Investitionskrise bremst die Energiewende

Es fehlt ein schlüssiges Gesamtkonzept für ein klimaneutrales Energiesystem.

Sven Jösting

Der Aufbau von Kapazitäten an Solar- und Windenergie in Deutschland läuft, aber die Netzinfrastruktur ist nicht in erforderlichem Maße vorhanden, um die Kapazitäten regenerativer Energie aufzunehmen und zu transportieren. Die Industrie gibt sich zögerlich, da die Regulatorik manche Frage der Umsetzung aufwirft. Sind Gaskraftwerke, die mit amerikanischen LNG (basierend auf umweltschädlichem Fracking amerikanischer Art) gespeist werden – bis es perspektivisch Wasserstoff gibt – die Alternative zu Kohle- und Kernkraftwerken, die abgeschaltet werden, aber für die Grundlast notwendig sind? Derzeit fehlt es an Tempo – gerade auch bei den Genehmigungsverfahren, so mein Fazit zum Handelsblatt-EnergieGipfel 2024, der vom 23. bis 25. Januar im BCC in Berlin stattgefunden hat.

Zukunft aktiv gestalten statt Krisen managen

Ein Redner fasst es so zusammen – sinngemäß: Besser Zukunft aktiv gestalten, als Krisen zu managen. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hält das Narrativ und Mantra hoch, dass Deutschland die Chance hat, sich regenerativ zum Selbstversorger zu machen. Er findet den europäischen Markt für Strom perfekt in der Umsetzung, lässt dabei aber außer Acht, dass in Deutschland abgeschaltete Energie aus Kohle- und Atomstrom durch gleiche Energieformen via Zukauf aus Frankreich und Polen ausgeglichen wird. Hier sieht er den perfekten Strommarkt, der seinen Worten nach sehr gut funktioniert. Der „grüne“ Wirtschaftsminister scheint angesichts der Komplexität der Energiewende überfordert. Sollten nicht besser Kohlekraftwerke via CCS & CCUS (Nutzung der CO2-Emissionen/Abspaltung und Lagerung) länger laufen, als nun über 50 neue Gaskraftwerke für die Grundlast zu bauen?

Eine Energie-Transformation geht indes nicht ohne Wirtschaftswachstum, denn all das muss bezahlt werden. Aber was sind die richtigen Wachstumsimpulse? Wo ist die Kraftwerksstrategie? Druck für die Umsetzung ergibt sich aus der Bewertung von CO2 und dessen Preisfindung als wirtschaftliches Druckmittel über Zertifikate. Je teurer, desto mehr Umsetzungsdruck in der Dekarbonisierung. Dann gibt es aber noch das Problem des Ausbaus an Strom- und Wasserstoffnetzen. Denn der Strombedarf wird massiv steigen – beispielsweise durch die zusätzliche Nachfrage infolge der Wärmewende (Wärmepumpen) sowie durch Elektromobilität. Auch dafür muss die Netzinfrastruktur stehen.

Stromkabel und Pipelines sind im Zusammenhang zu sehen, wobei der Transport von Wasserstoff via Pipeline wesentlich günstiger ist, als der Transport von Strom via Kabel. Oberirdisch verlegte Stromkabel sind wesentlich sinnvoller als sie unterirdisch zu verlegende (bis zu 40 Meter Breite beim Bau). All das muss bezahlbar werden, um einer De-Industrialisierung zu entgehen, denn preislich wettbewerbsfähige Energie ist ein sehr wichtiger Standortfaktor.

Lösungen müssen gefunden werden – Krise als produktiver Zustand?!

Viele Probleme in der Umsetzung der Energiewende stellen aber auch einen gesunden Druck dafür da, Lösungen finden zu müssen. Es muss aber koordiniert ablaufen und zügig (z.B. Regulatorik via Genehmigungsverfahren verringern). Derzeit gibt es viele Widersprüche. Beispiel: Die Kosten für Biogasanlagen via Anschlusspflicht für Strom oder grünes Gas stehen der Umsetzung im Weg. Da gibt es viele regulatorische Fehlentwicklungen. Biomethan (gelbe Wasserstoff) ist eine perfekte Ergänzung zum Erdgas und dann irgendwann Wasserstoff (grün) – auch für bestehende Gasheizungen. Das Gasnetz eignet sich perfekt für die Umwidmung in Wasserstoffnetze (Blending) – parallel zum Aufbau eines eigens für Wasserstoff gedachten Pipelinenetzes. Das will die Politik leider getrennt halten, ebenso wie die Wärmemärkte, in denen auch Wasserstoff eine Rolle spielen wird. 1,8 Mio. Unternehmen/Betriebe hängen an dem vorhandenen Gasnetz. Kurzum: alles muss auf den Prüfstand und technologieoffen diskutiert werden.

Bei der Farbe des Wasserstoffs ist es Voraussetzung für den Erfolg, dass Offenheit gilt. Der blaue Wasserstoff – via Erdgasreformierung + CCS/CCUS – wird ein wichtiger, wenn nicht sogar der wichtigste, im Übergang zur Farbe grün sein. Es sollte dem Markt überlassen werden, wie die Transformation weg von fossilen Energieträgern auf dem Weg zu grünem Wasserstoff erfolgt.

Bei den Netzen muss eine viel größere Schnelligkeit der Genehmigung erfolgen. Da ist vieles sehr kleinteilig, denn Stromkabel wie auch Pipelines unterliegen vielen Einflüssen. Geologische Gutachten gehören dazu. Viele Einzelgenehmigungen – oft mehrere 1000 (!!?) – sind erforderlich, was enorm zeitaufwendig ist. Es wurde mit der Planung einer neuen Bahnstrecke für einen ECE verglichen, wie eine Stromleitung (unterirdisch) oder eine Gaspipeline geplant wird.

Strom- und Gasnetze müssen zusammen gedacht werden. Man bedenke: 20% des Energiebedarfs ist Strom, aber 80% sind Moleküle wie Gas und Wasserstoff. Die Systemkosten sind eindeutig zu hoch, so der Grundtenor viele Beiträge. Ob es sich um Steuern oder Netzentgelte handelt. Insgesamt darf nicht dogmatisch gedacht werden, sondern pragmatisch und flexibel. Und die KI wird da immer mehr Einfluss gewinnen, wie die Netze am besten gesteuert werden können.

In Bezug auf China stellt sich die Frage, ob nicht eigenen Kapazitäten an Photovoltaikproduktion in Deutschland bestehen sollten, um die Abhängigkeit in kleinem Maße zu verringern – hier hat China über 90% Weltmarktanteil. Bei Windkraft sind die Chinesen auch dominant. Hier müssen die EU und Deutschland im Speziellen daran arbeiten, den nächsten Megamarkt der Elektrolyseure anzugehen, um nicht diesen Markt auch noch an China zu verlieren.

USA gibt sich via IRA sehr pragmatisch

Der Inflation Reduction Act in den USA sollte Blaupause sein, weil Unternehmen in den USA sehr pragmatisch an die Umsetzung herangehen, beispielsweise bei CCS-Projekten wie von Occidental Petroleum, wo Unternehmen selbst die Initiative ergreifen. CCS muss in Deutschland und der EU viel offener angegangen werden, so ein Take aus der Konferenz. In Deutschland und der EU würde hier viel zu viel diskutiert statt gehandelt. Es gibt in den USA bereits 144 Wasserstoffprojekte mit einem Investitionsvolumen in Höhe von über 90 Mrd. US-$ und schafft konkret über 80.000 neue Arbeitsplätze. Der IRA zieht auch viele Unternehmen aus dem Ausland an. So baut VW für 2 Mrd. US-$ eine Batteriefabrik, BMW ebenso (1,3 Mrd. US-$ Invest), Daimler Truck investiert 640 Mio. US-$ für den Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur (H2-Tankstellen) und Brennstoffzelle für Nfz. Dazu hieß es in einer Talkrunde im Vergleich der EU/Deutschland und den USA: Statt Peitsche/Keule (EU/Deutschland) besser die Zuckerstange (USA (IRA).

Energiekosten müssen runter – ein wichtiger Standortfaktor

Fazit: Die Energiekosten in Deutschland sind zu hoch und müssen runter (Wettbewerbssituation auf dem Weltmarkt). Geopolitische Unsicherheiten müssen berücksichtigt werden (Energiesicherheit). LNG aus den USA ist nur eine Übergangssituation – Wasserstoff wird alternativ aus der ganzen Welt zu uns finden – direkt via Pipeline oder über Derivate (Methanol, LOHC, Ammoniak). Die bestehende Überregulierung muss massiv geändert/entschlackt werden wie auch die zeitlichen Abläufe (Genehmigungsverfahren). Manche Förderung ist sogar kontraproduktiv. Das Ziel, im Jahr 2030 20 GW an neuer Energie (regenerative Grundlagen) sind per heute nicht nur nicht erreichbar, sondern gar völlig unrealistisch. Die nächste Bundestagswahl (2025) kann da auch für weitere Verzögerungen sorgen. Es geht aber auch um die Verzahnung der Märkte.

Die Vorgabe der Dekarbonisierung muss einhergehen mit realistischen Annahmen und Berechenbarkeit wie auch Planungssicherheit, denn niemand weiß, welche Mengen an Wasserstoff (grün, blau, gelb, etc) zu welchem Preis im Jahr 2030/35/40 im Markt sind. Da geht es auch um die Kapazitäten an Elektrolyseuren. Welche Kraftwerke mache wo (Standort) am meisten Sinn? Strom, Gas/Wasserstoff und Wärmemärkte sind als Ganzes zu sehen. Es fehlt ein schlüssiges Gesamtkonzept für ein klimaneutrales Energiesystem in Deutschland. Leider! Aber – und das steht fest – Wasserstoff wird ein wichtiger Bestandteil in der Energiewende sein, auch wenn alles länger dauert.

Quelle: Hzwei-Magazin   

HYDROGEIT - Wasserstoff Netzwerk

Sven Jösting (63) befasst sich mit dem Themenkomplex Brennstoffzelle/Wasserstoff bereits seit 20 Jahren. Mit der Börse hatte er beruflich zu tun und mittlerweile gut 40 Jahre Erfahrung. Er ist Mitglied der Wasserstoffgesellschaft Hamburg e.V. und schreibt für das Fachmagazin HZwei. Als Moderator verwaltet er die Facebook-Communities Wasserstoff + Brennstoffzelle sowie Hydrogen + Fuel Cell mit zusammen über 14.000 Mitgliedern. Er hält Vorträge zum Thema und geht auch in Schulen.

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