Das ELTIF-Upgrade als Wegbereiter

2015 ging das europaweite Fondsregime des „European Long-Term Investment-Fund“, kurz ELTIF, an den Start. Im Vergleich zu den Vorschusslorbeeren war der Erfolg zunächst verhalten: Erst zu Beginn dieses Jahrzehnts kamen Produkte in nennenswerter Anzahl auf den Markt. Insbesondere für Privatanleger blieb der ELTIF jedoch eine Nische.
Das dürfte sich nun ändern, denn der EU-Gesetzgeber blieb nicht untätig: Seit Jahresbeginn gilt ein grundlegend veränderter Rechtsrahmen für den ELTIF, von der Branche als ELTIF 2.0 bezeichnet. Tatsächlich besteht jetzt aller Grund zu der Annahme, dass der ELTIF nunmehr vor seinem Durchbruch steht. Zwar ist es seither noch recht ruhig geblieben, was auf drei Ursachen zurückzuführen ist: Erstens waren zunächst noch einige technische Regulierungsstandards zu regeln, zweitens war das Marktumfeld grundlegend recht verhalten zur Auflage neuer Fonds und drittens dauert es eine Weile von der ersten Konzeptionierung über die Genehmigung der Aufsichtsbehörde bis zum Vertriebsstart eines neuen Produkts. Es ist allerdings deutlich zu erkennen, dass bereits jetzt Marktteilnehmer neue ELTIFs an die Startrampe geschoben haben, auch für Privatanleger – nicht zuletzt auch unser Haus.
Augenfälligste Neuerung des ELTIF 2.0 ist der ersatzlose Wegfall der Mindestanlagesumme von 10.000 Euro. Denn damit konnte der ELTIF nur an ein begrenztes Publikum mit dem nötigen frei verfügbaren Vermögen von mindestens 100.000 Euro und der Bereitschaft, auch eine erhebliche Summe davon in ein einzelnes Produkt zu investieren, verkauft werden. Diese Beschränkung fällt nun weg. Dies gibt einer breiteren Anlegerschicht die Möglichkeit in dieses attraktive Produkt zu investieren. Allerdings ist zu erwarten, dass einige Produktanbieter an einer selbst festgelegten Mindestsumme festhalten, da der Vertrieb auch mit einigem Aufwand und Kosten verbunden ist.
Hinzu kommen jedoch zahlreiche weitere Kriterien, die sich aus Anlegersicht zunächst eher „hinter den Kulissen“ abspielen, aber nicht minder bedeutend für den künftigen Erfolg des ELTIF als Anlagevehikel sein werden. So können ELTIFs jetzt auch ein breit gestreutes Portfolio mit kleineren Einzelassets als bisher aufbauen, gleichzeitig wurde der Höchstanteil eines Einzelassets am Fondsvolumen erhöht. Das sorgt für mehr Flexibilität. Zudem darf der ELTIF 2.0 mehr Liquidität vorhalten beziehungsweise auch stärker in liquide Assets investieren. Dadurch können flexiblere Rückgabemöglichkeiten geschaffen werden.
Eine wesentliche Änderung ist es zudem, dass ELTIFs nunmehr in eine deutlich größere Bandbreite unterschiedlicher Vermögensarten beziehungsweise Assetklassen und Strukturen investieren dürfen: unter anderem nämlich auch in andere Fonds, und zwar sowohl in Aktien- und Anleihefonds (OGAW beziehungsweise UCITS) als auch in Alternative Investmentfonds (AIF). Dabei kann neben Publikums- auch in Spezialfonds investiert werden, die per Definition eigentlich institutionellen Investoren vorbehalten sind.
Damit wird eine für Privatanleger spannende Konstellation möglich: ein „Publikums“-ELTIF, der mit unbegrenzter Laufzeit und relativ flexiblen, fristengebundenen Rückgabemöglichkeiten aus Sicht der Anleger ähnlich funktioniert wie ein offener Immobilienfonds, der jedoch als Portfoliofonds in unterschiedliche institutionelle Zielfonds investiert.
So eröffnen sich bisher ungekannte Chancen für Privatanleger. Es werden über semi-offene Fondsstrukturen diversifizierte Investitionen in institutionelle Spezialfonds möglich, die privaten Investoren bisher verschlossen waren. Diese Zielfonds wiederum können direkt in Infrastruktur-Assets wie beispielsweise Erneuerbare-Energie-Anlagen, Netz- und Ladesäulen-Infrastruktur, Wasserstoff-, Verkehrs- oder soziale Infrastruktur-Assets investiert sein, um nur einige denkbare Beispiele zu nennen. Darüber hinaus können die Zielfonds durch Private-Equity- oder Private-Debt-Investments auf Unternehmen ausgerichtet sein, die entsprechende Geschäftsmodelle haben.
Durch den „Umweg“ über die Portfoliofonds-Struktur kann sich das Fondsmanagement des ELTIF zudem auf diejenigen Zielfonds beziehungsweise Zielfondsmanager konzentrieren, die über ihre Leistungsbilanz bereits ihre langjährige Expertise und ihren Erfolg unter Beweis gestellt haben. Institutionelle Infrastruktur-Spezialfonds und ihre Manager sind oftmals hochgradig spezialisiert, weil jede Asset-Gruppe ganz eigenen Regeln und Funktionsweisen folgt. Das erfordert Spezialwissen. Zudem können Privatanleger auf diese Weise indirekt auf Portfolios von Anbietern und Kapitalverwaltungsgesellschaften zurückgreifen, die bereits seit vielen Jahren erfolgreich am Markt sind – jedoch bisher in den entsprechenden Assetklassen lediglich für institutionelle Investoren. Für Privatanleger selbst laufen all diese Spezialfondsanteile dann in einem einzigen, breit diversifizierten ELTIF zusammen.
Dies ist ein gutes Beispiel für die breite Palette an zum Teil ganz neuen Möglichkeiten, die der ELTIF nach seinem Upgrade zum ELTIF 2.0 bietet. Wir sind überzeugt, dass die Produktanbieter in den kommenden Monaten und Jahren rege davon Gebrauch machen und eine Reihe innovativer Produktideen umsetzen. Dabei spielt ihnen noch eine weitere Eigenschaft des ELTIF in die Karten: Er ist europaweit vermarktbar. Das eröffnet Zugang zu einem riesigen Binnenmarkt und damit zu Skaleneffekten.
Der Beitrag ist zuerst im Jahrbuch der Deutschen Anlageberatung 2024 erschienen.
Klaus Weber ist Geschäftsführer der Patrizia GrundInvest Kapitalverwaltungsgesellschaft mbH in München.
Patrizia GrundInvest ist eine 100-prozentige Tochtergesellschaft der Patrizia SE, die als global agierendes Unternehmen seit 40 Jahren Investments in Immobilien und Infrastruktur für institutionelle, semiprofessionelle und private Anleger anbietet.
Das Spektrum umfasst dabei den Ankauf, das Management, die Wertsteigerung und den Verkauf von Wohn- und Gewerbeimmobilien über eigene lizensierte Investmentplattformen. Patrizia verwaltet derzeit ein Immobilienvermögen von mehr als 57 Milliarden Euro, größtenteils als Investment-Manager für Versicherungen, Altersvorsorgeeinrichtungen, Staatsfonds, Sparkassen, Genossenschaftsbanken und Privatanleger.
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