Die Marktentwicklungen haben zuletzt schon fast surreale Züge angenommen

Bernhard Matthes
Bernhard Matthes

Die Renditen von Staatsanleihen vieler Länder haben neue Allzeittiefs erreicht, das Volumen von Anleihen mit Negativverzinsung ist auf einen Rekordstand gestiegen und die Marktteilnehmer erwarten eine mögliche Leitzinssenkung der Europäischen Zentralbank (EZB). Im Gespräch mit DFPA kommentiert Bernhard Matthes von der Bank für Kirche und Caritas (BKC) die aktuellen Marktentwicklungen und blickt voraus auf das zweite Halbjahr 2019.

DFPA: In Ihrem aktuellen Quartalsrückblick attestieren Sie der Marktentwicklung „fast surreale Züge“. Wie kommen Sie zu dieser Beurteilung?

Matthes: Die weitgehende Abschaffung zinstragender Anlagemöglichkeiten ist in vollem Gange. Die Inflationserwartungen in der Eurozone markierten einen neuen Tiefststand von 1,14 Prozent. Bundesanleihen mit zehnjähriger Restlaufzeit fielen ebenfalls auf ein neues historisches Renditetief von minus 0,39 Prozent. Die Rendite zehnjähriger US-Treasuries sank unter die Zwei-Prozent-Marke, in Dänemark handelt die komplette Staatsanleihen-Zinsstrukturkurve bis einschließlich 2039 mit negativer Rendite. Auf diesem bereits schon extrem niedrigen Zinsniveau drohen inzwischen aber neue Markteingriffe der Notenbanken. Konnte man um den Jahreswechsel noch berechtigte Hoffnungen auf eine Phase interventionsfreierer Kapitalmärkte und eine Rückkehr zu marktwirtschaftlicherer Preisbildung haben, zeichnen sich nun Zinssenkungen und sogar mögliche Wiederaufnahmen der EZB-Ankaufprogramme ab.

DFPA: Die anstehenden personellen Veränderungen an der Spitze der EZB deuten nicht auf das von vielen Anlegern erhoffte Ende der Niedrig- beziehungsweise Negativzinspolitik hin. Wie bewerten Sie diese Entwicklung?

Matthes: Es fällt schwer, historische Marktphasen zu identifizieren, in denen sich Zinserhöhungserwartungen so rasch und dynamisch in Zinssenkungserwartungen umgekehrt haben, wie es in den letzten Monaten der Fall war. Mit der Nominierung von Christine Lagarde als Nachfolgerin von Mario Draghi an der Spitze der EZB wurde eine unverkennbar politisch motivierte Besetzung gefunden. Die künftige Ausrichtung der EZB-Politik wird die geldpolitischen Interessen Frankreichs und der südlichen Schuldenstaaten vermutlich noch willfähriger als bislang zu bedienen wissen. Die zu befürchtende Fortsetzung oder gar Ausweitung der ultralockeren Geldpolitik verstärkt Fehlanreize und die Fehlallokation von Kapital. Als fiskalpolitischer Erfüllungsgehilfe für Begehrlichkeiten in den Länderhaushalten einiger Mitgliedsstaaten läuft die EZB Gefahr, weiter an Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit zu verlieren.

DFPA: Das Szenario „japanischer Verhältnisse“ in der Eurozone wird viel diskutiert. Was ist Ihre Einschätzung dazu?

Matthes: Die Feierlaune der Märkte in Erwartung neuer Quantitative-Easing- und Zinssenkungsrunden mutet bizarr an. Sowohl die Erfahrung Japans als auch die vergangenen 20 Jahre in der westlichen Welt lehren, dass eine über die Erfordernisse hinaus gelockerte Geldpolitik weder Wohlstand noch Wachstum generieren kann, noch in der Lage ist, die der Wachstumsschwäche und der niedrigen Inflationserwartungen zugrunde liegenden Probleme zu adressieren. Die geldpolitischen Rezepte der letzten Jahre stoßen an Grenzen. Gelddrucken und Negativzinsen lösen keine Probleme, sie schaffen lediglich neue und größere Kapitalmarktblasen und erhöhen die Kosten, die mit einer schlussendlich doch irgendwann nötigen Normalisierung beziehungsweise Rückführung der Notstandsmaßnahmen einhergehen.

DFPA: Wie geht es in der zweiten Jahreshälfte weiter?

Matthes: Als Ausblick auf die zweite Jahreshälfte ist es sicherlich nicht unrealistisch anzunehmen, dass die positive Grundstimmung noch weiter tragen kann. Mit der aktuell vorherrschenden geldpolitischen Euphorie scheinen viele Marktteilnehmer aber die unverändert präsenten Risiken aus dem Blick zu verlieren. Es besteht kein Anlass, die Defensive vom Feld zu schicken, beachtet man konjunkturelle Unsicherheiten, den ungeklärten Fortgang der Handelskonflikte, die Verschuldungsdynamik in vielen Bereichen und vor allem die sehr ambitionierten und damit korrekturanfälligen Bewertungen nahezu aller Anlageklassen.

DFPA: Wie agieren Sie in diesem Marktumfeld?

Matthes: Wir halten an unserem Grundprinzip fest, keine Anleihen mit negativer Realrendite zu erwerben. Gleichzeitig lassen wir keine weitreichenden Kompromisse bei den Mindestqualitätsstandards unserer Anleiheengagements zu. Die Durchschnittsbonität des Rentenportfolios liegt daher seit mehr als drei Jahren stabil bei „BBB+“. Wir investieren unverändert nicht in Staats- und Bankenrisiken der südeuropäischen Peripherieländer. Die Selektion im Anleihebereich erfordert aktuell noch größere Anstrengungen, um dem Anspruch einer akzeptablen laufenden Rendite noch gerecht werden zu können. Intelligentes Bond-Picking und gezielte Umpositionierungen auf einzelnen Emittentenkurven können dabei noch Wertbeiträge erzielen. Bei Aktien setzen wir konsequent auf unsere Value-Disziplin mit dem Fokus auf verlässliche Dividendenzahlungen. Edelmetalle bleiben ein wichtiger Baustein und hatten zuletzt auch einen wesentlichen Beitrag zum Quartalsergebnis. Entsprechend unseres Anspruchs, das „BKC Treuhand Portfolio“ als Allwetterfonds, nicht als bloßen Schönwetterfonds, zu managen, verbleiben eine Reihe defensiver Elemente und Sicherungsinstrumente im Portfolio. Diese haben in Zeiten großer Euphorie natürlich eine Bremswirkung, können aber in volatileren Marktphasen die Abwärtspartizipation deutlich reduzieren.

DFPA: Wie beeinflusst die aktuelle Niedrigzinspolitik der Notenbanken die Strukturierung von Stiftungsvermögen?

Matthes: Ein Großteil der fast 23.000 rechtsfähigen Stiftungen des bürgerlichen Rechts in Deutschland befindet sich – nicht zuletzt wegen der Niedrig- und Nullzinspolitik der Notenbanken – in einer unverschuldet schwierigen finanziellen Lage. Aus unseren Gesprächen mit Stiftungen wissen wir, dass Zweckverwirklichung und wichtige Projekte vor Ort inzwischen schon spürbaren Einschränkungen unterliegen, weil die Mittelerwirtschaftung schlicht nicht mehr ausreicht, um auf dem Niveau der Vergangenheit weiterfördern zu können. Diese direkten Kosten der Geldpolitik, unter der soziale und gemeinnützige Initiativen leiden, kommen mir in der öffentlichen Diskussion viel zu kurz. Mehr denn je kommt es darauf an, dass Stiftungen die Vermögen, die sie treuhänderisch verwalten, intelligent strukturieren. Hier kann es – und zu diesem Schluss kommt der Stiftungs-Branchendienstes „RenditeWerk“ – für Stiftungen mit geringerem Grundkapital effektiv und aus Kostengründen sinnvoll sein, in einen bestehenden Stiftungsfonds zu investieren. Laut „RenditeWerk“ sind aktuell nur 15 Fonds „zur Alleinanlage des Stiftungsvermögens geeignet“. Dazu gehört auch unser „BKC Treuhand Portfolio“, ein ethisch-nachhaltiger Multi-Asset-Fonds mit einem 5-Sterne-Rating des Analysehauses Morningstar. Wir haben unser Ziel, langfristig Kapital zu erhalten und regelmäßige, stabile Ausschüttungen zu gewährleisten, in der Vergangenheit erreicht, wie die Perfomanceentwicklung belegt. Insgesamt erzielten wir einen Gesamtertrag von 37,5 Prozent seit Fondsauflage und liegen bei einer jährlichen Rendite von 3,5 Prozent.

Bernhard Matthes ist Bereichsleiter Portfoliomanagement bei der Bank für Kirche und Caritas (BKC) und Manager des Stiftungsfonds „BKC Treuhand Portfolio“. Die 1972 gegründete BKC mit Sitz in Paderborn ist eine Genossenschaftsbank für Kirchengemeinden, kirchlich-caritative Einrichtungen sowie deren hauptamtliche Mitarbeiter.

www.bkc-paderborn.de

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