"Energiesektor hübscht Quartalssaison auf - Anleger sollten auf der Hut bleiben"
Die Berichtssaison für das zweite Quartal 2022 neigt sich dies- und jenseits des Atlantiks dem Ende entgegen. Im aktuellen Marktkommentar „Blitzlicht“ schreibt Marc Decker, stellvertretender Leiter Aktien bei der Quintet Private Bank, Muttergesellschaft der deutschen Privatbank Merck Finck, dass Lieferkettenprobleme, Inflation, Energiekrise und andere Herausforderungen ein weniger scharfes Schwert waren als viele Firmen zunächst befürchtet hatten. In Summe waren die Zahlen deutlich besser als erwartet.
Per 15. August 2022 haben 92 Prozent der US-Unternehmen aus dem S&P 500 und 83 Prozent der europäischen Unternehmen aus dem STOXX 600 ihre Zahlen für das abgelaufene Quartal veröffentlicht. In den USA erzielten 75 Prozent der Unternehmen höhere Gewinne und 70 Prozent der Unternehmen höhere Umsätze und übertrafen damit die Erwartungen. Insgesamt lagen die Gewinne über alle Unternehmen hinweg um etwa vier Prozent oberhalb der Schätzungen. Bei den Umsätzen waren es ebenfalls rund vier Prozent, wobei dies vor allem auf die guten Ergebnisse bei Energie- und Versorgungsunternehmen zurückzuführen ist.
Die Berichtssaison in der Eurozone verlief ebenfalls positiv, wobei 70 Prozent der Unternehmen ihre Gewinne und 84 Prozent ihre Umsätze steigerten. Insgesamt lagen die Gewinne um neun Prozent oberhalb der Erwartungen und die Umsätze sieben Prozent. Das Ausmaß der Umsatzsteigerungen deute darauf hin, dass das nominale Wachstum trotz der Inflation positiv bleibt und die Unternehmen weiterhin ihre höheren Kosten weitergeben können, so Decker. Darüber hinaus hat sich die Stärke des US-Dollar für internationale Unternehmen im Binnenmarkt positiv ausgewirkt. Die Jahreswachstumsraten für die Eurozone sind mit 13 Prozent beim Gewinn pro Aktie und 25 Prozent beim Umsatz robust, doch sind die Wachstumsraten beim Gewinn pro Aktie negativ (minus vier Prozent), wenn der Energiesektor herausgerechnet wird.
Neben dem Energiesektor zeigten in Europa der Finanzsektor und der Sektor der langlebigen Konsumgüter im zweiten Quartal starke Gewinnüberraschungen. Bei den Finanzwerten waren die Ergebnisse breit gestreut, und die meisten Unternehmen übertrafen die Erwartungen. Bei den langlebigen Konsumgütern wurden die Erwartungen vor allem von den großen Automobil-herstellern übertroffen.
„Wir gehen im Blick nach vorn davon aus, dass die Aktien der Eurozone im Vergleich zu den US-Aktien zunehmend unter Druck geraten werden. Eine Rezession in der Eurozone ist sehr wahrscheinlich, und obwohl sie auch in den USA immer wahrscheinlicher wird, ist sie dort noch nicht unser Basisszenario“, so Decker.
Aus Sicht des Experten sollten Anleger künftig noch stärker als bisher auf fundamentale Faktoren und weniger auf technische Faktoren schauen. „Wir erwarten, dass die Erträge bis zum zweiten Halbjahr 2022 und darüber hinaus eine immer wichtigere Rolle für den Aktienmarkt spielen werden. Bisher waren die Marktbewegungen in erster Linie durch eine Anpassung bzw. Neubewertung von Unternehmen ausgelöst worden. Ab jetzt dürften die Erträge der Firmen wichtiger als Bewertungsmultiplikatoren oder Abzinsungsfaktoren sein.“
Der Rückenwind aus dem Energiesektor werde mit großer Wahrscheinlichkeit abflauen. Auch die starken Ergebnisse der Finanz- und Autokonzerne dürften im zweiten Halbjahr im Großen und Ganzen nicht wiederholbar sein – vor allem nicht, wenn es in der Eurozone zu einer Rezession kommt, da diese Sektoren sehr zyklisch sind. Wer glaubt, dass der Markt bereits jetzt durch die Rezessionsrisiken hindurchschaut und der Weg frei ist für eine breite Aktienmarktrallye, der könnte auf dem falschen Fuß erwischt werden. „Anleger sollten auf der Hut bleiben“, so Decker abschließend. (DFPA/JF1)
Merck Finck begleitet Vermögen von Privatkunden, mittelständischen Unternehmen sowie Institutionen wie Kirchen und Stiftungen. Von 13 Standorten aus werden unter anderem Private Banking- und Vermögensverwaltungsdienstleistungen angeboten. Merck Finck ist Teil der Quintet Private Bank, die mit örtlichen Banken an 45 Standorten in sechs europäischen Ländern vertreten ist und ein Kundenvermögen in Höhe von rund 100 Milliarden Euro verwaltet.