P&R Container - Haftungsrisiken für Anlageberater und Anlagevermittler

Oliver Zander
Dr. Oliver Zander

Unser Autor Dr. Oliver Zander von Weitnauer Rechtsanwälte zur Haftungsexposition der Vertriebe nach der Insolvenz der P&R-Containergesellschaften:

Nach der Insolvenz der P&R-Containergesellschaften und dem geschätzten Verlust von mehr als 1,5 Milliarden Euro Anlegergeldern stellt sich nun die Frage, wie der Schaden unter den Beteiligten verteilt wird. Da bei P&R und den agierenden Personen nichts oder nur wenig zu holen ist und eine D&O-Versicherung der Geschäftsführer nicht besteht, erweitert sich der haftungsrechtliche Blick auf all die anderen Akteure im Umfeld von P&R. Zunächst fällt dabei der Blick der Anlegerschutzanwälte auf die Vertriebe der P&R-Vermögensanlagen. Damit stehen Banken, Sparkassen und freie Vertriebe im Feuer. Auch wenn ein Großteil der P&R-Vermögensanlagen direkt von den P&R-Gesellschaften an Anleger vertrieben wurde, bleibt eine immer noch gewaltige Summe an Anlegergeld übrig, die von diesen Vertrieben vermittelt wurde.

Haftung der Vertriebe von P&R

Auf den ersten juristischen Blick erscheint eine mögliche Haftung der Vertriebe nicht ganz unwahrscheinlich zu sein. Vor der Einführung der Prospektpflicht für Container gab P&R als Verkaufsunterlage lediglich einen drei- bis sechsseitigen Flyer heraus. Diese Unterlage wurde den Interessenten quasi als Prospekt und einzige Informationsquelle an die Hand gegeben. Es ist durchaus möglich, dass die Gerichte diese Unterlage als Prospekt ansehen und daran die bürgerlich-rechtliche Prospekthaftung knüpfen. Allein der geringe Umfang der Unterlage lässt vermuten, dass dort nicht alle relevanten Informationen enthalten und auch nicht alle relevanten Risiken der Anlage in der gebotenen Breite und Tiefe abgehandelt sind. Diese Unterlage dürfte daher kaum „vollständig“ im prospekthaftungsrechtlichen Sinn sein. Überdies warb P&R insbesondere damit, dass der Anleger Eigentümer eines Containers würde und damit sein Investment abgesichert sei. Dass dies in aller Regel nicht der Fall war, wissen wir jetzt. Angesichts des im deutschen Sachenrecht geltenden Bestimmtheitsgrundsatzes war es nach der Darstellung im Flyer und nach dem Inhalt des Zeichnungsscheins allerdings eher unwahrscheinlich, dass der Anleger tatsächlich Eigentümer eines bestimmten Containers wurde - der an den Anleger zu übereignende Container hätte zumindest im Zeichnungsschein so bestimmt identifiziert werden müssen, dass jedem unbeteiligten Dritten eine genaue Eigentumszuordnung möglich gewesen wäre. Dies gab aber der Inhalt des Zeichnungsscheins nicht her. Lediglich die Angabe im Zeichnungsschein, dass sich der Anleger ein Eigentumszertifikat über seinen konkreten Container ausstellen lassen könne, versprach eine nachträgliche Heilung des Defizits des Zeichnungsscheins. Wie wir jetzt wissen, haben allerdings nur etwa zehn Prozent der Anleger von der Möglichkeit, sich ein Eigentumszertifikat ausstellen zu lassen, Gebrauch gemacht. Und: die dann ausgestellten Eigentumszertifikate waren oft falsch. Bei der Kennziffer des Containers fehlte oft eine Ziffer, so dass sich selbst aus der angegebenen Kennziffer eine eindeutige Zuordnung nicht ergeben konnte. Die Aussage, dass der Anleger Eigentümer eines Containers würde, war daher in dieser Allgemeinheit falsch. Allem Anschein nach handelte es sich bei dem P&R-System um einen im Detail ausgeklügelten Betrug.

Auf den ersten Blick liegt damit in den meisten Fällen ein Prospektfehler vor. Eine nur auf der Grundlage des von P&R herausgegebenen Flyers erfolgte Anlageberatung dürfte daher oftmals unrichtig gewesen sein. Die Anwendbarkeit der Regeln der bürgerlich-rechtlichen Prospekthaftung und der Haftung aus fehlerhafter Anlageberatung scheinen eröffnet. Allerdings ist damit eine Haftung der Vertriebe noch nicht abschließend begründet.

Erkennbarkeit des P&R-Schneeballsystems

Die zentrale Frage bei der Haftung auf Schadensersatz der Vertriebe ist nun: trifft den konkreten Vertrieb ein Verschulden? Nach den allgemeinen gesetzlichen Regeln tritt bei der Prospekthaftung und der Haftung wegen fehlerhafter Anlagevermittlung/-beratung eine Beweislastumkehr ein: der Vertrieb muss beweisen, dass ihn im konkreten Fall kein Verschulden trifft.

Man kann davon ausgehen, dass P&R die Vertriebe vorsätzlich getäuscht hat und dass die Vertriebe keine Kenntnis von den wahren Verhältnissen hatten oder hätten haben können. Für eine Haftung eines Vertriebs stellt sich damit die Frage, was der konkrete Vertrieb hätte tun müssen, um die P&R-Vermögensanlagen zu prüfen. Die Rechtsprechung unterscheidet bei der Festlegung des konkreten Pflichtenkreises zwischen den Anlagevermittlern und den Anlageberatern:

Haftung der Anlagevermittler

Der Anlagevermittler ist zu einer eingeschränkten Plausibilitätsprüfung der Kapitalanlage verpflichtet. Der Anlagevermittler hat anhand des Verkaufsprospekts insbesondere die wirtschaftliche Tragfähigkeit des Anlagekonzepts zu prüfen. Zu eigenen Nachforschungen ist der Anlagevermittler nur dann verpflichtet, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Tragfähigkeit des wirtschaftlichen Konzepts zweifelhaft ist oder wenn sich Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben im Prospekt ergeben. Ansonsten besteht keine weitergehende Nachforschungspflicht des Anlagevermittlers. Ausreichend dürfte es daher sein, wenn dem Anlagevermittler ein Gutachten eines Dritten vorliegt, in dem die Tragfähigkeit des Konzepts und die Wirtschaftlichkeit der Anlage bestätigt wird. Einer Haftung kann sich der Anlagevermittler auch dadurch entziehen, dass er den Anleger ausdrücklich darauf hinweist, dass er keine Plausibilitätsprüfung vorgenommen hat.

Nachdem P&R die Anleger und die Vertriebe offenbar vorsätzlich getäuscht hat und die P&R-Vermögensanlagen zuvor über Jahrzehnte beanstandungsfrei liefen, könnte es Vertrieben bei Vorliegen der entsprechenden Dokumentation durchaus gelingen nachzuweisen, dass sie ihre Prüfungspflichten erfüllt haben und ihnen die Aufdeckung des P&R-Schneeballsystems unmöglich war. Eine Haftung des Vertriebs würde dann in der Regel entfallen.

Haftung der Anlageberater

Der Anlageberater ist zu einer vollen Plausibilitätsprüfung verpflichtet. Der Anlageberater muss die aktuelle Wirtschaftspresse im Hinblick auf das Anlageobjekt auswerten. Dem Anlageberater vorliegenden Informationen, die Zweifel an der Seriosität oder der Bonität des Anbieters aufkommen lassen, muss er nachgehen. Auch hier stellt sich für jeden Vertrieb die Frage, inwieweit dokumentiert werden kann, dass die empfohlene P&R-Anlage geprüft wurde und ob es für den Vertrieb erkennbar war, dass es sich um eine Betrugsmasche handelte. Die ersten kritischen Presseberichte über P&R tauchten - soweit derzeit ersichtlich - erst im Jahre 2016 auf. Ab diesem Zeitpunkt dürfte eine Haftungsfreizeichnung für anlageberatende Vertriebe schwierig werden, für die Zeit davor mag dies allerdings gelingen.

Was können Vertriebe jetzt tun?

Jeder Vertrieb von P&R-Vermögensanlagen sollte sich jetzt auf etwaige Anlegerklagen dadurch vorbereiten, dass intern geprüft wird, welche Sorgfaltsmaßnahmen im Hinblick auf die P&R-Vermögensanlagen vom jeweiligen Vertrieb ergriffen wurden. Wer hat die Anlagen geprüft? Gab es externe oder interne Gutachten? Was genau wurde geprüft? Welche Informationen wurden von P&R angefordert? Welche zusätzlichen Informationen hat P&R dem Vertrieb gegeben? Dies sollte spätestens jetzt intern sorgfältig ermittelt und dokumentiert werden.

Soweit ein Vertrieb von Anlegern in die Haftung genommen wird, sollte auch überlegt werden, wie man eine etwaige Haftung auf weitere Dritte verteilen kann. Die Prospekthaftung trifft beispielsweise auch die Personen, die Einfluss auf die Prospektgestaltung genommen und wirtschaftliche Vorteile aus der Vermögensanlage gezogen haben. Hier ist nicht nur an die (ehemaligen) Geschäftsführer und Eigentümer der P&R, sondern insbesondere auch an deren Berater, Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater zu denken. Insbesondere wenn dem Vertrieb für die Bestätigung der Glaubwürdigkeit der Produkte Gutachten, Jahresabschlüsse oder ähnliches vorgelegt wurden, kommt eine Haftung der entsprechenden Verfasser in Betracht. Gerade für die letzten drei Jahre, in denen P&R verpflichtet war, ihre Prospekte von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) billigen zu lassen, kann auch an eine Haftung der BaFin gedacht werden: Auch wenn die BaFin die Prospekte nur auf formale Vollständigkeit prüfen musste, hätte zumindest den Juristen bei der BaFin die Frage nach dem sachenrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz - und damit dem Kern des ganzen Anlagemodells - in den Sinn kommen müssen.

Soweit es bereits zu einem Haftungsprozess gegen den Vertrieb gekommen sein sollte, eignet sich das prozessuale Mittel der Streitverkündung für die Einbeziehung weiterer Haftungsadressaten in den Prozess.

Fazit

Auch wenn auf den ersten Blick eine mögliche Haftung der P&R-Vertriebe nicht ohne Weiteres von der Hand gewiesen werden kann, wird die Haftungsexposition im Einzelfall sehr unterschiedlich zu beurteilen sein. Je nach intern geübter Sorgfalt bei der Prüfung der Vermögensanlage und der genauen Dokumentation dieser Prüfung wird es den Vertrieben möglich sein, eine Haftung abzuwehren. Und soweit dies nicht der Fall ist, sollte von den betroffenen Vertrieben - etwa durch eine prozessuale Streitverkündung - versucht werden, eine mögliche Haftung auf mehrere Schultern zu verteilen und auf diese Weise den eigenen Haftungsbeitrag zu minimieren.

Unser Autor Dr. Oliver Zander ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht. Er ist Partner der Kanzlei Weitnauer Rechtsanwälte (München) und berät nationale und internationale Mandanten in bank-, fonds- und aufsichtsrechtlichen Fragen, bei Unternehmenskäufen und im Gesellschaftsrecht. Er ist auch mit der Abwehr von Anlegerschutzklagen befasst.

www.weitnauer.net

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