Time Over für die Abschaffung von ObamaCare? Was bedeutet dies für Healthcare-Aktien?

Thilo Rohrhirsch
Thilo Rohrhirsch

Bis Ende September hätten die Republikaner in den USA mit einem ‚Reconciliation Act‘ die Abschaffung von ObamaCare unter erleichterten Bedingungen erreichen können. Nun rücken nach Meinung von Thilo Rohrhirsch, Geschäftsführer der Frankfurter Investmentboutique Acevo, andere Themen in den Fokus der amerikanischen Tagespolitik. Daraus ergeben sich eine Reihe von Fragen:

  • Wie geht es mit ObamaCare weiter?
  • Was bedeutet dies für Healthcare-Aktien?
  • Welches sind die grundlegenden Werttreiber im Gesundheitsbereich?
  • Warum ist ein breit aufgestelltes Healthcare-Portfolio vorteilhafter als ein auf Segmente Spezialisiertes?

Diese und weitere Fragen beantwortet Rohrhirsch, der mit seinen Studien der Biologie, Biochemie und Medizin sowie seiner langjährigen Tätigkeit im Asset Management großer Häuser ein Spezialist mit profunden Kenntnissen des Marktes ist, im folgenden Interview.

DFPA: Der Gesundheitssektor wird an der Börse allgemein-hin als defensiver Sektor betrachtet. Dennoch blieb die Wertentwicklung in den letzten zweieinhalb Jahren hinter der des breiten Aktienmarktes zurück. Was waren die Gründe hierfür?

Rohrhirsch: Der Gesundheitssektor, oder auf neudeutsch „Healthcare-Sektor“, ist in der Tat defensiv und weitgehend unabhängig von Konjunkturzyklen. So sah man mit Ausbruch der Finanzkrise, dass viele Unternehmen aus zyklischen Bereichen Verluste hinnehmen mussten, während die Gewinne bei den Unternehmen des Healthcare-Sektors weiterhin sprudelten. Trotzdem verloren auch die Aktien der Healthcare-Unternehmen, quasi in Sympathie mit dem Gesamtmarkt, wenn auch nicht so viel wie letzterer. Der Healthcare-Sektor ist wahrscheinlich der am stärksten von politischer Seite regulierte Wirtschaftszweig überhaupt. Insofern wird eine temporär schlechte Entwicklung der zugehörigen Aktien in der Regel weniger durch eine sich allgemein verschlechternde Konjunktur, sondern vielmehr durch die Angst vor weiterer Regulierung seitens der Politik verursacht. Da der Sektor mit dieser starken Regulierung bereits über Jahrzehnte sehr gut zurechtkam, erschließt sich einem diese Logik nicht unbedingt, war in der Vergangenheit aber immer so zu beobachten.

Trotz der außerordentlich starken Regulierung haben sich Healthcare-Aktien in der Vergangenheit langfristig deutlich besser entwickelt als der Gesamtmarkt. Ursache sind die zugrundeliegenden, langfristig gültigen Wachstums- und Werttreiber. Auch die unterdurchschnittliche Entwicklung des Sektors von Mitte 2015 bis Ende 2016 war nicht ungewöhnlich, denn der Healthcare-Sektor hatte in den viereinhalb Jahren bis Mitte 2015 den breiten Aktienmarkt gnadenlos outperformed und eine Konsolidierung war fällig. Die eineinhalb Jahre Underperformance von Mitte 2015 bis Ende 2016 wurden durch Hillary Clinton im Vorwahlkampf der US-Präsidentschaftswahlen ausgelöst, die gegen die hohen Medikamentenpreise in den USA wetterte - wie man das bereits von demokratischen Präsidentschaftskandidaten aus der Vergangenheit gewohnt war. Das Novum war jedoch, dass auch Donald Trump in denselben Tenor einstimmte - was man von republikanischen Präsidentschaftskandidaten bis dahin nicht gesehen hatte. Dies verstärkte noch den Abverkauf von Aktien des Healthcare-Sektors. Hinzu kam, dass Donald Trump während des Wahlkampfes wie auch als Präsident drohte, ObamaCare abzuschaffen. Dies führte zu sehr viel Verunsicherung im Aktienmarkt und, in Summe, zu maßlosen Übertreibungen beim Abverkauf vieler Healthcare-Titel.

DFPA: Sollte man sich also aufgrund dieser Verunsicherung im Markt mit dem Kauf von Gesundheitsaktien noch zurückhalten bis Klarheit herrscht oder sehen sie ge-rade jetzt gute Gelegenheiten für einen Einstieg?

Rohrhirsch: Tatsächlich haben sich durch den völlig übertriebenen Abverkauf von Mitte 2015 bis Ende 2016 gute Gelegenheiten für sehr günstige Investitionen mit hohem Potenzial im Healthcare-Sektor ergeben. Viele dieser Aktien sind stark unterbewertet! Wie sich in der Vergangenheit immer wieder herausstellte, ergaben sich die besten Opportunitäten für einen Einstieg immer dann, wenn die Angst vor weiterer Regulierung am stärksten war. Dieser Punkt war Ende 2016 erreicht. Zwar hat sich der Sektor seit Jahresanfang 2017 teilweise erholt, aber eben nur teilweise. Nach wie vor besteht bei vielen Aktien ein sehr hohes Kurspotenzial. Dies gilt aber nicht unbedingt für diejenigen Titel, die typischerweise in den breit investierenden und Benchmark-orientierten Long-Only-Fonds anzutreffen sind. Abgesehen davon besteht aktuell mehr Klarheit bezüglich der US-Gesundheitspolitik als in den zwei Jahren zuvor. Bereits vor zwei Jahren haben wir nämlich, allen Unkenrufen zum Trotz, unseren Investoren die Gründe erläutert, warum wir der Überzeugung sind, dass weder Hillary Clinton noch Donald Trump etwas bewirken können, was zu einer signifikanten Verschlechterung des US-Gesundheitsmarktes führen wird. Daher werden die Kapitalmarktteilnehmer am Ende auch feststellen, dass die ganze Panik nur ein Sturm im Wasserglas war.

In diesem Kontext argumentierten wir auch, dass wir weder von einer direkten Reglementierung der Medikamentenpreise seitens des Staates noch von einer kompletten Abschaffung von ObamaCare ausgehen. Von der US-Administration unter Donald Trump hat man hinsichtlich der Medikamentenpreise seither nichts Konkretes gehört und die vagen Äußerungen zu diesem Thema kann man eher als industriefreundlich interpretieren. Sieben lange Jahre haben die Republikaner ihrem Volk versprochen, ObamaCare bei erster Gelegenheit abzuschaffen. Mit dem republikanisch besetzten Kongress und einem republikanischen Präsidenten hatten sie allerbeste Voraussetzungen - dennoch konnten sie sich untereinander nicht einigen. Richtig bitter ist für die Republikaner, dass sie die Abschaffung von ObamaCare bis Ende September 2017 mit dem „Reconciliation Act“ sogar unter erleichterten Bedingungen hätten erreichen können. Da es nun für die Republikaner wichtigere Themen gibt, beispielsweise die Steuerreform, und da sie künftig bei signifikanten Änderungen der Gesundheitspolitik die Demokraten mit ins Boot holen müssen, gehen wir davon aus, dass dieses Thema nicht mehr so schnell auf den Tisch kommen wird. Einer Outperformance des Healthcare-Sektors sollte folglich nun nichts mehr im Wege stehen.

DFPA: Sie erwähnten vorhin „langfristige Wachstums- und Werttreiber des Gesundheitssektors“. Können Sie uns die Wichtigsten nennen und sind diese der tiefere Grund, weshalb ein Investment in den Gesundheitssektor langfristig attraktiv ist?

Rohrhirsch: Völlig unabhängig von der aktuellen gesundheitspolitischen Situation in den jeweiligen Ländern auf der Welt gibt es langfristige Wachstums- und Werttreiber, die trotz aller Versuche der Politik, die Kosten für Gesundheit einzugrenzen, völlig intakt sind und auch bleiben werden. Die steigende Lebenserwartung und die damit einhergehende Überalterung der Bevölkerung in den Industrienationen und zunehmend auch in Schwellenländern wie China, führen zu einer Zunahme altersbedingter, größtenteils chronischer, Erkrankungen. Die über 65-Jährigen verursachen pro Kopf zwei Drittel aller Gesundheitsausgaben und der Anteil dieser Gruppe wird in den OECD-Ländern bis mindestens zum Jahr 2050 signifikant schneller wachsen als die Gesamtbevölkerung. Wir haben es hier also mit einem sehr langfristigen Trend zu tun, von dem die Unternehmen des Gesundheitssektors über viele Jahre profitieren werden.

Hinzu kommt ein enormer Aufholbedarf der Schwellenländer in der Gesundheitsversorgung ihrer Bürger. Dieser wird sowohl durch den dort relativ zu den Industrienationen schneller wachsenden Wohlstand als auch durch die Etablierung von Gesundheitssystemen westlichen Standards getrieben. Ein Großteil der Haushalte dieser Länder befindet sich in einer Einkommensregion, wo pro Euro Mehreinkommen überproportional mehr für Gesundheit ausgegeben wird. Das heißt, der Gesundheitssektor ist derjenige Bereich, der überproportional vom Wachstum der Schwellenländer profitieren wird. Ein ebenfalls wichtiger Faktor für das Wachstum ist Innovation. Insbesondere in Bezug auf die Medikamentenentwicklung stehen wir gerade erst am Anfang einer über die nächsten Jahrzehnte anhaltenden Innovationswelle, die durch die Entschlüsselung des menschlichen Genoms zur Jahrtausendwende und der seither folgenden biotechnologischen Forschung ermöglicht wurde. Außerdem gibt es keinen anderen Sektor, der so reich an Produkten und Dienstleistungen ist, für die es kein Substitut gibt. Wenn Sie beispielsweise an Nierenversagen leiden, dann müssen Sie mehrmals pro Woche zur Dialyse, sonst sterben Sie. Es gibt keine Alternative! Wenn Sie an einer schwerwiegenden Krankheit wie Krebs erkranken, dann benötigen Sie das entsprechende Medikament, um Ihre Lebensqualität, Ihre Arbeitskraft oder gar Ihr Leben zu erhalten. Es gibt einfach keine Alternative!

DFPA: Es gibt einige spezialisierte Biotech- und Medizintechnik-Fonds. Warum haben Sie im Oktober 2014 einen breit investierenden Healthcare-Fonds initiiert?

Rohrhirsch: Damit erzielen wir mehr Flexibilität in der Zusammensetzung des Portfolios. Der Gesundheitssektor kann grob in vier Segmente eingeteilt werden: Pharma, Biotechnologie, Medizintechnik und Dienstleister. Nun investiert beispielsweise ein spezialisierter Biotech-Fonds ausschließlich in Werte des Segments Biotechnologie. Damit wäre man dieses Jahr gut gefahren, da das Segment - gemessen am Nasdaq Biotech Index – von Jahresanfang bis Ende September fast 26 Prozent Rendite erzielt hat - in Euro jedoch nur 12,6 Prozent. Wer allerdings in der Zeit von Mitte 2015 bis Mitte 2016 in Biotechnologie investiert war, als dieses Segment aufgrund der politischen Situation in den USA unter Druck geriet, hat bis zu 39 Prozent verloren. Das Segment Medizintechnik hat sich beispielsweise mehrere Jahre bis 2011 sehr schlecht entwickelt, startete dann aber ab 2012 durch. Wenn man also in einen spezialisierten Biotech- oder Medizintechnik-Fonds investiert ist, kann man periodisch Pech haben und dieses Segment entwickelt sich schlecht oder man erzielt sogar einen Verlust. Da es aber in der Regel immer eins oder mehrere der anderen vier genannten Segmente im Healthcare-Sektor gibt, die sich gut oder sogar sehr gut entwickeln, hat man mit einem breit investierenden Healthcare-Fonds die Flexibilität, auf diese auszuweichen. Damit sollte man langfristig eine stetigere Entwicklung erzielen.

DFPA: Sie haben in der Vergangenheit im Investmentbanking und im Fondsmanagement bei großen Häusern wie JP Morgan, Allianz und Deka gearbeitet. Was kann Ihre Investmentboutique in der Fondsberatung besser umsetzen?

Rohrhirsch: Der Illusion „großer Player gleich mehr Ressourcen“ sollte man sich nicht mehr hingeben. Viele große Asset Manager haben in den letzten zehn Jahren stark ihr Personal abgebaut. Oft gibt es da auch nur noch einen Fondsmanager pro Fonds ohne unterstützende Analysten. Bei meinem letzten Arbeitgeber wurde das Healthcare-Team über die Jahre von vier auf eine Person verkleinert. Am Ende musste ich zwei Fonds und mehrere Research-Portfolios managen, konnte also nur wenig meiner Gesamtarbeitszeit auf das jeweilige Produkt allokieren. Im Gegensatz dazu bin ich heute in der glücklichen Lage, dass sich bei der Acevo zwei Personen mit ihrer gesamten Arbeitszeit um nur einen Fonds kümmern. Dadurch kommt ein Mehrfaches an Ressourcen zum Einsatz.

Die großen deutschen Asset Manager verstecken sich überdies mehrheitlich und unverändert hinter einer Benchmark. Dies verleitet oftmals zu falschen Entscheidungen – insbesondere, wenn das Haus, für das man arbeitet, enge Grenzen hinsichtlich des Tracking Errors setzt. Somit hält man oftmals nur deshalb Titel im Portfolio, weil sie in der Benchmark enthalten sind, aber nicht, weil sie hohes Potenzial haben. Außerdem ist man in diesem Umfeld nicht sonderlich stark gegenüber absoluten Verlusten sensibilisiert. Es geht ja vor allem darum, nicht gegen die Benchmark zu verlieren. Die Acevo GmbH vertritt hier einen Absolute-Return-Ansatz - es geht ausschließlich um die absolute Rendite des Fonds. Wir investieren auch nur in Titel, von deren Potenzial wir überzeugt sind. Hinzu kommt, dass man mit einem eher kleineren Fonds viel mehr Auswahl an attraktiven Titeln hat als mit einem sehr großen Sondervermögen.

www.acevo.de

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