Produktintervention: Neue Aufgaben für die Wertpapieraufsicht
Seit wenigen Monaten verfügt die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) über ein neues Instrument: die Produktintervention. Sie kann nun Finanzinstrumente, strukturierte Einlagen oder Finanztätigkeiten beziehungsweise -praktiken beschränken oder sogar verbieten, wenn diese erhebliche Bedenken für den Anlegerschutz aufwerfen oder eine Gefahr für die Stabilität oder Integrität des Finanzsystems oder des Finanzmarkts darstellen.
Das Produktinterventionsrecht wurde mit dem Kleinanlegerschutzgesetz als § 4b in das Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) eingeführt. Dieses hat darüber hinaus den kollektiven Verbraucherschutz explizit als Aufsichtsziel verankert. Es ist Teil des Aktionsplans der Bundesregierung für mehr Verbraucherschutz im Finanzmarkt, mit dem diese unter anderem auf negative Entwicklungen am Grauen Kapitalmarkt reagierte. Damit hat der deutsche Gesetzgeber die europäische Gesetzgebung vorgezogen: Die europäische Finanzmarktverordnung (Markets in Financial Instruments Regulation – MiFIR) führt das Produktinterventionsrecht zum 3. Januar 2017 für alle Mitgliedstaaten der EU ein und ist unmittelbar anwendbar. Die Vorschrift des § 4b WpHG ist am Wortlaut der MIFIR-Produktinterventionsnormen orientiert und dient der Überbrückung des Zeitraums bis zu deren Inkrafttreten.
Die Ermächtigung zur Produktintervention erlaubt es der BaFin, nun auch effektiv gegen Missstände im Kapitalmarkt vorzugehen. Zum einen kann die BaFin bei der Vermarktung, beim Vertrieb oder beim Verkauf eines bestimmten Finanzinstruments oder einer strukturierten Einlage eingreifen, also Produktintervention im engeren Sinne betreiben. Zum anderen kann sie aber auch bei bestimmten Formen der Finanztätigkeit oder Finanzpraxis eingreifen (Verhaltensintervention). Möglich sind Beschränkungen und Verbote.
Die erste Finanzmarktrichtlinie „MiFID I“, deren Bestimmungen sich nach wie vor im sechsten Abschnitt des WpHG wiederfinden, hatte den Schwerpunkt der verbraucherschützenden Verhaltens-, Organisations- und Transparenzvorschriften auf die Vertriebsaufsicht gelegt. Sie nahm also weniger die Emittenten von Finanzinstrumenten, sondern mehr die vertreibenden Intermediäre in den Fokus. Die Wirkung toxischer Finanzinstrumente in der Finanzkrise wie auch die negative Rolle bestimmter Vermögensanlagen im Fall des insolventen Windkraftbetreibers Prokon haben laut BaFin jedoch gezeigt, dass nicht nur die Integrität von Wertpapierdienstleistungsunternehmen gewährleistet sein muss, sondern auch eine Handhabe gegen Produkte vonnöten sei die zum Beispiel erhebliche Bedenken für den Anlegerschutz aufwerfen. Die neue Vorschrift des § 4b WpHG schließe daher wichtige Anwendungslücken.
Quelle: Pressemitteilung BaFin
Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) ist eine selbstständige Anstalt des öffentlichen Rechts mit Sitz in Bonn und Frankfurt am Main. Sie vereinigt die Aufsicht über Banken und Finanzdienstleister, Versicherer und den Wertpapierhandel unter einem Dach. Ihr Hauptziel ist es, ein funktionsfähiges, stabiles und integres deutsches Finanzsystem zu gewährleisten. (mb1)