Marktkommentar: "Fehleinschätzungen an den Kapitalmärkten: Ein amerikanischer Traum?"
Thomas Böckelmann, Investmentchef bei der Vermögensverwaltung Euroswitch, sieht in der positiven Entwicklung der US-Aktien nach dem Wahlsieg Donald Trumps das Wunschdenken zahlreicher Marktteilnehmer. Die Börse feiere einen vom wahlkämpfenden Hard-Trump zum Soft-Trump mutierenden Präsidenten, ohne konkrete Anhaltspunkte zu haben. Nahezu alle Experten lagen nicht nur in ihren Vorhersagen zum Wahlausgang daneben, sondern auch in ihren Vorhersagen zur potentiellen Marktreaktion. Nach dem „Brexit“ sei dies der zweite Vorfall binnen weniger Monate, der daran zweifeln lasse, ob Gesellschaft und Kapitalmärkte noch auf Erfahrungen und Gesetzmäßigkeiten bauen können. Vor allem im Hinblick auf das bevorstehende italienische Referendum am Wochenende sowie das Superwahljahr 2017 sei diese Beobachtung alles andere als beruhigend.
Donald Trump wurde wirtschaftlicher Protektionismus unterstellt, der im Falle seines Wahlsieges Kurseinbrüche an den globalen Aktienmärkten hätte auslösen sollen. Mittlerweile habe man gegen jede rationale Erwartung an sieben Tagen neue Allzeit-Hochstände an den US-amerikanischen Aktienbörsen erlebt. Dennoch bleibe die politische Lage unberechenbar. Erst wenn sein 2.500 Mitarbeiter umfassendes Kernteam stehe und auf die ersten Wochen im Amt geblickt werden kann, werde man erfahren, wohin die Reise geht. Bis dahin dürften sich die Marktteilnehmer immer wieder auf Marktbewegungen einstellen, wie beispielsweise der achtprozentige Kursanstieg bei europäischen Zementherstellern wegen des potentiellen Mauerbaus an der mexikanischen Grenze.
Ansteigende Kurse bei US-Aktien und ansteigende Zinsen in den USA sollten auch die Bereitschaft der US-amerikanischen Notenbank Fed erhöhen, in zwei Wochen den Leitzins um 0,25 Prozent anzuheben, so Böckelmann. Mittlerweile gelte auch als wahrscheinlicher, dass der Zinsanhebungstrend von nachhaltiger Natur sein könnte. Historische Bewertungsmodelle geben Entwarnung und zeigen, dass Aktienmärkte und Unternehmen mit Zinsanstiegen auf niedrigem Niveau gut leben können. Ein kritisches Maß liege erst bei etwa drei Prozent im Tagesgeldbereich.
Ein sinnvoller Ausblick für Europa scheine vor dem anstehenden italienischen Referendum und dem Wahljahr 2017 kaum möglich. „Für einen nachhaltigen Erfolg muss sich vor allem Deutschland bewegen, in Reform- sowie Europafragen“, so Böckelmann. Fakt sei, dass sich die Bewertungsschere zwischen US-Aktien und europäischen Aktien seit Sommer immer weiter öffnet. Das verlorene Vertrauen in Europa könne nur durch eine überzeugende Politik zurückgewonnen werden.
„Aktuell befinden wir uns in einer ,White Paper‘-Phase, in der die Märkte alle Strategien auf den Prüfstand stellen“, fasst Böckelmann die momentane Lage an den Märkten zusammen. Es bleibe abzuwarten, was bei der Sitzung der europäischen Notenbank EZB herauskommt. EZB-Chef Mario Draghi habe für Dezember erste Ergebnisse seiner Arbeitsgruppen versprochen, wie aktuell Geldpolitik zu bewerten sei. Viele Akteure erhoffen sich vor allem klare Aussagen zu neuen Maßnahmen in 2017.
Quelle: Marktkommentar Euroswitch
Die Vermögensmanagement Euroswitch GmbH ist eine fondsbasierte Vermögensverwaltung. Die Gesellschaft wurde im Jahr 1992 gegründet und hat ihren Sitz in Frankfurt am Main. (JF1)