EU-Prospektverordnung benachteiligt Anleger bei grenzüberschreitender Prospektverwendung
Peter Mattil, Rechtsanwalt und Gründer der Münchener Kanzlei Mattill – Fachanwälte für Bank- und Kapitalmarktrecht, beleuchtet in EXXECNEWS Ausgabe 26 einen Aspekt der neuen EU-Prospektverordnung, der Anleger gegenüber Emittenten im Falle eines Rechtstreits benachteiligt:
Zum Hintergrund: Am 20. Juli 2017 ist die Verordnung (EU) 2017/1129 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel an einem geregelten Markt zu veröffentlichen ist und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/71/EG („EU-Prospektverordnung“) in Kraft getreten. Sie ist Teil des Aktionsplans der Europäischen Union zur Schaffung einer Kapitalmarktunion und gilt – mit wenigen Ausnahmen – erst ab dem 21. Juli 2019. Die EU-Prospektverordnung soll „dafür sorgen, dass Wertpapierprospekte einfacher und nutzerfreundlicher gestaltet werden, damit Anleger fundierte Anlageentscheidungen treffen können, und zugleich Unternehmen den Zugang zum Kapitalmarkt zu erleichtern“, so die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) in ihrem Jahresbericht.
Für den Fall grenzüberschreitender Prospektverwendung fordert Mattil, den Emittenten zur Übersetzung seines Prospektes in die Sprache des jeweiligen Ziellandes zu verpflichten:
Die EU-Prospektverordnung ersetzt die EU-Prospektrichtlinie 2003/71 und reguliert die Wertpapier-Prospektpflicht, den Inhalt von Prospekten, deren Sprachfassung, die Billigung, Schwellen für die Prospektfreiheit, den grenzüberschreitenden Vertrieb und anderes.
Schon in der EU-Prospektrichtlinie, dem Wertpapierprospektgesetz (WpPG) und jetzt auch in der EU-Prospektverordnung verwunderte die Sprachenregelung bei grenzüberschreitender Prospektverwendung. Sowohl in der Richtlinie als auch in dem deutschen WpPG war geregelt, dass der Prospekt im Heimatland gebilligt und in jedem anderen EU-Staat ohne Übersetzung in die Sprache des Ziellandes verwendet werden kann, wenn der Prospekt in einer von der BaFin anerkannten Sprache oder in einer in „ internationalen Finanzkreisen gebräuchlichen Sprache“ erstellt wurde (vergleiche Artikel 19 der EU-Prospektrichtlinie und § 19 WpPG). Der Emittent kann also den Prospekt zum Beispiel in Luxemburg oder Litauen billigen lassen und sodann in Deutschland verwenden, ohne diesen nochmals übersetzen zu müssen. Jeder, der schon einmal einen Zivilprozess geführt hat, weiß, dass er im Falle eines Rechtsstreites den gesamten Inhalt des Prospektes darstellen muss. Kein Anleger dürfte dazu bereit oder in der Lage sein, zigtausende Euro für die Übersetzung eines mehrere hundert Seiten dicken Prospektes zu bezahlen. Der Emittent ist dazu nicht verpflichtet!
Selbst wenn ein Anleger diese finanzielle Belastung auf sich nimmt, wird der Erfahrung nach der Emittent die Richtigkeit der Übersetzung bestreiten. Eine absurde Regelung; der Emittent ist nicht für den Inhalt (in diesem Falle die sprachliche Fassung) seines Prospektes verantwortlich. Außerdem: Was ist die „in internationalen Finanzkreisen gebräuchliche“ Sprache? Weder in der EU-Prospektrichtlinie, noch im WpPG, noch in der EU-Prospektverordnung ist die Rede von „Englisch“, wie man vielleicht meinen könnte. In Deutschland waren schon Wertpapierprospekte auf dem Markt, die überwiegend in Französisch verfasst waren. Offensichtlich war der Emittent aus Frankreich der Meinung, dass Französisch eine internationale Finanzsprache ist. Die Sprachenregelung steht im Widerspruch zu Aussagen der EU-Prospektrichtlinie und auch der EU-Prospektverordnung, die stets davon ausgehen, dass sich der Anleger bei der Entscheidung auf den Prospekt als Ganzes stützen sollte. Dies ist nicht möglich, wenn er in seiner Heimatsprache nur eine siebenseitige Zusammenfassung erhält.
In dem seit Mitte November vorliegenden Referentenentwurf eines Gesetzes zur weiteren Ausführung der EU-Prospektverordnung und zur Änderung von Finanzmarktgesetzen wurde das Sprachproblem zwar aufgegriffen, aber nicht gelöst. In § 21 WpPG wird nur klargestellt, dass die anerkannten Sprachen im Sinne des Artikel 27 der Verordnung Deutsch und Englisch sind. Allerdings: Zwar wird es demzufolge keine französisch- oder spanischsprachigen Prospekte bei uns geben, zumindest aber englische, die noch immer der Anleger im Streitfalle auf seine Kosten übersetzen lassen müsste. Eine Regulierung, mit der ein Verbraucher nicht leben kann. Es wäre so einfach und logisch, den Emittenten zur Übersetzung seines Prospektes zu verpflichten.