BaFin veröffentlicht Fragen und Antworten zur EU-Offenlegungsverordnung
Ökologisch nachhaltige Finanzprodukte und EU-Taxonomie sind in aller Munde. Unklar ist aber vielfach, was für wen im Einzelfall zu tun ist. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hat deshalb am 5. September 2022 Fragen und Antworten zur EU-Taxonomie und der EU-Offenlegungsverordnung veröffentlicht. Darauf weist die auf Kapitalmarktrecht spezialisierte Kanzlei Gündel & Kollegen hin. Die in den Antworten enthaltene Rechtsauffassung legt die BaFin bis auf Weiteres ihrer Verwaltungspraxis zugrunde. Sie plant, die Liste der Fragen und Antworten fortlaufend zu erweitern.
Die seit dem 1. Januar 2022 geltende EU-Taxonomie-Verordnung schreibt Transparenz-Angaben für Finanzprodukte vor, die ökologische oder soziale Merkmale bewerben.
Für ein „Bewerben“ ist keine Werbung für ein Finanzprodukt beispielsweise in Form von Marketingmitteilungen oder Fernsehwerbung erforderlich – ausreichend ist zielgerichtetes „Fördern“, das nach außen kommuniziert wird. Dem Fördern können aktive oder passive Anlagestrategien zugrunde liegen. Bei einem reinen „Investiert sein“ in zum Beispiel (ökologisch) nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten liegt grundsätzlich noch kein „Fördern“ vor.
Es besteht keine Pflicht, jede einem Finanzprodukt zugrundeliegende Investition auf „Taxonomie-Konformität“ zu prüfen und entsprechende Daten zu sammeln. Vielmehr ist die Angabe der Taxonomie-Quote nur für Finanzprodukte Pflicht, die ökologische Merkmale bewerben. Dieser Ausweis kann nach Ansicht der BaFin aber auch regelmäßig den Wert „Null“ haben. Auch die Angabe („keine Daten erhoben“) ist grundsätzlich vertretbar.
Nicht für alle Bestandsverträge, deren Vertrieb vor dem Inkrafttreten der Offenlegungsverordnung am 10. März 2021 eingestellt wurde, gelten die Offenlegungspflichten (Art. 10, 11). Dies betrifft nur Bestandsverträge mit Angaben zur Nachhaltigkeitswirkung im Sinne von Art. 8 oder 9.
Entscheidend ist, ob in der Vertriebsphase Angaben zur Nachhaltigkeitswirkung gegenüber dem Kunden, zum Beispiel auf der Homepage, in Vertragsbedingungen, in vorvertraglichen Informationen oder mit klassischen Werbemitteln, getätigt wurden. Für diese Analyse müssten Finanzmarkt-teilnehmer die archivierten Unterlagen „verfügbar machen“, durchlesen und bestimmen beziehungsweise entscheiden, ob eventuelle damalige Angaben mit ESG-Bezug heute die Tatbestandsvoraussetzungen der Artikel 8 oder 9 Offenlegungsverordnung erfüllen. Wenn die Einstellung des Vertriebs mehr als zehn Jahre vor Inkrafttreten zurückliegt, genügen pauschalierte Annahmen.
Bei Finanzprodukten, die nicht mehr vertrieben werden, bestehen keine vorvertraglichen Offenlegungspflichten nach der Offenlegungsverordnung (unbeschadet anderer Rechtsvorschriften). Denn es besteht keine vorvertragliche Aufklärungssituation mehr, in der (aktualisierte) vorvertragliche Nachhaltigkeitsangaben den potenziellen Endanleger erreichen.
Finanzanlagenvermittler gemäß § 34f Absatz 1 Gewerbeordnung sind nicht Adressat der Offenlegungsverordnung. Denn sie sind kein Finanzdienstleistungsinstitut und auch kein Wertpapierdienstleistungsunternehmen beziehungsweise keine Wertpapierfirma, weil sie innerhalb der Bereichsausnahme des § 2 Absatz 6 Satz 1 Nummer 8 Kreditwesengesetz tätig sein müssen.
Die Gündel & Kollegen Rechtsanwaltsgesellschaft mbH mit Sitz in Göttingen ist auf den Bereich des Kapitalmarktrechts spezialisiert.