Haftung für Produktschulungen gegenüber dem Anleger

Oliver Renner

1. Einleitung

Die Haftung für Produktschulungen gegenüber Anlegern - konkret von Schulungs- und Vertriebsleitern von Kapitalanlagen wegen falschen Auskünften und/oder Gutachten sowie fehlerhafter Schulungs- und Vertriebsunterlagen gegenüber Anlegern von Kapitalanlagen gerichtet auf Schadensersatz - war bereits Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen. Vor dem Hintergrund der zum Schutze des Verbrauchers im Zusammenhang mit den Änderungen MiFID II könnte diese Haftung vermehrt in den Fokus rücken. Grund hierfür ist, dass die Aufklärung des Anlegers weg vom point of sale hin zum Emittenten sich vorverlagert hat. Dies zeigt sich beispielsweise darin, dass Produktanbieter bereits anzugeben haben, für welche Kundenkategorie sowie welches Anlageziel das angebotene Kapitalanlageprodukt geeignet ist. Durch die Prospektprüfung hat zudem nicht mehr nur eine formale, sondern nunmehr auch eine inhaltliche Prüfung auf Kohärenz stattzufinden. Die Kompetenzen der BaFin wurden erweitert.

2. Rechtsprechung

Nachfolgend wird eine Auswahl von bislang ergangener Rechtsprechung dargestellt, die eine Haftung bei jeweils unterschiedlichem Sachverhalt bejahte:

2.1. Überprüfungsverfahren der BaFin

Nach einem Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart handelt ein Geschäftsführer eines Treuhandkommanditisten sittenwidrig und macht sich den Anlegern nach § 826 BGB schadensersatzpflichtig, wenn er es unterlässt bei einem Beitritt zu einer Vermögensfondsgesellschaft den Kapitalanleger darüber aufzuklären, dass die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht gegen das Beteiligungsunternehmen ein Überprüfungsverfahren wegen des Verdachts unerlaubter Bankgeschäfte eingeleitet hat (OLG Stuttgart, Urteil vom 30. Dezember 2008 – 19 U 94/08 –). Überprüfungsverfahren der BaFin sind daher auch im Rahmen von Schulungsveranstaltungen zu beachten. Allerdings konkretisiert nachfolgend der Bundesgerichtshof die Haftung, wobei hierzu der individuelle Sachverhalt zu beachten ist. Das bloße Unterlassen der Information allein reicht nicht aus, um eine Haftung begründen zu können. Allein die Kenntnis von einer noch entfernt liegenden Möglichkeit, dass die Geschäftstätigkeit gemäß § 37 KWG untersagt werden könnte und die Anleger hierdurch Schäden erleiden würden, genügt nach Auffassung des Bundesgerichtshofs nicht. Sittenwidriges Verhalten liegt nur dann vor, wenn trotz positiver Kenntnis von der Chancenlosigkeit der Anlage geschwiegen, also in Kenntnis des Umstands, dass eine Untersagung der Geschäftstätigkeit unmittelbar bevorstand (BGH, Urteil vom 19. Oktober 2010 – VI ZR 4/09 –). Hier ist also auf den Einzelfall zu achten. Wenn Kenntnis von Überprüfungsverfahren der BaFin gegeben sind, sollte daher in jedem Fall dies nicht ohne weitergehende Prüfung unerwähnt bleiben, da sich hierdurch gegebenenfalls Haftungen ergeben könnten.

2.2. Angaben zur Einlagensicherung ohne Kenntnis hierüber

Nach einem Urteil des OLG Celle haftet der Leiter einer Struktur eines Handelsvertretervertriebes den Anlegern aus § 826 BGB wegen Sittenwidrigkeit, wenn er - anstelle wahrheitsgemäßer Anweisung an die Vertreter, wonach sie erklären müssten, dass über die Art der Anlage der Gelder nichts bekannt sei - den Strukturmitarbeitern erklärt, die Anlageerfolge bei einer renommierten ausländischen Bank, die einem Einlagensicherungssystem angehöre und er damit rechnet, dass diese Aussage an die Anleger weitergegeben wird (OLG Celle, Urteil vom 15. Dezember 2005 – 11 U 107/05 –). Das sittenwidrige Verhalten wurde wie folgt begründet:

Dass ihm die Sittenwidrigkeit des Einwerbens und Einwerbenlassens von Geldern für ein nicht einmal im Ansatz umrissenes Anlagekonzept klar war, ergibt sich daraus, dass er Mitglieder seiner Struktur dahin schulte, dass die Anlagen in einem Sicherungssystem abgesichert sein würden, wobei ihm klar war, dass diese das an die Interessenten weitersagen würden, obwohl er tatsächlich derartige Erkenntnisse nicht hatte und über die gesellschaftsrechtlichen Grundlagen und die Entscheidungen der Gesellschaft (der S&D G. Plc) selbst als deren overseas director gar nichts wusste, über diese auch nicht informiert wurde und nicht einmal die geringsten Erkenntnisse darüber hatte, wie mit dem Anlagekapital die in Aussicht gestellte Rendite erwirtschaftet werden sollte und ob diese plausibel sein konnte. (OLG Celle, Urteil vom 15. Dezember 2005 – 11 U 107/05 –, Rn. 57). Von vollmundigen Erklärungen sollte man daher Abstand halten, wenn man diese nicht ohne gesicherte Grundlage und Kenntnis vornimmt. Wird dies im Nachhinein offenbar, dann ist einer Haftung Tür und Tor geöffnet.

2.3. Garantieversprechen

Eine Haftung für Empfehlungen auf Schulungsveranstaltungen kann sich nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs auch dadurch ergeben, wenn Anleger unabhängig vom Inhalt des Prospekts durch Täuschung zur Übernahme der Fondsbeteiligung bestimmt wurden.

Der Anleger hat hier einen Referenten auf einer Schulungsveranstaltung verklagt. Im Prozess hat der Anleger behauptet, der Referent habe auf Schulungsveranstaltungen den Vermittlern empfohlen, anlässlich von Verhandlungen über den Erwerb von Fondsanteilen gegenüber den Interessenten zu erklären, bei Scheitern des Fonds gewährleiste er persönlich die Erfüllung der Rückzahlungsansprüche der Anleger. In Befolgung dieses Hinweises habe dem Anleger gegenüber der Fondsvermittler bei Abschluss des Vertrages geäußert, der namentlich benannte Referent stehe persönlich für den Fonds ein. Im Vertrauen auf die Seriosität des Referenten habe der Anleger die Anlage dann gezeichnet. Tatsächlich habe der Referent seine Zusage von vornherein nicht einhalten wollen. Träfe dieser Vortrag zu, so der Bundesgerichtshof, so kam es dem Referenten darauf an, der V.-KG mit Hilfe seiner unrichtigen Erklärung einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen. Als Geschädigte, die Ersatz ihres negativen Interesses beanspruchen kann, ist der Anleger dann vom Referenten unter Ausgleich aller Vor- und Nachteile so zu stellen, wie der Anleger ohne die Täuschung gestanden hätte (BGH, Urteil vom 28. Februar 2005 – II ZR 13/03 –, Rn. 13 – 14). Anzuraten ist daher, von persönlichen Haftungs- oder Garantieerklärungen Abstand zu nehmen, wenn hierdurch beim Anleger der Eindruck entstehen könnte, dass der Referent auf Schulungsveranstaltungen hierfür persönlich geradestehen möchte, obwohl dies gar nicht gewollt ist. Dies schafft gegebenenfalls Vertriebs- und Kaufanreize, aber auch ein unüberschaubares Haftungsrisiko.

2.4. Verharmlosung von Risiken

Nach einem Urteil des OLG Hamm haftet der Betreiber eines Strukturvertriebs gegenüber Kapitalanlegern wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zum Schadensersatz, wenn er die für ihn tätigen Werber dahingehend schult, Risiken der Anlage (hier: „SecuRente“) gegenüber Anlageinteressenten zu verharmlosen oder gar nicht zur Sprache zu bringen (OLG Hamm, Urteil vom 25. Februar 2010 – I-28 U 78/09 –).

Aber auch für erstellte Leitfäden, anhand derer Vermittler handeln sollen, kann eine Haftung begründet werden. Wird bei der Vermittlung einer Kapitalanlage ein Leitfaden verwendet, mit dem ein Bild von der Anlage gezeichnet wird, das die nachfolgenden Risikohinweise entwertet oder jedenfalls mindert, und wird durch konkrete Angaben in dem Leitfaden maßgeblich zu einer falschen Beratung beigetragen und billigend in Kauf genommen, dass sich der Anleger, beeindruckt durch das Präsentationsgespräch, der Fehler und Widersprüchlichkeiten zwischen Leitfaden und Prospekt oder Beratungsprotokoll nicht bewusst wird und eine Anlage zeichnet, die er ohne die falschen und beschönigenden Angaben im Leitfaden nicht gezeichnet hätte, so haftet das den Leitfaden herausgebende Unternehmen dem Anlageinteressenten wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gemäß § 826 BGB auf den Zeichnungsschaden (OLG München, Urteil vom 29. April 2013 – 20 U 4151/12 –). Sowohl in Schulungsveranstaltungen als auch in schriftlichen Unterlagen sollten daher bestehende Risiken nicht nur nicht verschwiegen, sondern auch nicht verharmlosend dargestellt werden.

3. Sorgfaltsmaßstab?

Die oben dargestellten Entscheidungen sind sicherlich jeweils den individuellen Umständen des Einzelfalles geschuldet. Unklar ist bislang, welcher konkreten Sorgfaltsmaßstab anzulegen ist. Dies wird man pauschal schwer beantworten können, da es auch jeweils vom einzelnen Produkt und dessen Inhalt abhängt. Einen Leitfaden – für den der Unterzeichner aber ausdrücklich jede Haftung ablehnt – liefert gegebenenfalls eine Entscheidung des Landgerichts Heidelberg. Dort ging es konkret um die fehlerhafte Angabe eines Börseninformationsdienstes.

Zum Sorgfaltsmaßstab hierzu führt das Landgericht Heidelberg wie folgt aus: „Nach der Rechtsprechung der Obergerichte dürfen die Anforderungen an diese Sorgfaltspflicht nicht überspannt werden. Anlageempfehlungen für Wertpapiere enthalten insbesondere dann, wenn sie in kurzer Zeit erhebliche Gewinne versprechen, in aller Regel einen stark spekulativen Charakter. Auf diesen hat der Beklagte in seinen E-Mails und den Vertragsbedingungen (Nr. 1.2.) immer wieder deutlich hingewiesen. Der Kläger stellt auch nicht in Abrede, dass er sich des spekulativen Charakters der Investitionen durchaus bewusst war. Gerade der zeitliche Informationsvorsprung, den der Herausgeber eines derartigen Börsendienstes dem Abonnenten als Voraussetzung für eine rechtzeitige gewinnbringende Anlage verspricht, setzt der Überprüfung der Umstände, aus denen sich die Gewinnchancen ergeben sollen, zwangsläufig Grenzen. Vielfach wird auch der erfahrene Beobachter der Börse nur aus zunächst kaum merkbaren Anhaltspunkten Rückschlüsse auf eine etwa bevorstehende Kursanhebung ziehen können, ohne dass vorerst die Gründe für die Wertverbesserung offensichtlich wären. Es muss dabei in erster Linie seinem Gespür überlassen bleiben, ob er diese Anhaltspunkte als für eine Kaufempfehlung ausreichend erachtet. Der Beklagte hat daher unter Nr. 1.3. Abs. 2 seiner AGB darauf hingewiesen, dass keine Garantie für Aktualität, Richtigkeit, Angemessenheit und Vollständigkeit der zur Verfügung gestellten Informationen übernommen werde.

Das alles weiß auch ein Abonnent eines Börsendienstes. Das von ihm mit zu tragende Risiko gebietet es daher, dass nur eine ganz gewichtige Außerachtlassung der Sorgfaltspflicht bei der Abgabe von Anlageempfehlungen einen Schadensersatzanspruch unter dem Gesichtspunkt der positiven Vertragsverletzung rechtfertigen kann. Keinesfalls eröffnet jede schuldhafte Fehleinschätzung der in einem Wertpapier liegenden Entwicklungsmöglichkeiten dem Abonnenten, der diese Wertpapiere zum Kurswert - als einem wesentlichen Anhalt für ihren derzeitigen Wert - erworben hat, die Möglichkeit, sich auf diesem Wege bei einem Ausbleiben des erwarteten Gewinns oder künftig eintretenden Verlusten bei dem Empfehlenden schadlos zu halten. Andererseits hat der Börsendienst die Empfehlung so zu erstellen, wie er sie versprochen hat. Wer - wie der Beklagte - sorgfältig überprüfte Verdienstmöglichkeiten anzubieten verspricht, hat selbst Ermittlungen anzustellen und darf insbesondere nicht ungeprüft die Empfehlungen anderer übernehmen. Die Kammer geht dabei davon aus, dass der Anbieter des Börsendienstes jedenfalls die grundlegenden Kennzahlen des Unternehmens, das er empfehlen will, kennt und diese sorgfältig recherchiert hat. Der Beklagte hat hier selbst versprochen, dass er seine Informationen sorgfältig und gewissenhaft aus öffentlich zugänglichen Informationsquellen zusammenstelle. Zur Darstellung in den Anlageempfehlungen gehört daher als Minimum, dass die Vermögenslage des Unternehmens hinreichend geprüft und die gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse im Blick gehalten werden. Sind dort Besonderheiten vorhanden, die auf die Kaufentscheidung eines Anlegers entscheidenden Einfluss haben können, darf der Anbieter diese Informationen seinen Abonnenten nicht vorenthalten, wenn diese aus den öffentlichen Quellen ohne weiteres ersichtlich sind (vgl. BGH NJW 1978, 998). Stellt daher der Anbieter eine Aktie unter Verschweigen ungünstiger Faktoren deutlich als ungewöhnlich gewinnträchtig dar und hält er dadurch den Anleger von einer eigenen Prüfung der Umstände ab, liegt hierin eine Pflichtverletzung (LG Heidelberg, Urteil vom 05. Februar 2008 – 2 O 261/07 –, Rn. 83 – 89.

Dieser Artikel von Oliver Renner, Rechtsanwalt in der Kanzlei Wüterich Breucker, erschien in „PROBERATER 2020“.

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