Anleger sollten sich zum Jahreswechsel absichern

Marktkommentar von Chris Iggo (AXA Investment Managers) zur aktuellen Entwicklung der Finanzmärkte. Er erwartet für 2024 keinen Konjunktureinbruch, sondern nur eine Konjunkturdelle:

Chris Iggo
Chris Iggo

Ich will nicht schon wieder über die Anleihenrallye vom November schreiben. Schließlich hatte ich im dritten Quartal noch falsch gelegen, als die US-Wirtschaft boomte und man so bald nicht mehr Zinssenkungen rechnete. Jetzt scheint meine These von der Anleihenrenaissance besser zu passen, erwartet man doch Zinssenkungen im neuen Jahr. Viele Anleihen sind daher noch immer interessant. Auch scheinen die Märkte kaum mit Aktien- und Währungsvolatilität zu rechnen, was angesichts der weltwirtschaftlichen und politischen Risiken seltsam anmutet. Fallende Zinsen dürften risikobehafteten Titeln etwas helfen. Vielleicht wäre es zum Jahreswechsel dennoch klug, sich etwas abzusichern – etwa dagegen, dass die Notenbanken vor den erwarteten Zinssenkungen zurückschrecken.

Kurzläufer sind noch nicht passé: Glaubt man den Notenbanken, werden die Leitzinsen auf absehbare Zeit so hoch bleiben wie heute. In unserem Basisszenario werden sie zwar 2024 gesenkt, aber wohl erst in der zweiten Jahreshälfte. Das hat zwei Konsequenzen: Erstens bieten Kurzläufer dann noch einige Quartale lang interessante Renditen, sodass man mit Unternehmensanleihen weiterhin etwas mehr verdient als mit Tagesgeld. Zweitens legen Anleihen zu, wenn Zinssenkungen für wahrscheinlicher gehalten werden.

Vielleicht ist der beste Einstiegszeitpunkt aber schon vorbei. Zurzeit erwartet der Markt für die USA Zinssenkungen von 125 bis 150 Basispunkten bis Ende 2024. Die Rendite des ICE BofA 1-3 Year US Corporate Index ist seit dem Oktoberhoch um 50 Basispunkte gefallen. Der Markt setzt immer größere Hoffnungen auf Zinssenkungen im neuen Jahr. Für die USA wird die erste Zinssenkung demnach schon für Mai erwartet. Und doch sind Kurzläuferrenditen noch immer attraktiv. Der Carry ist hoch und die Zinswende verspricht Kursgewinne.

Konjunkturrisiken sprechen für eine lange Duration: Sobald man am Markt mit einer baldigen Zinswende rechnet, können langlaufende Anleihen erneut zulegen. Im ersten Teil der Rallye, ab dem 23. Oktober, ist die zehnjährige US-Benchmarkrendite unter die psychologisch wichtige Fünf-Prozent-Marke gefallen. Bei einer Fortsetzung weiß man, dass die Zinsen auf einen neuen Gleichgewichtswert fallen, der zwar höher ist als vor der Pandemie, aber niedriger als in den letzten knapp zwölf Monaten. Die Renditen könnten also weiter fallen, sodass man mit Anleihen ordentlich verdienen kann. Für manche Anleger könnte sich (wegen der schwächeren Konjunktur) eine lange Duration, aber auch ein Inflationsschutz anbieten.

Wie viel Disinflation? Das ist die entscheidende Frage, denn davon hängt nicht nur das Ausmaß der Zinssenkungen, sondern auch der Rückgang des nominalen Wirtschaftswachstums ab (das wegen der höheren Inflation ebenfalls höher ausfiel). Unternehmensgewinne, Löhne und Steuereinnahmen waren daher überraschend hoch. Wenn die nominale Nachfrage langsamer steigt, könnte es hier zu Enttäuschungen kommen. Das hat wiederum Folgen für den Aktienmarkt, da die Gewinne je Aktie und damit die Erträge vom Umsatzwachstum abhängen. Tendenziell spricht dies für hochwertige Wachstumswerte, also für Unternehmen, deren Umsätze und Gewinne auch weiterhin kräftig steigen könnten. Bei einem niedrigeren Umsatzwachstum würden auch die Verschuldungsgrade nicht mehr so stark fallen. Unternehmensanleiheninvestoren sollten das genau im Blick behalten, denn auch hier spielt die Qualität eine wesentliche Rolle. Solange die Renditen noch hoch sind, bieten sich Unternehmen und Sektoren mit stabileren Finanzen an. Ein schwächeres nominales BIP-Wachstum ist auch für den Staat keine gute Nachricht, weil die Steuereinnahmen dann wohl nicht mehr so stark steigen. Die Haushaltsdefizite würden dann wohl höher ausfallen, weil die Ausgaben oft sind, wie sie sind. Wer mittelfristig in Staatsanleihen investiert, muss sich vor allem mit solchen Risiken befassen.

Vom Umgang mit Risiken: Marktbeobachter lieben es, vor Risiken zu warnen. Mangel an Risiken herrscht selten, aber manche werden den Anlegern im neuen Jahr besonders ans Herz gelegt. Die beiden Kriege bedrohen weiterhin die Energieversorgung, was die Energiepreisentwicklung unsicher macht. Auch könnte aus der weichen Landung noch eine Stagflation werden. Politiker und Diplomaten bleiben nervös, weil weder in der Ukraine noch im Nahen Osten wirklich Frieden und Ruhe zu erwarten sind. Die Verteidigungs- und Sicherheitsausgaben sind kräftig gestiegen, was den Staatsfinanzen alles andere als hilft. Außerdem könnten Außenhandel und Tourismus Schaden nehmen. Und es kommen weitere Konflikte hinzu: China möchte seine Einflusssphäre ausweiten, was schon jetzt zu einer Neuausrichtung der Lieferketten und der Handelsbeziehungen führt. Investoren können nicht leicht abschätzen, inwieweit das Konjunktur und Weltfrieden bedroht. Es spricht aber auf jeden Fall für ein höheres Risikobewusstsein.

Ein Risikomaß – der VIX, auch „Angstindex“ genannt – ist zurzeit außerordentlich niedrig. Offensichtlich wollen sich nur wenige Investoren vor Risiken schützen. Vielleicht liegt es daran, dass viele noch immer vorwiegend am Geldmarkt investiert sind und daher keine Absicherung brauchen. Vielleicht glauben sie auch, mit Day Trading oder ETFs bei Bedarf schnell aussteigen zu können. Ich sehe darin eine große Chance, sich günstig gegen wirtschaftliche und weltpolitische Risiken abzusichern. Auch ein anderer großer und liquider Markt – der Währungsmarkt – ist zurzeit nicht sehr volatil.

Unsicherere Politik: 2024 werden die Augen auf die Wahlen in den USA gerichtet sein. Vielleicht wird auch in Großbritannien gewählt, und in vielen anderen Ländern wie Mexiko, Indien, Indonesien und Taiwan stehen ebenfalls Urnengänge an. Hinzu kommt die Präsidentschaftswahl in Russland – wer die wohl gewinnt? Ich glaube nicht, dass die Weltlage zurzeit auf ein stabileres Wirtschaftswachstum hoffen lässt. Die westlichen Demokratien werden herausgefordert – durch ruchlose Akteure auf der Weltbühne, aber auch durch innere Feinde. Regierungen und Politiker der Mitte werden für ihren Umgang mit den Themen Einwanderung, Klimawandel und Corona kritisiert. Der Populismus bedroht Marktwirtschaft und Demokratie, wie wir gerade erst bei den Wahlen in den Niederlanden und Donald Trumps Aufstieg zum Umfragekönig gesehen haben. Populismus schafft Unsicherheit und bedroht die wirtschaftliche Stabilität. Die Risikoprämien bilden das bisher nicht ab.

Boom: Weltweit niedrigere Zinsen dürften das Wirtschaftswachstum irgendwann stärken. Aber das reicht noch nicht, weil die Zinsen nicht so niedrig sein werden wie in den Jahren nach 2009. Die Fiskalpolitik hat mit großen Defiziten und einem höheren Schuldendienst zu kämpfen. Der Welthandel, ein klassischer Wohlstandsgarant, geht zwar nicht wirklich zurück, spielt aber auch keine so große Rolle mehr wie früher. Das liegt an den Spannungen zwischen den USA und China, den Sanktionen gegen Russland und der in manchen Ländern Europas von mächtigen Minderheiten lautstark vorgetragenen Forderung, nach britischem Vorbild die EU zu verlassen. Dabei ist die Union noch immer die beste Garantie für stabiles und hohes Wachstum. Vorbei sind auch die Zeiten, als die Welt von Chinas WTO-Beitritt und starkem Wachstum durch kostengünstige Industrieproduktion profitierte. Es gibt viele Gründe, pessimistisch zu sein.

Wachstum woher? Schon früher schrieb ich, dass die Künstliche Intelligenz hoffen lässt. Sie steigert die Produktivität und ist für Aktieninvestoren konkret und greifbar. Gut für das Potenzialwachstum wäre auch eine höhere Partizipationsquote am Arbeitsmarkt. Hilfreich wäre außerdem die Mobilisierung von mehr Kapital, um viele Sektoren nachhaltiger zu machen – etwa durch mehr lokale Energieerzeugung und umweltverträglichere Landwirtschaft im globalen Süden. Es ist gut, dass der COP28-Gastgeber, die Vereinigten Arabischen Emirate, 30 Milliarden US-Dollar für Klimalösungen mobilisieren wollen. Höhere Investitionen in die Energiewende und die nachhaltige Landwirtschaft würden das Wirtschaftswachstum fördern und hätten auch positive soziale Wirkungen. Das Artensterben würde gebremst und die Ernteerträge würden steigen. Außerdem könnten Biotechnologieinvestitionen gegen chronische Krankheiten helfen, die die Gesundheitssysteme zurzeit stark belasten. Natürlich wäre auch ein Ende der Kriege in der Ukraine und dem Nahen Osten gut, vor allem wenn Friedensverträge einen Wiederaufbau der am stärksten zerstörten Regionen ermöglichten.

Wir selbst erwarten für 2024 keinen Konjunktureinbruch, sondern nur eine Konjunkturdelle. Wir rechnen also nicht mit einem massiven Arbeitsplatzabbau und den für Rezessionen typischen Insolvenzen vieler Unternehmen. Zumindest das ist beruhigend. Allerdings sehe ich auch nur wenig Aufwärtspotenzial. Deshalb setze ich eher auf Sicherheit als auf Spekulation und halte bei Anleihen wie Aktien hochwertige Wachstumswerte und ähnliches für interessant. Es besteht kein Zweifel, dass ein Ende der beiden Kriege und eine noch stärkere Annäherung der USA und China Gründe für höhere Portfoliorisiken wären. Europäische Aktien könnten auf ein Ende des Ukrainekriegs positiv reagieren, würden doch die Zweifel an der Energiesicherheit nachlassen. Hinzu kämen neue Wachstumschancen, wenn die Ukraine EU-Mitglied wird.

Erfreuliches zum Schluss: Noch immer sehe ich mir gerne die Wiederholung von Alejandro Garnachos Fallrückziehertor für Manchester United gegen Everton in der letzten Woche an. Es war genial und hat gezeigt, dass aus dem 19-Jährigen ein echter Superstar werden könnte. Tatsächlich hat United, wie schon so oft, vielversprechende Nachwuchsspieler. Alles in allem ist die Mannschaft heute besser in Form, auch wenn sie beim Champion-League-Auswärtsspiel gegen Galatasaray Istanbul eine 3:1-Führung noch aus der Hand gegeben hat. Es bleibt also noch viel zu tun, etwa im Mittelfeld und auch im Tor, wo Bruno Fernandes gerne unnötige Freistöße provoziert. Die Qualifikation für die KO-Phase der Champions League scheint kaum noch möglich. In der englischen Meisterschaft steht United aber gut da. Wenn sich die Mannschaft nach dem Ausscheiden aus dem Europapokal ganz auf die Premier League konzentriert, könnte sie am Saisonende auf einem der ersten vier Plätze stehen. Außerdem baut United auf junge und begabte Spieler wie Garnacho, Rasmus Højlund, Facundo Pellistri und Kobbie Mainoo. Die Zukunft ist leuchtend, jung und rot.

Chris Iggo ist CIO Core Investments bei AXA Investment Managers in London. Der Asset Manager AXA IM ist Teil des AXA-Konzern und verwaltet mit über 2.600 Mitarbeitern ein Vermögen in Höhe von 842 Milliarden Euro, davon 489 Milliarden Euro in ESG-integrierten Anlagen, Nachhaltigkeits- und Impact-Strategien. (Stand: Ende März 2023)

www.axa-im.com

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