Schwellenländeranleihen auf Erholungskurs?

Alejandro Arevalo
Alejandro Arevalo

Weltweit kämpfen Volkswirtschaften mit den Auswirkungen der Corona-Pandemie, die insbesondere mit Blick auf die Schwellenländer für zahlreiche negative Schlagzeilen gesorgt hat. Doch häufig werden Schwellenländer fälschlicherweise als homogenes Anlageuniversum betrachtet. Zu diesem Missverständnis hat DFPA Fondsmanager Alejandro Arevalo (Jupiter Asset Management) befragt. Er erklärt zudem, wo er derzeit die attraktivsten Anlagechancen sieht.

DFPA: Wären Anleger angesichts der makroökonomischen Situation gut beraten, bei Anlagen in Schwellenländer mehr Vorsicht walten zu lassen?

Arevalo: Schwellenländer werden oft zu Unrecht als homogenes Anlageuniversum betrachtet. Diese Betrachtungsweise basiert auf der Illusion, dass alle Volkswirtschaften im gleichen Boot sitzen und von ähnlichen Treibern bestimmt werden. Die Wirklichkeit sieht anders aus: Unser Anlageuniversum besteht aus über 70 Ländern und bietet eine breite Diversifikation. So sind etwa einige Länder in Lateinamerika und im Nahen Osten massiv von den Rohstoffpreisen abhängig, während andere aufgrund ihrer Rolle als Importeure von niedrigeren Rohstoffpreisen profitieren. Sinkende Ölpreise sind beispielsweise eine gute Nachricht für Indien, Indonesien und die Türkei.

Was die Fiskalpolitik betrifft, ist das Problem einer steigenden Verschuldung nicht auf Schwellenländer beschränkt, es betrifft vielmehr die ganze Welt. Die Regierungen versuchen, ihre Volkswirtschaften in der Krise zu stützen. Interessant für uns ist dabei, mit welchen Methoden sie versuchen, die Lücke zu schließen.

Dabei haben die großen Volkswirtschaften aus ihrer früheren „Original Sin“ gelernt. Damals haben sie sich vorwiegend in US-Dollar finanziert und so eine erhebliche Lücke zwischen Vermögenswerten und Verbindlichkeiten entstehen lassen, die für einige Länder mit Umschuldungen und Ausfällen geendet hat. Mittlerweile weisen diese Länder deutlich mehr lokale Märkte auf und können sich überwiegend in ihren Landeswährungen finanzieren. Damit verbessern sie ihr Risikoprofil. Mexiko und Brasilien sind nur zwei Beispiele von Ländern, die wieder über Reformen zur Ausgabensenkung diskutieren.

DFPA: Warum haben sich die Schwellenländer nach dem anfänglichen Schock im März im Allgemeinen so gut erholt?

Arevalo: Es hat sich ein Muster wiederholt, dass uns noch aus früheren Krisen bekannt war. Viele Anleger, die sich gewissermaßen als Touristen in die Anlageklasse vorgewagt hatten und nur auf hohe Renditen aus waren, ohne jedoch die zugrunde liegenden Fundamentaldaten richtig zu verstehen, haben sich angesichts der Negativschlagzeilen fluchtartig zurückgezogen. Daher hat die Geschwindigkeit der Mittelabflüsse im März sogar noch das Niveau der globalen Finanzkrise übertroffen. Viele dieser schlecht informierten Anleger sehen alle Schwellenländer als Einheit. Spezialisierten Anlegern wie uns ist dagegen klar, dass solche reflexartigen Reaktionen nicht nur kurzfristige Volatilität bedeuten, sondern auch hervorragende Gelegenheiten, von attraktiven Anleihen zu erheblichen Abschlägen zu profitieren. Derartig attraktive Bewertungen wie im März hatten wir in unserer Anlageklasse seit 2008 nicht mehr erlebt. Viele der betroffenen Anleihen haben seit den Tiefständen von März bereits 40 bis 60 Punkte zurückgewonnen. Seit Jahresbeginn befinden sich Indizes für Unternehmens- sowie Staatsanleihen in Hartwährungen gleichermaßen in positivem Terrain, nachdem sie zuvor zweistellige Einbrüche verzeichnet hatten.

Wie in den Industrieländern wird es auch in den Schwellenländern zu einer weiteren Verbesserung der BIP-Zahlen kommen, da viele der im März eingepreisten Worst-Case-Szenarios angepasst werden und die Volkswirtschaften sich schrittweise öffnen. Es besteht zwar das Risiko einer zweiten Welle, doch einige Regierungen, wie etwa die chinesische, verfolgen nun eine zielgerichtetere Strategie, die die wirtschaftlichen Folgen insgesamt mindern dürfte.

DFPA: Warum sollten Anleger in Erwägung ziehen, saisonunabhängig in Schwellenländeranleihen zu investieren? Und sollten Anleger in Staats- oder Unternehmensanleihen investieren?

Arevalo: Die Anlageklasse lässt sich immer schlechter ignorieren, da sie weiterhin als Wachstumsmotor der Weltwirtschaft wirkt. Dennoch ist sie in den Portfolios zahlreicher Anleger und in vielen Indizes weiterhin unterrepräsentiert. In einer Welt, in der 69 Prozent der Anleihen in Industrieländern eine Rendite von unter 50 Basispunkten generieren, bieten Schwellenländeranleihen attraktive Renditeaufschläge und zudem die Vorteile einer ausgeprägten Diversifizierung.

Die Spreads von Staats- und Unternehmensanleihen liegen jeweils mehr als 100 Basispunkte über dem Niveau vor Covid-19 – und beide sind nach unserer Einschätzung weiterhin günstig zu erwerben. Ihre Dynamik unterscheidet sich und es ist von der Risikoneigung der Anleger abhängig, welche Anlageform sich besser eignet. Der Index für Staatsanleihen weist ein geringeres Rating und eine höhere Duration auf als der vergleichbare Index für Unternehmensanleihen. Er neigt also stärker zur Volatilität. Anders formuliert: Anleger, die einen defensiveren Ansatz bevorzugen, sollten auf Engagements in Unternehmensanleihen setzen.

Wir bevorzugen Unternehmensanleihen in US-Dollar. Sie bieten im Vergleich zu Staats- und Lokalwährungsanleihen die besten risikobereinigten Renditen. Unternehmensanleihen bieten auch dann einen Aufschlag gegenüber Staatsanleihen, wenn sie stärkere Fundamentaldaten aufweisen als Vergleichsunternehmen in Industrieländern. Dies liegt daran, dass sie allein wegen ihrer Zugehörigkeit zur Kategorie der Schwellenländer als riskanter betrachtet werden. Doch diese Diskrepanz ist oftmals positiv für Anleger in dieser Anlageklasse, da sie zu günstigeren Bewertungen Zugang zu starken Fundamentaldaten erhalten. Dennoch bleibt festzuhalten, dass sowohl Staats- als auch Unternehmensanleihen in Hartwährung historisch gute risikobereinigte Renditen erzielt haben. Unserer Überzeugung nach wird sich dies fortsetzen. Der Verschuldungsgrad von Staaten und Unternehmen hat sich zwar erhöht, bleibt aber moderat. Daher erscheinen uns die derzeitigen Spreads attraktiv.

DFPA: Die Sorgen über einen möglichen Ausfall von Unternehmen und einigen Ländern nehmen zu. Sind Schwellenländer diesem Risiko in besonderem Maße ausgesetzt?

Arevalo: Unternehmen in Schwellenländern haben eine geringere Verschuldungsquote als Unternehmen aus Industrieländern mit denselben Ratings. Dies erklärt sich dadurch, dass Unternehmen in Schwellenländern ein höheres Risiko zugeschrieben wird – allein aufgrund des Orts ihrer Geschäftstätigkeit und ohne Berücksichtigung der kreditrelevanten Fundamentaldaten. Die Ausfallquote hochverzinslicher Unternehmensanleihen in den Schwellenländern war seit Jahresbeginn interessanterweise nur halb so hoch wie jene von hochverzinslichen US-Unternehmensanleihen. Die Erlösquote ausgefallener Schwellenländer-Unternehmensanleihen war mit 36 Prozent doppelt so hoch wie die von US-Unternehmen (17 Prozent). Daher tragen Schwellenländer-Unternehmensanleihen – besonders jene in Hartwährung – ein geringeres Ausfallrisiko als ihre Pendants in den Industrieländern.

Einige Volkswirtschaften, etwa der Libanon und Sambia, haben ein hohes Ausfallrisiko und sind Gegenstand von Umschuldungsdebatten. Doch diese Länder bilden nur einen verschwindend kleinen Ausschnitt des Anlageuniversums. Es ist nicht sinnvoll, alle Schwellenländer über einen Kamm zu scheren. Hierdurch verpasst man die Chance auf attraktive Engagements in den vielen Ländern, denen kein Ausfall droht.

DFPA: Wie steht es um Lateinamerika?

Arevalo: Lateinamerika ist zwar weiterhin von der Pandemie betroffen, doch aufgrund von drei Faktoren betrachten wir die Region optimistischer. Erstens: Angesichts der Aufhebung der Lockdowns und der anziehenden Industrietätigkeit kommt es zu einer Belebung der inländischen Wirtschaft. Die Pandemie ist in Ländern wie Brasilien bei Weitem noch nicht ausgestanden. Dennoch wird die Wirtschaft weiter geöffnet und wir erleben eine schrittweise Erholung von den Tiefpunkten im März und April. Die brasilianische Regierung hat schnell fiskalische Notmaßnahmen umgesetzt. In der zweiten Jahreshälfte wird dies eine graduelle Erholung der Verbraucherausgaben unterstützen. Gleichzeitig hat in Mexiko das Wiederhochfahren der Wirtschaft dazu geführt, dass die Industrie wieder anzieht, wie die erhebliche Verbesserung der Indikatoren für die Exporttätigkeit und das Verbrauchervertrauen deutlich zeigen. Auch der jüngst zwischen der Regierung und führenden Wirtschaftsakteuren ausgehandelte Vorschlag für die Rentenreform stimmt uns optimistisch.

Zweitens: Die fiskal- und geldpolitischen Anreize haben das Verbrauchervertrauen gestärkt und die Folgen der Lockdowns gemindert.

Drittens: Die Exporte aus der Region nehmen, gestützt durch China, wieder zu. Zudem haben erfolgreiche Verhandlungen über Staatsschulden in Ländern wie Argentinien die Lage für Unternehmensanleihen verbessert. Wir glauben, dass sich hier weiterhin solide Unternehmen mit stabilen Fundamentaldaten und konservativen Bilanzen sowie attraktiven Bewertungen finden lassen, auch wenn wir keine Staatsanleihen aus der Region halten. Nach unserer Überzeugung sind die Bewertungen in Lateinamerika im Vergleich zu anderen Schwellen- und Industrieländern attraktiv. Daher setzen wir weiterhin auf Titel mit ausreichender Liquidität, gesunden Bilanzen und guter Unternehmensführung.

Alejandro Arevalo ist Fondsmanager im Bereich Emerging Markets Debt bei Jupiter Asset Management (London). Der 1985 gegründete, an der London Stock Exchange notierte Investmentmanager verwaltet ein Vermögen in Höhe von 39,4 Milliarden Euro (Stand: 31. März 2020).

www.jupiteram.com

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