von Tippgebern in größeren Vertriebsorganisationen hat darüber hinaus aber noch eine umsatzsteuerliche Implikation, die oft übersehen wird. Vermittlungsleistungen im Hinblick auf die ganz überwiegende Anzahl von Kapitalanlagen sind gemäß dem Katalog in § 4 Nr. 8 UStG umsatzsteuerbefreit, ebenso die Kreditvermittlung. Gemäß § 4 Nr. 11 UStG gilt dasselbe für Bausparkassenvertreter, Versicherungsvertreter und Versicherungsmakler. Grundsätzlich muss danach der Vermittler das Erforderliche tun, damit zwei Parteien einen Vertrag schließen. Insbesondere im Zusammenhang mit mehrstufigen Vertriebssystemen hat der BFH nach anfänglich recht enger Definition entschieden, dass es auch ausreichen kann, wenn der betreffende Vermittler zumindest substanziell am Vermittlungsprozess beteiligt ist, auch wenn er nichtnotwendigerweise alle dabei in Betracht kommenden Teilaspekte selbst bearbeitet. Nicht ausreichend sind aber bloße Informationen über Kontakte, die Weitergabe von Informationen oder rein administrative Tätigkeiten. Diese steuerlichen Anforderungen stehen in einem offensichtlichen Zusammenhang mit den oben angesprochenen inhaltlichen Begrenzungen der Tätigkeit des Tippgebers. Ein „echter“ Tippgeber in diesem Sinne darf gerade keine substanziellen Tätigkeiten im Zusammenhang mit den vermittelten Kapitalanlagen oder sonstigen Produkten entfalten. Damit ist genau genommen die Tätigkeit des Tippgebers stets umsatzsteuerpflichtig, auch wenn sie sich auf Produkte bezieht, bei denen „an sich“ die Vermittlung umsatzsteuerbefreit ist.
Dem wird oft in der Praxis entgegengehalten, dass (auch) der Tippgeber wie der echte Vermittler eine umsatzabhängige Provision erhalte, die einen erfolgreichen Vertragsabschluss voraussetzt. Die Ähnlichkeit des Vergütungssystems und die Einbindung in die gemeinsame Provisionssystematik kann jedoch die fehlende inhaltliche Tätigkeit entsprechend den Vorgaben des Umsatzsteuergesetzes nicht „überspielen“, mag dies auch in der Praxis noch oft unbeanstandet bleiben und mangels näherer Prüfung nicht von den Finanzämtern aufgegriffen werden. Es sind aber durchaus vermehrt Betriebsprüfungen bekannt geworden, in denen dieser Aspekt aufgegriffen wird und dann zu Diskussionen führt. Zunächst bedeutet dies für den entsprechenden Tippgeber, dass er auf seine Leistungen gegebenenfalls zusätzlich Umsatzsteuer an das Finanzamt abführen muss. In Extremfällen könnte man sogar an Umsatzsteuerhinterziehung denken, die aber einen entsprechenden Vorsatz voraussetzt. Bislang waren die Finanzämter hier oft – zu Recht – zurückhaltend; die interne Anweisungslage ist hier aber in der letzten Zeit verschärft worden, sodass neben der Nachforderung vermehrt auch Steuerstrafverfahren zumindest eingeleitet werden, auch wenn sie dann oft – gegen Geldauflagen – wieder eingestellt werden. Dies wird unterstützt durch eine steuerstrafrechtliche Rechtsprechung, die auch bei Zweifelsfragen vom Steuerpflichtigen immer stärker fordert, dass er sich fachkundig beraten lässt und in Zweifelsfragen nicht einfach die für ihn günstigere Auslegung wählt.
Die weitere wirtschaftliche Frage für den betroffenen Tippgeber ist dann, ob er – gegebenenfalls über viele Jahre rückwirkend – noch die entsprechende Umsatzsteuer von seinem Provisionsgeber nacherheben kann. Formell bedingt dies eine Rechnungsberichtigung, materiell ist dies eine Frage der zwischen beiden Seiten getroffenen Provisionsvereinbarungen. Gerade dort entsteht aber oft für die übergeordneten Vertriebe beziehungsweise echten Vermittler ein wirtschaftliches Problem. Da sie ihrerseits – weil sie als solche durchaus insoweit umsatzsteuerbefreite Vermittlungsleistungen erbringen – selbst keine umsatzsteuerpflichtigen Umsätze erbringen, können sie die insoweit anfallende Umsatzsteuer aus den von ihnen gezahlten Tippgeberprovisionen nicht als Vorsteuer abziehen. Die zunächst unerkannte Umsatzsteuerpflicht der Tippgeber-Provisionen wird also zu einer echten Mehrbelastung und damit Ergebnisschmälerung für den Provisionsgeber, wenn er sie (nach)zahlt. Es liegt auf der Hand, dass bei nicht eindeutiger Vertragslage im Nachhinein die Neigung gering ist, gegenüber dem Tippgeber freiwillig die bereits abgerechnete (Unter-)Provision um die Umsatzsteuer zu erhöhen.
Beide Seiten sollten daher auch diesen Aspekt gegebenenfalls mit fachkundiger Hilfe vorab klären und dementsprechend eindeutige Vereinbarungen treffen; im Nachhinein ist der Aufwand nicht nur größer, sondern auch ein Konsens zur gemeinsamen Vorgehensweise oft schwieriger zu finden.
Dieser Artikel von Prof. Dr. Thomas Zacher, Rechtsanwalt in der Kanzlei Rechtsanwälte Zacher & Partner, erschien in „PROBERATER 2020“.