US-Staatsschulden in der Klemme
Die US-Staatsschulden haben zuletzt (wieder) eine historische Schwelle überschritten. Julian Marx, Research Analyst beim unabhängigen Vermögensverwalter Flossbach von Storch AG, fragt sich, wann es gefährlich wird.
35 Billionen US-Dollar - ein gigantischer Betrag, der in den USA zuletzt wenig erfreuliche Schlagzeilen nach sich zog. Denn es waren die US-Staatsschulden auf Bundesebene, die Ende Juli ebendiese fragwürdige Schallmauer durchbrachen. Wie erschreckend hoch dieser Schuldenberg ist, zeigt auch ein Vergleich mit der Wirtschaftsleistung der nach den USA fünf größten Volkswirtschaften. Die 35 Billionen US-Dollar entsprechen nämlich etwa dem Bruttoinlandsprodukt, das China, Deutschland, Indien, Japan und das Vereinigte Königreich in Summe im Jahr 2024 voraussichtlich erwirtschaften werden.
Zinslast so hoch wie die US-Verteidigungsausgaben
In den Fiskaljahren 1962 bis 2023 musste die US-Regierung bereits ordentlich für ihre Altschulden bezahlen. In diesem Zeitraum fielen Nettozinszahlungen im Umfang von 9.972 Milliarden US-Dollar an. Und ein Blick auf die aktuelle Haushaltslage ist noch ernüchternder. Denn peu à peu ist in den vergangenen Jahren das gestiegene Zinsniveau zu einer immer größeren Belastung geworden. Musste die US-Regierung im Jahr 2021 rund 367 Milliarden US-Dollar an Nettozinszahlungen leisten, hat sich die Zinsbelastung seither mehr als verdoppelt. Im US-Fiskaljahr 2024, das am 30. September 2024 endet, wird die US-Regierung mehr als 800 Milliarden US-Dollar an Nettozinszahlungen geleistet haben. Auch im Verhältnis zu den Staatseinnahmen zeigt sich der Anstieg der Zinsbelastung deutlich. So entsprachen die Nettozinskosten in den zwölf Monaten bis Juli 2024 rund 18 Prozent der Staatseinnahmen. In der zurückliegenden Dekade waren es etwa neun Prozent. Angesichts einer Staatsschuldenquote, die schon heute bei mehr als 100 Prozent des Bruttoinlandsprodukts liegt, ist die Entwicklung bedenklich. Eine Reihe anderer Faktoren spielen eine wesentliche Rolle dabei, die Schuldentragfähigkeit der US-Regierung und damit auch deren finanzielle Handlungsfähigkeit definieren.
US-Staatsanleihen (auch international) gefragt
Ein wesentlicher Aspekt ist in diesem Zusammenhang der Status der US-Staatsanleihen als sicherer Hafen und die Leitwährungsfunktion des US-Dollars. Die Auslandsnachfrage nach US-Staatspapieren ist nach wie vor enorm. Zuletzt hielten Auslandsinvestoren US-Staatsanleihen im Gegenwert von rund acht Billionen US-Dollar. Noch relevanter ist, dass die US-Regierung auch auf inländischer Seite auf ein gigantisches Nachfragepotenzial blicken kann. Sinnbildlich dafür steht das Nettofinanzvermögen der US-Haushalte, das per 2023 bei etwa 98 Billionen US-Dollar oder gut 350 Prozent des BIP lag. Damit bewegen sich nicht nur die US-Staatsschulden auf Rekordniveaus. Auch das Geldvermögen der US-Haushalte ist in den vergangenen Jahrzehnten massiv angestiegen und sucht nach Anlagemöglichkeiten. Zudem dürften weder die Mehrheit der potenziellen Inlandsinvestoren noch zahlreiche Auslandsinvestoren ein Interesse daran haben, die Zahlungswürdigkeit einer US-Regierung infrage zu stellen. Die damit verbunden Risiken wären nicht nur für den Geldbeutel enorm.
Laxe Geldpolitik bleibt gefährlich
Eine expansive Geldpolitik ist daher ein zweischneidiges Schwert. Sie kann dazu beitragen, die heutige Schuldentragfähigkeit eines Staates zu garantieren. Andererseits kann dies eine (dauerhaft angelegte) expansive Fiskalpolitik begünstigen und so zu einem (inflationsbedingten) Vertrauensverlust ins Geldsystem beitragen. Das letzte Puzzlestück zum „perpetuum mobile“ der Staatsfinanzierung kann die Geldpolitik daher nicht sein.
Umgekehrt wäre es aus unserer Sicht aber auch eine mutige These, zu unterstellen, dass die US-Regierung bereits heute in der Klemme sitzt – wegen der hohen Verschuldung. Eine mögliche US-Staatspleite bleibt somit bis auf Weiteres ein theoretisches Gedankenspiel.
Die Wahrheit zur Schuldentragfähigkeit der USA liegt vermutlich irgendwo in der Mitte: Unbestritten dürften immer höhere Schulden den fiskalischen Handlungsspielraum – vor allem perspektivisch – weiter einschränken. Aber angesichts der Komplexität des Themas vorhersagen zu wollen, ob und wann exakt dies in welchem Umfang der Fall sein könnte, bleibt ein wohl kaum lösbares Unterfangen. (DFPA/abg)
Den vollständigen Marktbericht finden Sie hier.
Die Flossbach von Storch AG ist eine Vermögensverwaltung mit Sitz in Köln. Das 1998 von Bert Flossbach und Kurt von Storch gegründete Unternehmen beschäftigt aktuell über 340 Mitarbeiter und verwaltet rund 70 Milliarden Euro.