Zinsanstieg beeinflusst auch den Immobilienmarkt
Die Immobilien in Deutschland werden teurer und die Renditen sinken. Das Ende des billigen Geldes könnte den seit etwa acht Jahren andauernden Preisauftrieb auf den Immobilienmärkten aufhalten, berichtet die „Süddeutsche Zeitung“ am 8. März 2018. Niedrige Zinsen hätten nicht nur die Aktien-, sondern auch die Immobilienmärkte in den vergangenen Jahren angetrieben. Nun frage sich die Branche, ob die Phase des billigen Geldes zu Ende geht.
Laut dem Frühjahrsgutachten der Immobilienwirtschaft stiegen die Umsätze mit gewerblichen Immobilien im vergangenen Jahr um 9,8 Prozent auf 58,1 Milliarden Euro. „Die gute Nachricht unseres diesjährigen Frühjahrsgutachtens ist zweifelsfrei, dass es den deutschen Immobilienmärkten sehr gut geht“, sagte Andreas Mattner, Präsident des Dachverbandes Zentraler Immobilien Ausschuss (ZIA). Investoren hätten im vergangenen Jahr rund 24,4 Milliarden Euro in deutsche Büros investiert. Die Nachfrage nach Arbeitsflächen sei nicht allein durch den Anlagedruck bedingt, heißt es. Es gebe auch eine Nachfrage von Unternehmen, die expandieren oder eine neue Immobilie beziehen möchten. In vielen Städten würden daher die Leerstandsquoten sinken und die Mieten steigen. In manchen Metropolen würden die Büro- bereits die gleichen Symptome wie die Wohnungsmärkte zeigen. „Flächen und Angebote werden in den Ballungsräumen knapper, und wir müssen aufpassen, dass wir nicht in ein nächstes Mangelproblem rauschen“, sagt ZIA-Präsident Mattner.
Wer heute eine Immobilie kauft, müsse mit Rekordpreisen kalkulieren - ein Grund, weshalb Investoren teilweise den deutschen Märkten mittlerweile den Rücken kehren würden. Lagen die Netto-Spitzenrenditen für Büroimmobilien vor sieben Jahren jenseits der Fünf-Prozent-Marke, liegen sie in Städten wie Berlin mittlerweile unter drei Prozent, heißt es. Wie die niedrigen Zinsen und die gute Konjunktur die Preise erhöht haben, zeige das Sony Center in Berlin. Im Jahr 2010 für rund 600 Millionen Euro verkauft, wechselte der Komplex im vergangenen Jahr für 1,1 Milliarden Euro den Eigentümer.
„Mit steigenden Zinsen werden außerdem Anleihen für Investoren wieder attraktiver. Das heißt, es wird voraussichtlich weniger Liquidität in die Immobilienmärkte fließen als bisher“, sagt Sabine Barthauer, Mitglied des Vorstands der Deutschen Hypo. Die Deutsche Hypo geht in ihrer aktuellen Prognose davon aus, dass der Zinssatz für zehnjährige Bundesanleihen von derzeit etwa 0,7 Prozent bis Ende 2019 auf rund 1,6 Prozent steigen werde. Sollten die Zinsen weiter steigen, werden sich Investoren fragen, ob sie das komplexe und aufwendige Immobiliengeschäft unverändert fortführen, heißt es weiter.
In der Branche sorgt die prognostizierte Entwicklung bisher kaum für Nervosität. Laut einer Umfrage von Ernst & Young gehen rund 93 Prozent der Unternehmen davon aus, dass sich die Niedrigzinsphase fortsetzt. Nach der Ankündigung der Europäischen Zentralbank, das Anleihenkaufprogramm mindestens bis Herbst 2018 laufen zu lassen und frühestens danach mit Zinsanhebungen zu beginnen, sei bis auf Weiteres mit den Auswirkungen der lockeren Geldpolitik zu rechnen, betont auch Matthias Leube, Deutschland-Chef des Immobiliendienstleisters Colliers International. „Wir sehen über 2018 hinaus in Deutschland weiterhin nur eine sehr geringe Wahrscheinlichkeit, dass das Zinsniveau angehoben wird“, sagt Leube. „Ich halte einen deutlichen Zinsanstieg in der Eurozone für sehr unwahrscheinlich, da dies erhebliche negative Folgen für die Realwirtschaft hätte“, sagt auch Marc Drießen, Geschäftsführer der Hansainvest Hanseatische Investment.
Je nach Investmentstrategie würde ein früherer oder deutlicherer Zinsanstieg sich unterschiedlich auf die Anleger auswirken. Investoren wie Versicherungen hätten sich auf einen moderaten Zinsanstieg eingestellt. „Die meisten institutionellen Investoren sichern sich die niedrigen Zinsen langfristig und arbeiten mit moderaten Fremdkapitalquoten von etwa 40 Prozent“, sagt Drießen.
„Bestandsinvestments in Deutschland wären von steigenden Zinsen kaum betroffen, weil hier überwiegend mit festverzinslichen Darlehen in Gebäude mit langfristigen Mietverträgen investiert wird“, betont Hans-Joachim Lehmann, Geschäftsführer von Warburg HIH Invest. „Verlierer sind in jedem Fall diejenigen, die zu kurzfristig finanziert haben“, sagt Sven Keussen, geschäftsführender Gesellschafter von Rohrer Immobilien in München. Riskant werde das Geschäft auch für jene Investoren, die ihr Geld damit verdienen, Immobilien schnell „zu drehen“ - also nach dem Kauf auf steigende Preise spekulieren und das Objekt nach kurzer Zeit wieder verkaufen.
Noch hofften die Anleger vor allem, dass alles mehr oder weniger so weitergeht wie bisher, heißt es. „Grundlegende Änderungen an Investment-Strategien sind derzeit noch nicht festzustellen“, berichtet Hypo-Vorstand Barthauer. Allerdings würden sich zunehmend mehr Investoren wieder für Auslandsimmobilien interessieren. Dass auch andere Risiken die Geschäfte erschweren könnten, hätten die jüngsten Kursverluste an den Börsen gezeigt. Ein von den USA ausgelöster Handelskrieg könnte der deutschen Wirtschaft schaden. Bisher hätte gegolten: Je unsicherer die Lage in der Welt, desto gefragter waren Immobilien in Deutschland. Sollte sich die Wirtschaft abschwächen, würde das auch die Immobilienmärkte belasten, heißt es. (TS1)