Grundstückskaufverträge: Wucher wird bei Wertmissverhältnissen von 90 Prozent vermutet
Der Bundesgerichtshof (BGH) stellte mit Urteil vom 24. Januar 2014 (Aktenzeichen: V ZR 249/12) klar, dass ein besonders grobes Missverhältnis im Sinne des § 138 BGB zwischen Leistung und Gegenleistung, das ohne das Hinzutreten weiterer Umstände den Schluss auf eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten erlaubt, bei Grundstückskaufverträgen grundsätzlich erst ab einer Verkehrswertüber oder -unterschreitung von 90 Prozent vorliegt.
In dem zu entscheidenden Fall hatte der Kläger auf Rückabwicklung des Kaufvertrages nebst Schadensersatz wegen Sittenwidrigkeit geklagt. Er hatte von dem Beklagten eine Eigentumswohnung nebst Tiefgaragenstellplatz für 118.000 Euro erworben. Der vom Berufungsgericht zugrunde gelegte Verkehrswert der Immobilie lag bei 65.000 Euro, während der Beklagte zwei Monate vor Verkauf die Wohnung selbst für 53.000 Euro erworben hatte. Ein privates Gutachten des Klägers bemisst den Verkehrswert der Immobilie mit 61.000 Euro. Die erste Instanz und das Berufungsgericht haben die Klage abgewiesen. Dabei stellte das Berufungsgericht per Beschluss darauf ab, dass zwar in der Differenz von Kaufpreis und Verkehrswert ein grobes Missverhältnis zu sehen sei, der Kläger aber nicht ausreichend zu den subjektiven Voraussetzungen des § 138 Absatz 1 BGB vorgetragen habe. In der Folge prüfte das Gericht auch nicht die vom Kläger gegen die gerichtliche Wertbemessung der Immobilie erhobenen Einwendungen.
Der BGH hob den Beschluss des Berufungsgericht wegen Rechtsfehlerhaftigkeit auf. Bei Vorliegen eines besonders groben Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung könne der Schluss zugelassen werden, dass eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten vorliegt. Der BGH nimmt dies regelmäßig in Fällen an, in denen das Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung bei 90 Prozent liegt. Diese Vermutung befreie die nachteilig betroffene Partei zwar nicht von der Behauptungslast für das Vorliegen des subjektiven Merkmals eines wucherähnlichen Rechtsgeschäfts, an ihren Vortrag sind aber keine hohen Anforderungen zu stellen. Ist eine Klage auf § 138 BGB gestützt und wird insoweit ein grobes Missverhältnis behauptet, gibt der Kläger damit zu erkennen, dass er sich auf die tatsächliche Vermutung stützen will. Das Berufungsgericht habe wegen fehlender Entscheidungsreife neu zu verhandeln und zu urteilen. Der BGH weist unter Berufung auf die eigene höchstrichterliche Rechtsprechung darauf hin, dass bei Zugrundelegen des Verkehrswertes von 65.000 Euro ein Wertmissverhältnis von 80 Prozent bestünde, dass für eine solche Vermutung nicht ausreiche. Legt das Gericht hingegen das Privatgutachten mit einem Verkehrswert von 61.000 Euro zugrunde, beträgt das Missverhältnis 93 Prozent und das Wuchergeschäft wäre zu vermuten. (JZ1)
Quelle: Urteil des BGH vom 24. Januar 2014
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