Europas Büroimmobilienmärkte widerstandsfähiger als Märkte in den USA
Längerfristig höhere Zinsen und niedrigere Bewertungen erschweren auf beiden Seiten des Atlantiks die Refinanzierung von Büroimmobilien. Clark Coffee, Chief Investment Officer and Head European Commercial Real Estate Debt beim globalen Vermögensverwaltungs- und Research-Unternehmen AllianceBernstein, ist jedoch der Meinung, dass die europäischen Büroimmobilien solider reagieren dürften als die in den USA.
Das bedeutet aus Coffees Sicht nicht, dass jetzt der richtige Zeitpunkt ist, um sich auf Büroflächen zu konzentrieren. Vielmehr ist der Experte der Meinung, dass die Chancen in anderen Gewerbeimmobiliensektoren attraktiver sind. Er gehe jedoch davon aus, dass die Nachfrage nach der richtigen Art von europäischen Büroimmobilien hoch bleiben werde, und Anleger, die die Unterschiede zwischen Europa und den USA verstehen, bessere Chancen, das Potenzial Europas in Zukunft zu nutzen, hätten.
Büroflächenangebot: Europa hat weniger Überschuss
Fern- und Mischarbeitsplätze haben überall weitreichende Auswirkungen auf den Wert und den Nutzen von Büroflächen. In den europäischen Großstädten gibt es jedoch tendenziell weniger Büroflächen pro Kopf der Bevölkerung als in den USA. Das mag daran liegen, dass es in den meisten europäischen Städten keine „Midtowns“ im US-Stil und weniger gläserne Bürotürme gibt. Das ist ein wichtiger Unterschied, denn wenn diese Türme veraltet sind, lassen sie sich bekanntlich nur schwer in Wohngebäude umwandeln. Bei vielen handelt es sich um unflexible Konstruktionen mit umweltschädlichen Systemen und Grundrissen, die sich nicht einfach und kostengünstig an die Bedürfnisse der Mieter anpassen lassen. Die Umwandlung in Wohnungen mit Sanitäranlagen und Zugang zu natürlichem Licht ist eine Herausforderung. Nach Analyse der Pro-Kopf-Bürofläche durch kommen die Experten von AllianceBernstein zu dem Ergebnis, dass die USA der weltweit am stärksten übersättigte Büromarkt sind, mit deutlich mehr Fläche als die großen europäischen Märkte, darunter Großbritannien, Frankreich und Deutschland.
Mehr Nachfrage nach Zeit im Büro
Auch auf der Nachfrageseite der Gleichung gibt es Unterschiede. Erstens sind die Wohnungen in Europa in den meisten Einkommensschichten tendenziell kleiner, sodass nur wenig Platz für ein Heimbüro bleibt. Einer Studie zufolge verfügen die Haushalte in Frankreich, Deutschland, den Niederlanden und den nordischen Ländern über durchschnittlich zwei bis drei Zimmer pro Haushaltsmitglied, während es in den USA fast vier sind.
Höhere Umweltanforderungen verändern die Arbeitswelt
Die europäischen Regulierungsbehörden beeinflussen die Dynamik von Angebot und Nachfrage im Bürobereich auch dadurch, dass sie von den Vermietern verlangen, dass sie Mindestenergiestandards einhalten, bevor sie Immobilien vermieten können. Das fördert Investitionen. Die Vermietung von Büroflächen der „nächsten Generation“ in London zum Beispiel hat ein 15-Jahres-Hoch erreicht. Daraus lässt sich schließen, dass die Nachfrage nach Objekten, die die richtigen Kriterien erfüllen, tendenziell hoch ist. Dadurch sei für Coffee zu erklären ist, warum die Spitzenmieten für Büroflächen in den europäischen Großstädten zwischen dem dritten Quartal 2022 und dem dritten Quartal 2023 um durchschnittlich knapp fünf Prozent gestiegen sind. Auch in den US-Städten ist die Nachfrage nach Gebäuden der „nächsten Generation“ hoch, und Coffee erwartet, dass sich daraus Chancen für Anleger ergeben. Allerdings gibt es in den USA kein einheitliches Bundesmandat für die Berichterstattung über Umwelt, Soziales und Unternehmensführung (ESG), was Entwicklungs- und Vermietungsentscheidungen erschweren könne. Die Ablehnung von ESG-Aspekten in einigen Regionen des Landes kann den Prozess ebenfalls verlangsamen.
„Im Moment sind wir der Meinung, dass die attraktivsten Investitionen in Gewerbeimmobilien anderswo zu finden sind. Wer es jedoch vermeidet, Europa und die USA über einen Kamm zu scheren, kann die Chancen, die sich bieten, leichter wahrnehmen“, schließt Coffee seine Analyse. (DFPA/abg)
Alliance Bernstein Ltd (AB), ist ein globales Vermögensverwaltungs- und Research-Unternehmen mit einem verwalteten Vermögen von 726 Milliarden US-Dollar (Stand: 31. Dezember 2023).