Gute Aussichten für deutsche Retail-Banken
Die Geschäftsaussichten deutscher Retail-Banken sind besser als viele Investoren und Marktbeobachter denken. Zwar haben private Kreditinstitute in Deutschland aktuell im internationalen Vergleich einen geringen Marktanteil und sind wenig profitabel, tun sich mit der Integration von Zukäufen schwer, leiden unter einem scharfen Wettbewerb und unter dem niedrigen Zinsniveau. „Trotz dieser Schwierigkeiten stehen die Chancen gut, dass sich deutsche Retail-Banken in den kommenden Jahren positiv entwickeln und ihre Finanzkennzahlen deutlich verbessern können“, sagt Jacques-Henri Gaulard, Bankenanalyst bei Scope Ratings. Auch seien die Vorstände der großen Banken optimistisch, hielten sich mit allzu positiven Prognosen nur zurück, um keine überzogenen Erwartungen zu wecken, urteilt Gaulard.
Wie groß das Turnaround-Potenzial deutscher Retail-Banken ist, belegen beispielhaft die aktuellen Halbjahreszahlen der Commerzbank. Das Institut konnte die Ertragskraft seines Privatkundengeschäfts im ersten Halbjahr deutlich steigern und viele neue Kunden gewinnen. Offenbar trägt die Strategie erste Früchte, die Bank effizienter und kundenorientierter zu machen. Auch die Hypovereinsbank (HVB) sei auf einem guten Weg, sagt Scope-Analyst Gaulard. Das Unternehmen zieht sich aus dem ertragsschwachen Massengeschäft zurück und schließt Filialen.
Trotz positiver Tendenzen ist die Ertragskraft deutscher Retail-Banken immer noch deutlich niedriger als in anderen europäischen Ländern. Die Eigenkapitalrendite nach Steuern beträgt hierzulande im Durchschnitt acht Prozent. Zum Vergleich: In Frankreich liegt diese Kennzahl bei rund zwölf Prozent, zeigen Scope-Zahlen.
In den kommenden Jahren werden sich die Aussichten für deutsche Retail-Banken aufhellen. So werde sich der Preiswettbewerb mit Sparkassen und Volks- und Raiffeisenbanken abschwächen, erwartet Scope-Analyst Gaulard: „Vor allem die Sparkassen stehen unter einem zunehmenden Druck, ihre Profitabilität beizubehalten oder sogar zu steigern. Deshalb haben sie kein Interesse an einem scharfen Preiskampf mit Banken.“ Der Hintergrund: Wollen Sparkassen ihr Eigenkapital erhöhen, können sie das in der Regel nur durch einbehaltene Gewinne tun. Zugleich verlangen immer mehr Kommunen als Eigentümer der Sparkassen eine höhere Gewinnausschüttung.
Quelle: Pressemitteilung Scope
Die 2002 gegründete Scope-Unternehmensgruppe ist eine bankenunabhängige Ratingagentur mit Sitz in Berlin. Sie ist auf das Rating von Unternehmen, Anleihen, Fonds und Zertifikaten spezialisiert und analysiert Vermögenswerte in Höhe von 1,2 Billionen Euro (Assets under Analysis 2011). (JF1)