EU-Prospektverordnung und Verbraucherschutz
Peter Mattil, Rechtsanwalt und Gründer der Münchener Kanzlei Mattill – Fachanwälte für Bank- und Kapitalmarktrecht, schreibt in EXXECNEWS Ausgabe 11/2019 am 20. Mai über einen speziellen Aspekt der in der Prospektverordnung der Europäischen Union, der Anleger gegenüber Emittenten im Falle eines Rechtstreits benachteiligt. Die „Verordnung 2017/1129 über den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel an einem geregelten Markt zu veröffentlichen ist und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/71/EG“ schafft harmonisierte Prospektvorschriften im Hinblick auf die Prospektpflichtschwellen, das Prospektbilligungsverfahren sowie den Prospektinhalt geschaffen. Das soll insbesondere Erleichterungen für kleineren und mittleren Unternehmen und für Sekundäremissionen bringen.
Peter Mattil: „Die EU-Prospektverordnung erlaubt es den Emittenten, den Wertpapierprospekt in einem Mitgliedsstaat zu veröffentlichen und in einer ‚internationalen Finanzsprache‘ zu verfassen. Der Prospekt kann in jedem anderen Mitgliedsstaat verwendet werden, ohne dass eine Verpflichtung zur Übersetzung besteht. Das ist förderlich für den Binnenmarkt, nicht aber für den Verbraucherschutz. Wenn ein Anleger einen Verlust erleidet und Schadensersatzansprüche geltend machen will, muss er den Prospekt auf seine Kosten übersetzen lassen, um den Prospektinhalt vor Gericht vortragen zu können. Darauf weist die EU-Prospektverordnung auch ausdrücklich hin. Die Kosten für die Übersetzung eines 200-seitigen Prospektes verschlingt etwa 15.000 Euro bis 20.000 Euro. Kein Verbraucher kann einen solchen Betrag aufwenden. Außerdem würde er riskieren, dass der Emittent die Richtigkeit der Übersetzung bestreitet. Die einzig richtige Entscheidung wäre, dem Emittenten die Übersetzung seines Prospektes aufzuerlegen, zumal er für den Inhalt und damit auch die Lesbarkeit verantwortlich ist. Zumindest müsste von dem Emittenten gefordert werden, dass er den Prospekt auf Verlangen einer Mindestzahl von Wertpapiererwerbern übersetzen lässt. In der Anhörung im Finanzausschuss am 8. April haben Sachverständige entsprechende Vorschläge unterbreitet.
Die sich stellende Frage ist dabei allerdings, ob der deutsche Gesetzgeber die EU-Prospektverordnung insoweit abändern darf, als dass das Wertpapierprospektgesetz (WpPG) eine Übersetzung in die deutsche Sprache verlangen kann. Nach meiner Ansicht ist Artikel 27 der EU-Prospektverordnung keine zwingende Mussvorschrift, sondern dahingehend auszulegen, dass der nationale Gesetzgeber ein Umsetzungsermessen hat, was auch an anderen Stellen der Verordnung zum Ausdruck kommt. Der nationale Gesetzgeber kann, muss aber nicht Einzelanlageschwellen vorsehen und zumindest die Übersetzung der Prospektzusammenfassung fordern. Die Übersetzung ist für den Emittenten eine Kleinigkeit, für den Verbraucher nicht zu leisten.“