Der Gesundheitssektor vor fundamentaler Neuausrichtung: Healthcare künftig ein zentrales Investmentthema

Das Potenzial ist groß: Der Umsatz auf dem deutschen Pharmamarkt etwa, der den größten europäischen Markt darstellt und mit einem globalen Marktanteil von rund vier Prozent auch der viertgrößte Pharmamarkt überhaupt ist, belief sich 2023 laut Statista auf rund 59,8 Milliarden Euro. Damit hat sich das Volumen des Arzneimittelmarktes in Deutschland in den vergangenen fünfzehn Jahren mehr als verdoppelt. Mit schnell wachsender Rechenleistung könnte beispielsweise die Entwicklung neuer Medikamente künftig deutlich günstiger werden.
Auch in der Präventionsmedizin sehen Experten großes Potenzial in der Geldanlage. Dafür sorgen die alternde Gesellschaft und Jüngere, die Lebensqualität und Selbstoptimierung viel mehr als vorherige Generationen in den Fokus stellen. Allein in den USA soll der Markt bis 2032 auf über 600 Milliarden US-Dollar wachsen, im Schnitt um über zehn Prozent pro Jahr (Quelle: Global Market Insights). Tech-Giganten wie Apple drängen zunehmend auf diesen Markt, etwa mit Fitness-Trackern, die Schlaf und Herzfrequenz überwachen. Aktiv in diesem Bereich sind Unternehmen aus dem Bereich Medizintechnik (beispielsweise Philipps, Siemens Heath Healthineers) und Pharmaunternehmen wie der US-Konzern Pfizer – und vermehrt auch sektorenübergreifende Technologie-Konzerne, die darauf setzen, dass in diesem Segment die Digitalisierung eine immer wichtigere Rolle einnimmt.
KI: erneut der Gamechanger
Und dies wird voraussichtlich schneller als gedacht geschehen. Vor allem die Künstliche Intelligenz (KI) hat ihren Anteil daran und wird wohl auch in diesem Bereich, der in Deutschland seit 2015 durch ein eigenes Gesetz gestärkt wird (siehe Kasten), zum Gamechanger. Denn inzwischen ist die Rechenleistung vorhanden, mit der die KI riesige Datenmengen analysieren und kombinieren kann. Nützlich ist dies beispielsweise im Bereich der Radiologie - die KI erkennt dort in den Daten Abweichungen von der Norm.
Vor allem die generative KI, also Modelle der Künstlichen Intelligenz, die neue Inhalte in Form von geschriebenen Bildern, Text, Audio oder Videos erzeugt, verspricht signifikante Produktivitätsgewinne. So könne die Technologie die Verwaltungskosten senken, die biomedizinische Forschung und die Entwicklung von Medikamenten beschleunigen, das Schadenmanagement verbessern und dabei helfen, neue Diagnosegeräte zu entwickeln, so lautet ein Ergebnis des im Januar 2024 veröffentlichten „Global Health Private Equity Reports“ der Unternehmensberatung Bain & Company. Große Technologieunternehmen arbeiten demnach bereits seit längerem mit Gesundheitsorganisationen zusammen, um generative KI anzuwenden - und Investoren setzen Kapital in aufstrebenden Unternehmen ein, die auf dem Tool basieren. Den Markt gar am „Beginn einer goldenen Ära“ sieht Steven Smith, Investment Director bei der Capital Group, in einem Interview mit Tiam Fund Research. Vor allem die enorme Innovationskraft des Sektors spreche aus Sicht des Experten dafür. „Vor 30 Jahren hat die Entschlüsselung eines Genoms rund eine Milliarde US-Dollar gekostet und mehr als einen Monat gedauert. Ein paar Jahrzehnte später haben die Fortschritte in der Datenanalyse und der Gensequenzierungstechnologie dazu geführt, dass derselbe Vorgang fast augenblicklich und zu Kosten von weniger als 100 US-Dollar möglich ist“, sagt Smith. „Wenn wir noch KI in die Gleichung einbeziehen, besteht die berechtigte Hoffnung, dass Gesundheitsunternehmen bald Behandlungen für einige der weltweit häufigsten Krankheiten wie Krebs, Demenz und Adipositas entwickeln können.“ Healthcare steht für Smith aktuell an der Spitze innovativer Forschung und Entwicklung.
Großes Potenzial im Bereich KI sieht auch Apo Asset Management (apoAsset) mit Sitz in Düsseldorf. Das Unternehmen entwickelt und managt seit 1999 Wertpapierfonds für private und institutionelle Anleger, ein Schwerpunkt liegt auf Fonds für den weltweiten Gesundheitssektor. Jüngst wurde der Aktienfonds „apo Medical Core“ gestartet. Damit erweitert der Fondsanbieter das Spektrum seiner insgesamt sechs Gesundheitsfonds, die weltweit auf unterschiedliche Weise in den Megatrend Gesundheit investieren. Kern sind große globale Unternehmen aus Subsektoren wie Pharma, Biotechnologie, Medizintechnik und Dienstleistungen. Für apoAsset sei KI schon lange ein konkretes Investment-Thema. Vor allem in der Biotechnologie habe der jüngste KI-Boom neue Meilensteine gesetzt. Beispiele dafür liefert Kristoffer Karl Unterbruner, Molekularbiologe und Portfoliomanager des Unternehmens Medical Strategy, an dem apoAsset beteiligt ist. „Wir erleben in der Biotechnologie eine massive Beschleunigung bei der Erforschung von Krankheiten und der Entwicklung neuer, präziser Therapien.“ Das betreffe zum Beispiel Krebs und Autoimmun-erkrankungen, aber auch seltene Erkrankungen, die oft genetisch bedingt und kaum behandelbar seien. Doch der Weg sei langwierig und vor allem teuer: Zwölf Jahre und 2,3 Milliarden US-Dollar – das ist der durchschnittliche Aufwand, bis ein neues, besseres Medikament alle Studien inklusive Zulassung bestanden hat. Mit der schnell steigenden Rechenleistung und Künstlicher Intelligenz ließen sich künftig voraussichtlich 25 bis 50 Prozent an Zeit und Kosten einsparen. Beispiel-Unternehmen, in die potenziell auch die Gesundheitsfonds der apoAsset investieren, seien etwa das US-Unternehmen Schrödinger, das sich auf Software und KI in der Medikamentenentwicklung spezialisiert hat. Damit dauere die Analyse von Molekülen nur noch Tage statt Jahre. Oder das Unternehmen Certara, das mit KI die Wirkung von Medikamenten simulieren könne, bevor Studien mit Menschen stattfinden.
Fazit: Der Gesundheitssektor steht vor großen Veränderungen. Trotz Kostendrucks bietet vor allem die KI Chancen für die Geldanlage. Zu Investmentchancen und Veränderungen im Markt lesen Sie das folgende Interview. (DFPA/Melanie Bobrich)
E-Health-Gesetz :
Die Weichen gestellt für die Einführung medizinischer digitaler Anwendungen und den Aufbau der sicheren Telematikinfrastruktur (TI) hat das „Gesetz für sichere digitale Kommunikation und Anwendungen im Gesundheitswesen“ (E-Health-Gesetz). Ziel dieses Gesetzes, das am 29. Dezember 2015 in Kraft trat, war es, die Chancen der Digitalisierung für die Gesundheitsversorgung zu nutzen und eine schnelle Einführung medizinischer Anwendungen für die Patienten zu ermöglichen. Teil der Regelung war unter anderem die Förderung telemedizinischer Leistungen (beispielsweise Online-Videosprechstunden).