Analyse zum Equal Pay Day veröffentlicht
Eine Statistik ist zum Equal Pay Day am 17. März 2020 wieder in aller Munde: Frauen verdienen in Deutschland durchschnittlich rund ein Fünftel weniger als Männer – trotz jahrelanger Bemühungen um die Gleichstellung am Arbeitsmarkt. Die Gehaltslücke lässt sich zum Teil damit erklären, dass die Entgelte in Berufen mit einem hohen Frauenanteil oft geringer ausfallen als in traditionellen Männerdomänen wie den technischen Berufen. Aber auch wenn Frauen den gleichen Beruf wählen und den gleichen Erfahrungsschatz gesammelt haben, hinkt ihr Gehalt dem der Männer oft hinterher. Zu diesem Ergebnis kommt eine Auswertung von über 57.000 Datensätzen des Portals Lohnspiegel.de, das vom Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung betreut wird.
Besonders groß ist die Lücke mit 18 Prozent im Beruf Filial- oder Verkaufsstellenleiter: dort verdienen Männer mit zehn Jahren Berufserfahrung durchschnittlich 3.220 Euro brutto im Monat, Frauen hingegen nur 2.640 Euro (jeweils für eine 38-Stundenwoche, ohne Sonderzahlungen). Deutlich kleiner ist der Abstand mit sechs Prozent für Erzieher; Sozialpädagoginnen haben einen Rückstand von sieben Prozent gegenüber Sozialpädagogen. Für andere in Deutschland weit verbreitete Berufe – beispielsweise Bürokaufleute, Juristen und Industriekaufleute – beträgt der Gender Pay Gap bei gleicher Berufserfahrung jeweils zehn Prozent oder mehr. Ein wesentlicher Grund für den Gehaltsrückstand von Frauen sei die ungleiche Aufteilung der unbezahlten Sorgearbeit (Gender Care Gap), etwa bei der Kinderbetreuung, die das WSI in einem Report zum Stand der Gleichstellung in Deutschland dokumentiert hat. Auch bei Beförderungen werden Frauen in Teilzeit häufig übergangen.
Das Entgelttransparenzgesetz sollte dem entgegenwirken, werde in der Praxis aber bisher nur wenig genutzt und hat deshalb nach Forschungsergebnissen des WSI noch keine spürbaren Effekte gezeigt. „Der beste Weg zu fairen und für alle transparenten Löhnen sind und bleiben Tarifverträge“, sagt Dr. Malte Lübker, Experte für Tarif- und Einkommensanalysen am WSI. Tarifverträge unterschieden nicht zwischen Männern und Frauen und gelten – von Führungskräften abgesehen – für alle Arbeitnehmer in tarifgebundenen Betrieben gleichermaßen.
Die WSI-Forscher beobachteten deshalb mit Sorge, dass in Deutschland die Tarifbindung nach Berechnungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) auf zuletzt 54 Prozent (2018) gesunken ist. Im Jahr 2000 betrug der Anteil der Beschäftigten in tarifgebundenen Betrieben noch 68 Prozent. (DFPA/mb1)
Quelle: Report Hans-Böckler-Stiftung
Die Hans-Böckler-Stiftung ist das Mitbestimmungs-, Forschungs- und Studienförderungswerk des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) und wurde im Juli 1977 gegründet.