Hamburg auf dem Weg zur etwas anderen "Smart City"
Die Freie und Hansestadt Hamburg rechnet sich gute Chancen aus, die SDG 2030 knapp zu erreichen – zumindest bei der Mobilitätswende. Im Gespräch mit EXXECNEWS INSTITUTIONAL erläutert Anjes Tjarks, Senator für Verkehr und Mobilitätswende in Hamburg, die Pläne und seine persönliche Vision einer nachhaltigen Hansestadt.
Als seine ganz persönliche Mobilitätswende bezeichnet Tjarks seinen Wunsch nach weniger Autos, die fahren und weniger Autos insgesamt. Außerdem benötigt es dazu seiner Meinung nach eine – für ihn unvermeidliche – Antriebswende: Weg von Verbrennern, hin zu Elektromobilität. Dabei hat der Senator neben dem Individualverkehr vor allem den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) im Fokus.
Der Senator setzt auf eine generelle Antriebswende, weg vom Verbrenner. Bei PKW ist der Elektroantrieb für ihn alternativlos. Für LKW sieht er durchaus auch den Wasserstoff als Antriebszukunft. Wer nun aber denkt, dass in diesem Zusammenhang vor allem mehr E-Busse und ausgebaute Fahrradwege für Hamburg gemeint sind, der irrt. Für Tjarks ist das Thema wesentlich komplexer. Und genau daraus zieht er seine Begeisterung für seine Aufgabe.
Bei dieser im Gespräch auch deutlich gewordenen Komplexität kann es helfen, wenn wir zur Orientierung einen kurzen Blick auf das große Ganze werfen: Das Ressort eines Senators für Verkehr und Mobilitätswende betrifft insbesondere das Sustainable Development Goal (SDG) 11 - „Nachhaltige Städte und Gemeinden“. Dieses zielt darauf ab, Städte inklusiv, sicher, widerstandsfähig und nachhaltig zu gestalten. Im Rahmen von SDG 11 ist insbesondere ein Unterziel für Tjarks und seine Mitarbeitenden relevant: Bis 2030 den Zugang zu sicheren, bezahlbaren, zugänglichen und nachhaltigen Verkehrssystemen für alle ermöglichen und die Sicherheit im Straßenverkehr verbessern, insbesondere durch den Ausbau des öffentlichen Verkehrs, mit besonderem Augenmerk auf den Bedürfnissen von Menschen in prekären Situationen, Frauen, Kindern, Menschen mit Behinderungen und älteren Menschen“ (Zitat Webseite BMZ).
Stärkung alternativer Verkehrsmittel
Aber der Reihe nach: „Ich wünsche mir weniger Autos, da sie besonders im städtischen Verkehrsraum viel Platz einnehmen und im Schnitt 23 Stunden am Tag nicht bewegt werden“, so Tjarks. Das geht unter anderem nur über die Verbesserung von Infrastruktur und Angebot alternativer Verkehrsmittel. Dafür investiert die Stadt ab 2027 eine Milliarde Euro pro Jahr.
Hamburg hat zum Beispiel gerade den ÖPNV für Schüler kostenlos gemacht. „Ich freue mich sehr, dass wir über 210.000 Kindern und Jugendlichen in Hamburg ein größeres und attraktiveres Mobilitätsangebot machen können. Das kostenlose Ticket bedeutet für viele Familien hier eine finanzielle Entlastung.“
In Bereich Infrastrukturausbau fallen Maßnahmen wie die neue U-Bahn-Linie. Die U5 wird auf einer 25 Kilometer langen Strecke quer durch die Stadt führen. 270.000 Menschen werden die Linie nach Fertigstellung täglich nutzen. Insgesamt plant die Stadt bis 2040 die Realisierung von 36 neuen U- und S-Bahnhöfen. Haltestellen von Bus und Bahn sollen mit einer Digitalstrategie zu so genannten Multihaltestellen werden: Bessere Auffindbarkeit, bessere Fahrtenplanung für kürzere Aufenthalte, behindertengerechter Ausbau inklusive. Insgesamt sieht der Senator seine Stadt gut aufgestellt: „Ich bin zuversichtlich, dass wir den angestrebten Ausbau im Bereich Infrastruktur zu 98 Prozent im Jahr 2030 schaffen werden“.
Autonomes Fahren „on demand“
Doch für das Gelingen dieser Digitalstrategie spielt für Tjarks eine weitere Entwicklung eine wichtige Rolle: Der Ausbau des autonomen Fahrens. Hier geht es um mehr als nur die Lösung des Personalmangels. Neben dem Test für den Einsatz im Linienverkehr sieht Tjarks hier noch eine andere Chance zur Mobilitätswende, nämlich das autonome Fahren „on demand“. Zehn solcher Fahrzeuge vom Typ VW-Bus sind aktuell schon im Hamburger Stadtverkehr unterwegs. Da der Verkehrsfluss in Hamburg stark vom grundlegenden Konzept der Stadtteile beeinflusst wird, sind solche zusätzlichen Angebote für eine Beförderung im lokalen Umfeld besonders interessant.
Und für die kurzen Wege will Tjarks die Attraktivität Hamburgs als fahrradfreundliche Stadt weiter steigern. „Mit einem E-Bike fahren die Menschen im Schnitt acht Kilometer“, weiß Tjarks. Dies soll durch neue und modernisierte Radwege unterstützt werden. Dafür hat Hamburg eine Radfahrer-Heatmap, damit zunächst dort neue Fahrradwege gebaut werden, wo sie am notwendigsten sind. Darüber hinaus ist Hamburg auch bundeslandübergreifend in insgesamt vier Radschnellwege eingebunden, die Hamburg mit dem Süden Schleswig-Holsteins verbinden sollen.
Zu guter Letzt will Tjarks für den Fußverkehr die Aufenthaltsqualität steigern. Mehr Grün, mehr interessante, sehenswerte Punkte und eine bessere Einbindung von zusätzlichen Transportangeboten, die in Kombination die Beweglichkeit in der Stadt leichter und bequemer machen. Alle Maßnahmen zahlen für Tjarks auf ein großes Ziel ein: „Eine attraktive, lebendige und autoarme Innenstadt“.
Finanzierung auch mit Green Bond
Die Emission eines Green Bond der Hamburger Hochbahn 2021 ist ein wesentlicher Baustein für die Finanzierung dieser Vorhaben. Als erstes deutsches Verkehrsunternehmen beschaffte sich die Hochbahn auf diesem Weg rund 500 Millionen Euro auf dem „grünen“ Kapitalmarkt von institutionellen Anlegern. Die Anleihe war mehr als sechsfach überzeichnet. Sie hat eine Laufzeit von zehn Jahren und eine Rendite von 0,231 Prozent (Mid-Swap plus 27 Basispunkte). Die Platzierung erfolgte am Börsenplatz Luxemburg. Tjarks, der auch Aufsichtsratsvorsitzender der Hochbahn ist, sagte dazu: „Wir wollen Hamburgs Busse und Bahnen bis 2030 klimaneutral machen und die Mobilitätswende weiter vorantreiben. Für beides brauchen wir kräftige Investitionen. Hier werden die 500 Millionen Euro über die Unternehmensanleihe der Hochbahn einen sehr wesentlichen Beitrag leisten.“ Die Anleihe der Hochbahn wurde inzwischen vom Center for international Climate Research (Cicero) und der Rating-Agentur S&P Global als „Dark Green Bond“ klassifiziert.
Und was wünscht sich Tjarks über Hamburgs Stadtgrenzen hinaus? „Wir sollten Verkehrsprojekte besser als Verbindungselemente in der Gesamtstadt- und Klimaschutzplanung begreifen“, so Tjarks. Ganz praktisch sieht er hier vor allem Bedarf an einem „verbesserten europaweitem Bahnsystem“. Grundsätzlich sollten Staaten diesen Weg ohne privates Kapital alleine schaffen. Aber eine konkrete Einladung an Investoren hat der Senator: „Investieren Sie in die Entwicklung von Technologien, die die Mobilitätswende und den Klimaschutz voranbringen“. Und bei der Erprobung sieht Tjarks dann auch die öffentliche Hand wieder als strategischen Partner. (abg)
Der Beitrag ist zuerst in EXXECNEWS INSTITUTIONAL ENI 06 erschienen.
Dr. Anjes Tjarks ist Senator und Präses der Behörde für Verkehr und Mobilitätswende der Freien und Hansestadt Hamburg. Er ist Mitglied von Bündnis 90/Die Grünen.