"Anbieter ohne Erfahrungs- und Erfolgsnachweise nehmen wir nicht in den Vertrieb"
Ist es schwindendes Vertrauen? Das falsche Angebotssortiment für Beteiligungen? Eine vorübergehende Schockstarre? Im ersten Halbjahr 2024 hat sich das Platzierungsvolumen der geschlossenen alternativen Investmentfonds weiter zurückentwickelt. Allerdings gibt es Ausnahmen und es gibt Erholungseffekte.
Wegen dieser Marktschwäche untersuchen wir die Motivlage der Emittenten, Vertriebe und Anleger: Was löst eine Zeichnung aus? Was verhindert Zeichnungen? Zu komplizierte Angebotsunterlagen, zu viel Regulatorik, intransparente Assetklassen, unattraktive Renditen, imagelose Emittenten, fehlende Kompetenz der Beraterbranche?
In Ausgabe 12 berichteten wir über das Basisinformationsblatt und seine Sinnhaftigkeit, in Ausgabe 13 klopften wir der „Marke“ auf den Zahn. Heute wollen wir wissen: Welche Kompetenz hat die deutsche Anlage-Beraterbranche?
Kapital anzulegen, Investments zu unternehmen, finanzielle Vorsorge zu treffen – all das verlangt nach rationalen Entscheidungen, Planungen. Aber ohne eine Portion Vertrauen geht es nicht. Vertrauen des Investors, des Anlegers, in den Anbieter der Kapitalanlage und in seinen Berater.
Wir fragen: Als Finanzdienstleister, als Vertrieb für Anlageprodukte, nehmen Sie eine verantwortungsvolle Vermittlerposition zwischen Produkt und Anleger ein. Aus dem Universum der Anlagemöglichkeiten obliegt Ihnen die Auswahl der Produkte, der Anbieter, die Sie Ihren Kunden vorstellen. Wie wählen Sie aus? Was sind Ihre Kriterien? Ist es die Größe? Der Bekanntheitsgrad, die Marke eines Anbieters? Die Provision? Die technisch problemlose Abwicklung der Zeichnung? Die Performance, der bisherige Track Record des Anbieters? Ihre eigene Erfahrung mit dem Anbieter? Was auch immer. Nennen Sie uns Ihre Gründe für die Aufnahme oder Ablehnung eines Produktes eines Anbieters in Ihr Angebots Portfolio. Hier die Antworten:

Sandra Nadine Sprenger, Spezialistin für Bank- und Fondsprodukte, Produktmanagement, Plansecur:
Die Plansecur wählt die von unseren Beratern empfohlenen Fonds in einem dreistufigen Verfahren aus: Ausgehend von einem qualifizierten Marktüberblick, erstellen wir sogenannte Voranalysen unter Berücksichtigung quantitativer (Fondsvolumen, Performance, Volatilität) und qualitativer (Bewertungen, unter anderem von Ratingagenturen) Kriterien. Auf Basis dieser Voranalysen wählt ein Fachausschuss (Berater und Fachleute der Zentrale) die für die Breite der Anleger als grundsätzlich besonders geeignet eingestuften Fonds aus. Die abschließende Bewertung dieser Fondsauswahl erfolgt in Zusammenarbeit mit externen Partnern.
Die Auswahl von Exchange Traded Funds (ETF) erfolgt nicht nach diesem Auswahlverfahren, sondern nach folgenden Kriterien: Sie investieren direkt in die im Index enthaltenen Wertpapiere („voll replizierend“) oder beschränken sich auf die für die Indexperformance notwendigen Titel, um der Indexperformance sehr nahe zu kommen („optimiert“ oder „optimiertes Sampling“). Der zugrundeliegende Index oder Markt wird so ausgewählt, dass die empfohlene Risikostreuung im Depot erzielt wird. Es werden ETFsvon Anbietern ausgewählt, die weltweit zu den zehn größten Anbietern nach dem Volumen ihres verwalteten Vermögens gehören und eine langjährige Erfahrung im ETF-Bereich aufweisen.

Felix Knaak, Referent Vertriebsrecht und Produktmanager Geschlossene Beteiligungen und Kapitalanlagen, Plansecur:
(Geschlossene) AIF: Im Rahmen der AIF-Produktprüfung führen wir eine eigene Produktprüfung durch, zusätzlich prüft ein externer Researchpartner die für uns interessanten AIF-Produkte am Markt. Weiterhin ziehen wir externe Gutachten, Analysen und Ratings hinzu. Das Vorliegen eines Prospektgutachtens vom Wirtschaftsprüfer ist Vertriebsvoraussetzung für jeden geschlossenen AIF, ein Steuergutachten ist optional.
Es geht immer um die Prüfung der wirtschaftlichen Tragfähigkeit des Anlagekonzeptes anhand des Emissionsprospektes (Plausibilitätsprüfung). Dabei ist eine Prüfung auf ein schlüssiges Gesamtbild des Beteiligungsobjektes mit zumutbarem Aufwand sowie eine Prüfung auf sachliche Vollständigkeit, Richtigkeit und Kohärenz durchzuführen. Bewertungskriterien sind neben der Plausibilität, unter anderem auch die Rentabilität, Transparenz, rechtliche und steuerliche Zuverlässigkeit, wirtschaftliche Sinnhaftigkeit, Referenzen und Selbstdarstellung, Bonität und Standing, Leistungsbilanz sowie der Folgeservice des Anbieters. Hierzu bedienen wir uns der Verkaufsunterlagen des Emittenten, dem Lagebericht der KVG, Bonitätsprüfungen sowie Markt-, Anbieter-, sowie Angebotsinformationen und auch medialer Berichterstattung. Die finale Vertriebsentscheidung wird nach dem Mehrheitsprinzip in dem zuständigen Plansecur-Anlageausschuss getroffen. Im Fokus steht dabei, ob wir das Produkt zum einen für plausibel halten und dieses ein vertretbares Risiko-Rendite-Verhältnis erwarten lässt.

Bernhard Stern, Geschäftsführer der Stern Capital GmbH:
Bei der Auswahl unserer Anlageangebote lassen wir uns in erster Linie durch unsere eigene Erfahrung mit dem Anbieter und dem Track Record leiten. Dabei legen wir Wert darauf, die handelnden Personen des Anbieters persönlich kennenzulernen und idealerweise den Kontakt zu diesen Personen zu halten.

Axel Hermann, Prokurist von Hörtkorn Finanzen:
Vertrauen ist unser wichtigstes Kapital. Für uns steht es dermaßen im Mittelpunkt, dass wir im Grunde genommen nahezu unseren gesamten Auswahlprozess unter diesem Gesichtspunkt „sortieren“: Was können wir tun, um uns das Vertrauen unserer Kunden zu verdienen und zu erhalten? Mit dieser Grundfrage gehen wir an die Anbieter und ihre Produkte heran. Zuerst an die Anbieter, wohlgemerkt, denn wir handeln nach dem Motto „Der Koch ist entscheidend, nicht die Speisekarte“.
Welchem Anbieter können wir als Vermittler also vertrauen, und aus welchen Gründen? Da kommt zunächst einmal das Führungspersonal in den Blick: Ist das Emissionshaus eigentümergeführt oder nicht? Wie sieht die rechtliche und finanzielle Aufstellung des Emittenten aus (Bonitätsprüfung; Haftungsgestaltung)? Was sagt der Blick auf den Trackrecord und bisherige Markttätigkeiten/Platzierungen/Emissionen? Können wir beim Emittenten eine klare Kernkompetenz erkennen?
Aber auch das persönliche Auftreten unserer Kontaktpersonen und das Kommunikationsverhalten (Stichwort Transparenz) spielt für uns eine wichtige Rolle. Dort kommen eventuell auch persönliche Erfahrungen mit dem Anbieter zum Tragen. Nicht zuletzt schauen wir beim konkreten Produkt, ob es die Kernkompetenz des Emittenten trifft und wie die Interessensgleichheit mit unseren Investoren bei dem Projekt hergestellt wird.
Wir achten vorrangig weder auf Größe noch auf Bekanntheitsgrad, schon gleich gar nicht auf die Provision. Denn was hätten wir von einer guten oder sogar exzellenten Provision, wenn die Produkte am Ende nicht funktionieren und wir dadurch das Vertrauen unserer Kunden verlieren? Langfristig würden wir uns und unseren Kunden damit schaden. Und das ist ein enorm wichtiger weiterer Gesichtspunkt für uns: Wir schauen auf Nachhaltigkeit und langfristige Perspektiven, wie sie für den deutschen Mittelstand kennzeichnend sind.
Fragen der technischen Abwicklung sind dabei nicht völlig unwichtig, lassen sich aber in der Regel als sekundär kategorisieren.
Erst wenn ein Anbieter für uns diese Schemata mit positivem Ergebnis durchlaufen hat, kommen wir zu Fragen der Produktauswahl. Wir wählen vorrangig Produkte aus, die unsrerseits am ehesten unsere Kernkompetenzen treffen: Wir kommen sehr stark aus dem Bereich Immobilien (In-/ und Ausland), haben aber in den letzten Jahren unser Spektrum auf eine Selektion von Private Equity- und Venture Capital-Projekten ausgeweitet, weil wir dort ein wichtiges Investoren-Standbein für die Zukunft sehen.
Selbstverständlich prüfen wir die vorgelegte Kalkulation auf Plausibilität, und das Risiko-Rendite-Profil spielt eine wesentliche Rolle bei der Auswahl. Die meisten unserer Bestandskunden kennen wir so gut, dass wir im Hinterkopf auch immer schon die Frage mitlaufen haben, ob ein Produkt zu ihren Portfolien „passt“. Nicht selten machen wir uns von Produkten ein Bild vor Ort, wir besuchen also tatsächlich Objekte, sprechen mit den Verantwortlichen und lassen uns die geplanten Investitionen erläutern.

Frank Huttel, Leiter Portfoliomanagement der FiNet Asset Management GmbH:
Bei unserer Auswahl spielt der Ansatz des Managers oder des Teams eine wichtige Rolle. Welchen Unique Selling Proposition (USP) hat der Fonds oder der Manager? Wird ein bestimmter Stil oder eine Strategie bevorzugt und dann konsequent verfolgt? Welche Freiheiten hat der Manager? Wie ist das Risikomanagement implementiert? Die Liste mit Themen und Fragen kann umfangreich sein. Dabei ist feststellbar, dass die spezialisierten (inhabergeführten) Boutiquen den großen Gesellschaften nicht selten überlegen sind. Das Volumen der Fonds ist zwar oft niedriger als bei den großen Flaggschiffen, doch lässt dies dem Manager auch größere Möglichkeiten, die Ideen umzusetzen und einen Mehrwert zu erzielen (Alpha). Neben den „weichen“ Fakten errechnen wir aber auch Kennzahlen, zum Beispiel den Tracking Error zu einer Benchmark, oder wir untersuchen, mit welchem Risiko – dargestellt durch den maximalen Verlust – das Ergebnis erzielt wurde.
Florian Kastl, Teamleiter Unternehmensentwicklung, Marketing & Kommunikation bei der Bonnfinanz:
Auf Grundlage einer Gewerbeerlaubnis nach §34 GewO vermitteln unsere Finanzberater lediglich Investmentfonds, nicht aber Einzeltitel oder Zertifikate. Dabei gliedert sich unser Auswahlprozess in drei Schritte:
Step 1 – Vorauswahl. Kriterien sind die Handelbarkeit auf den von Bonnfinanz angebotenen Fondsplattformen (zum Beispiel MorgenFund und FFB), das Fondsvolumen mindestens 100 Millionen Euro und der Fonds existiert bereits über drei Jahre.
Step 2 – Detailprüfung. Kriterien sind die Performance (in verschiedenen Zeiträumen), die Volatilität, das Morningstar Sterne Rating und das Morningstar Medalist Rating. Methodik: Die nach der Vorauswahl verbliebenen Fonds werden in ein internes Fondsranking eingeordnet. Dazu wird auf Grundlage einer unterschiedlichen Gewichtung der genannten Kriterien eine formelbasierte Bewertungszahl ermittelt, die als Grundlage für das Ranking herangezogen wird. Für jeden Bereich (zum Beispiel „Aktien Global“ oder „Mischfonds Ausgewogen“) wird eine Liste mit Fondsempfehlungen erstellt. Der Gesamtprozess wird - gerade bei einem geringen Bekanntheitsgrad der Gesellschaft - zusätzlich durch Interviews und Hintergrundrecherchen intensiv begleitet.
Step 3 – Anlageausschuss und Veröffentlichung der Fondsempfehlungen: Begleitet wird der Auswahlprozess bei Bonnfinanz durch den „Anlageausschuss“. Das Gremium setzt sich aus langjährigen und erfahrenen Vermittlern im Investmentgeschäft und Vertretern der Bonnfinanz zusammen. Er kann Empfehlungen aussprechen, das automatisiert erstellte Ranking der Fondsempfehlungen (Step 2) manuell anzupassen. Die Fondsempfehlungen werden regelmäßig aktualisiert und dem Vertrieb zur Verfügung gestellt.

Sasa Perovic, Investment Research & Vermittlerbetreuung bei der BfV Bank für Vermögen AG:
Die Fonds werden nach verschiedenen Kriterien ausgewählt. Zum einen sind dies qualitative Kriterien. Dazu gehören die Qualität des Auswahlprozesses, des Managements, des Risikomanagements etc. Zum anderen spielen auch quantitative Elemente eine Rolle. Die klassische Performance ist nicht das Wichtigste. Vielmehr risikoadjustieren wir und schauen zum Beispiel auch auf die Alpha-Stabilität. Wir wollen verstehen, wie das Fondsmanagement zu den Ergebnissen gekommen ist und daraus ableiten, wie hoch das Alpha-Potenzial für die Zukunft ist. Das heißt, ein guter Fondsmanager darf auch mal eine Schwächephase haben, ohne dass wir ihn gleich bestrafen. Bei anderen Kategorien, wie zum Beispiel Anleihen, spielen natürlich auch andere Kennzahlen eine Rolle, wie zum Beispiel die Restlaufzeitenrendite und die Bonitätsstruktur. Kurz: Wir wollen die Könner unter den Glücksrittern selektieren.
Darüber hinaus setzen wir beim Thema AIF auf externe Prüfverfahren. Es wird über unseren Kooperationspartner IC Consulting ein umfassender Produktprüfungsprozess durchgeführt, wobei sämtliche Unterlagen wie Verkaufsprospekt, Gesellschaftsvertrag berücksichtigt werden. Unsere Vertriebspartner profitieren von diesem Ablauf, da nur positiv geprüfte Produkte zur Verfügung gestellt werden und die Details der Kontrolle in einem Plausibilitätsprüfungsbericht den Vertriebspartnern zur Verfügung gestellt werden.

Maximilian Kreitlmeier, Teamleiter Portfoliomanagement und Analyse bei der Fonds Finanz:
Unser Hauptaugenmerk gilt der voraussichtlichen künftigen Wertentwicklung. Um sie beurteilen zu können, sind ausführliche Gespräche mit den Managern, Analysten und Produktspezialisten zwingend notwendig. Der intensive Austausch ermöglicht es uns, ein tieferes Verständnis darüber zu erlangen, wie die Portfolioallokation zustande kommt und welche Parameter für die Investmententscheidungen des Managers relevant sind. Wir müssen nachvollziehen können, unter welchen Annahmen Positionen eingegangen oder verkauft werden und benötigen Belege dafür, dass sich die Aussagen der Manager auch tatsächlich im Portfolio widerspiegeln. Dieses Vorgehen wird auch als „Holdings-based Analysis“ bezeichnet und bietet klare Vorteile gegenüber einer reinen quantitativen Vorgehensweise. Vergangenheitsdaten, zum Beispiel die bisherige Wertentwicklung, spielen in unserem Analyseprozess daher eine sehr untergeordnete Rolle. Sie bestätigen im besten Fall eher die Qualitätseinschätzungen. Auch der Stil des Fondsmanagers und sein Investmentprozess müssen zur jeweiligen Anlageklasse passen.
Michael Knust, Bereichsleiter Marketing & Kommunikation bei Fondsnet Vermögensberatung:
Die Berater bestimmen selbst, was sie in der Kundenberatung einsetzen.

Davor Horvat, Vorstand der Honorarfinanz AG:
Bei der Auswahl der ETF prüfen wir folgende Kriterien ab: 1. Ausschüttung oder Thesaurierung – Entscheidung des Anlegers; 2. ETF-Volumen mindestens 50, besser aber100 Millionen Euro; 3. Steuerdomizil wegen der steuerlichen Einfachheit; 4. Replikationsmethode – in der Regel werden physische ETF vorgezogen, synthetische nur bei Rohstoffen; 5. Struktur innerhalb des ETF wie Ländergewichtungen etc. um Klumpenrisiken zu vermeiden; 6. Kostenstruktur des ETF und Wertpapierleihe ja oder nein; 7. Tracking Differenz – wie stark weicht der ETF von seinem Referenzindex ab; 8. Nachhaltigkeit ja oder nein – Entscheidung des Anlegers und 9. Währung – in der Regel einen Mix aus Dollar- und Euro-ETF.

Helmut Schulz-Jodexnis, Prokurist Leiter Produktbereich Sachwerte & Immobilien Jung, DMS & Cie.:
In erster Linie sind es die Leistungsbilanzen, die Aufschluss über die Qualität eines Produktanbieters geben, und an denen wir uns orientieren. Ohne diese muss ein Anbieter (zum Beispiel neuer Emittent) seine Kompetenz, Erfahrung oder einen Trackrecord über andere Nachweise darlegen. Anbieter ohne Erfahrungsnachweis oder ohne Leistungsbilanz werden nicht in den Vertrieb aufgenommen. Weitere Kriterien bei der Auswahl von Produktanbietern sind eine funktionierende Abwicklung, guter Kunden- und Vertriebs-Service, vernünftige Kundenschutzregelungen für die Vertriebspartner, angemessene Konditionen und ein seriöses Geschäftsmodell.
Der Beitrag ist zuerst in EXXECNEWS 14 erschienen.