ZIA Herbstgutachten 2020: Deutsche Innenstädte in Gefahr
In Folge der Corona-Krise laufen die Innenstädte in Deutschland Gefahr, ihre Attraktivität zu verlieren. Trotz aller politischer Maßnahmen sind viele Unternehmen nachhaltig in ihrer Existenz bedroht. Das betrifft den stationären Einzelhandel in den Innenstädten ebenso wie die Hotellerie. Dies sind Ergebnisse aus dem Herbstgutachten 2020 des Rates der Immobilienweisen, der im Auftrag des Zentralen Immobilien Ausschusses (ZIA) die Auswirkungen der Corona-Krise auf die verschiedenen Nutzungsarten untersucht hat.
Der deutsche Wohnimmobilienmarkt ist aufgrund von langjährig festgeschriebenen Zinsen, hohen Laufzeiten und hohen Eigenkapitalanforderungen von Stabilität gekennzeichnet. Dagegen sind Wirtschaftsimmobilien besonders anfällig für Konjunktureinbrüche und Unternehmensinsolvenzen. Dazu gehört auch die Hotellerie. Der Corona-bedingte Shutdown brachte den Tourismus in Deutschland fast vollständig zum Erliegen. Im ersten Halbjahr 2020 sanken die Übernachtungszahlen in Deutschland um rund 47 Prozent zum Vorjahr. Trotz der schrittweisen Aufhebung der Reisebeschränkung und der damit einhergehenden erhöhten touristischen Nachfrage zeigte sich im Juni 2020 dennoch ein Übernachtungsminus in Höhe von 41,7 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Laut dem ZIA Herbstgutachten werde der Tourismus in Deutschland frühestens 2022 wieder das Niveau von 2019 erreichen – mit einer Erholung sei wohl eher in den Jahren 2023/2024 zu rechnen.
Die Nachfrage bei Nutzern und Investoren im Segment der Logistikimmobilien ist weiterhin hoch und hat sich während der Krise sogar noch verstärkt. Das Investmentvolumen in Lager-, Logistik- und Unternehmensimmobilien lag im ersten Halbjahr mit knapp 3,9 Milliarden Euro 57 Prozent über dem Vorjahreszeitraum. „Weil eine sichere Supply Chain im Krisenfall wichtiger als eine kosteneffiziente Supply Chain erscheint, werden Logistikimmobilien auch in den nächsten Jahren stabile, resiliente Investments darstellen“, erklärt Andreas Schulten, Generalbevollmächtigter der bulwiengesa AG, der im Herbstgutachten die Entwicklung der Büro-, Logistik-, Hotel und Pflegeimmobilien analysiert hat. Getrieben durch eine erhöhte Nachfrage wachsen die Spitzenmieten vielerorts unverändert. Zukünftig werden dabei auch mehr Ansiedlungsentscheidungen zugunsten peripherer Lagen fallen.
Im ersten Halbjahr 2020 wurden mit 1,13 Millionen Quadratmetern umgesetzter Bürofläche lediglich 66 Prozent des Vorjahresniveaus erreicht. Die Fundamentalkennzahlen sind jedoch weiterhin positiv – auch aufgrund der Ausgangssituation: Vor allem in den Metropolen stand eine vitale Nachfrage einem limitierten Angebot gegenüber. Erhebungen und Diskussionsbeiträge zum Homeoffice-Trend gehen derzeit davon aus, dass gegenüber dem durchschnittlichen Büroflächenbedarf von 2019 rund zehn Prozent weniger Büroflächen benötigt werden. Für den deutschen Büroimmobilienmarkt war bisher aber entscheidender, wie stark die Bürobeschäftigung zu- oder abnahm. In den A-Städten sank die Bürofläche pro Kopf von 2006 bis 2019 von 27 auf zuletzt 25 Quadratmeter, gleichzeitig stieg die Zahl der Bürobeschäftigten um rund zwei Millionen in Deutschland.
Als defensive und konjunkturunabhängige Immobilienanlage mit nachhaltigem Cashflow sind Seniorenimmobilien in der aktuell rezessiven Marktphase bei gleichzeitig hohen Marktliquidität verstärkt gefragt. So wurden im ersten Halbjahr 2020 auch rund 888 Millionen Euro umgesetzt. Dieser Nachfragedruck spiegelt sich auch in den Renditen: Die Spitzenrenditen für Pflegeheime liegen derzeit bei rund 4,3 Prozent und für Betreutes Wohnen bei 3,5 Prozent. Der in den kommenden Jahren stark wachsende Sektor für Seniorenwohnen und -pflege sollte hinsichtlich lokal verfügbarer Arbeitskapazitäten, Bedürfnissen auf Freiraum und Erdgeschossnutzungen rechtzeitig in die Stadtentwicklungspolitik und Baukultur eingebunden werden. (DFPA/JF1)
Quelle: Pressemitteilung ZIA
Der Zentrale Immobilien Ausschuss e.V. (ZIA) mit Sitz in Berlin ist eine Interessenvertretung der deutschen Immobilienwirtschaft. Er hat die Verbesserung des wirtschaftlichen, rechtlichen, steuerlichen und politischen Umfelds der Immobilienbranche zum Ziel. Als Unternehmer- und Verbändeverband sind im Jahr 2006 gegründeten ZIA mehr als 28 Mitgliedsverbände zusammengeschlossen, die für rund 37.000 Unternehmen der Branche sprechen.